Fußball:Italien erlebt das übliche Trauerspiel

SS Lazio v Juventus FC - TIM Cup Final

Weltmeister Miroslav Klose (vorne) bleibt bei Lazio Rom ohne weiteren Pokal, Arturo Vidal kann mit Juve noch das Triple holen.

(Foto: Paolo Bruno/Getty Images)
  • Juventus Turin gewinnt gegen Lazio Rom das italienische Pokalfinale nach Verlängerung. Es ist schon deshalb ein Erfolg, weil es stattfindet.
  • Das Finale der Frauen wird bestreikt - der zuständige Funktionär hat sich mal wieder abfällig über Frauenfußball geäußert: "Es reicht jetzt mit dem Geld für diese paar Lesben."
  • In der dritten und vierten Liga erlebt Italien den nächsten Wettskandal.

Von Birgit Schönau, Rom

Alle reden jetzt vom Triple, aber Juventus Turin hat sich den zweiten Saisontitel nicht im Vorbeigehen geangelt. Erst nach 120 Minuten im römischen Olympiastadion war am Mittwochabend der Pokalsieg sicher - Nummer zehn für die Piemontesen, die allerdings 20 Jahre lang auf diese Decima warten mussten. Lazio Rom erwies sich als renitenter Gegner, der zunächst mit einem Kopfballtor des rumänischen Verteidigers Stefan Radu (4.) in Führung gegangen war und nach dem prompten Ausgleichstreffer von Giorgio Chiellini (7.) lange aufmüpfig blieb. Aber Juves Überlegenheit stand nicht eine Sekunde zur Debatte.

Tatsächlich suchten die Römer, die mit sehr viel Körpereinsatz einen erfrischend nostalgischen 70er-Jahre-Fußball spielen und sich damit auf Platz zwei der Serie A gekämpft haben, unermüdlich nach einem Moment der Zerstreutheit der Alten Dame - mit deftigen Fernschüssen. Doch Gianluigi Buffon konnte das Spektakel von der Bank aus genießen, sein Stellvertreter Marco Storari, 38, hielt überwiegend souverän die Stellung und hatte unverschämtes Glück, als ein Kraftschuss des Serben Filip Dordevic an beiden Pfosten abprallte.

Klose bleibt verstörend blass, Pirlo denkt wohl schon an Berlin

Dordevic war für den verstörend blassen Miroslav Klose eingewechselt worden, der an diesem Abend naiv wie ein Novize über den Rasen seines Stadions trabte. Nichts fiel ihm ein, um die Turiner Abwehrmauer zu überlisten, von Minute zu Minute wirkte er ratloser, bis sich Trainer Stefano Pioli kurz vor Ende der regulären Spielzeit seiner erbarmte.

Von den Kollegen kam wenig Hilfe, doch die zeigten wenigstens eine beeindruckende Laufkondition. Dass aber Einsatzfreude alleine nicht ausreicht, um Juventus zu beeindrucken, die Erfahrung mussten in dieser Saison schon viele machen. Der einzige Turiner, der sich auch bei diesem Pokalfinale verausgabte wie ein Jugendlicher beim ersten großen Auftritt, war Carlos Tevez: Der Argentinier zeigte zwei Stunden lang nicht die Spur von Müdigkeit. Am Ende drängte sich der Eindruck auf, Lazio habe gerade gegen acht Tevez', einen Chiellini und einen Storari verloren - und gegen Alessandro Matri, der als Ersatz für den schwerfälligen Spanier Fernando Llorente kam und das Siegtor erzielte (97.).

Andrea Pirlo? Gab sich seinen Tagträumen hin; die spielten vielleicht in Berlin. Und Paul Pogba ist nach der Rückkehr aus der Verletzungspause nur eine hölzerne Kopie des Original-"Kraken". Arturo Vidal wiederum betrieb ein wenig Mimikry, wie manche Insektenarten, die viel gefährlicher aussehen, als sie eigentlich sind.

Dass das alles reichte, um nach 20 Jahren wieder einmal den Pokal zu gewinnen, beweist aufs Neue den Abstand zwischen Juve und dem Rest der Liga. Dass im Übrigen das Pokalfinale in quasi letzter Minute hektisch vorverlegt werden musste, beweist die ganze Professionalität der italienischen Fußballfunktionäre. Die großen Geister in Liga und Verband hatten nämlich ursprünglich den 7. Juni als Termin ausgemacht. Also den Tag nach dem Champions-League-Finale. Wer konnte denn ahnen, dass ein italienischer Klub es bis nach Berlin schaffen würde!

Neuer Wettskandal

Abgesehen von dieser Bagatelle ist jedoch über das Pokalfinale eigentlich nur Positives zu berichten. Erstens blieb alles ruhig und friedlich - wofür 1 700 Polizisten sorgten. Im vergangenen Jahr war im Vorfeld des Endspiels zwischen dem SSC Neapel und dem AC Florenz ein Tifoso aus Neapel durch Schüsse eines römischen Rechtsextremisten tödlich verletzt worden. Der Prozess gegen den Täter aus dem Umfeld der so genannten Ultras-Szene wird bald eröffnet. Die Bilder von den Ausschreitungen rund ums Olympiastadion und von neapolitanischen Kurvenführern, die gnädig die "Erlaubnis" zum Spielbeginn erteilten, gingen damals um die Welt. Diesmal zeigte der Staatssender RAI bei seiner Übertragung konsequent nur Kinder im Publikum: schöne neue Fußballwelt.

Belloli findet: "Es reicht jetzt mit dem Geld für diese paar Lesben."

Zweitens fand das Männer-Finale ja überhaupt statt. Das für Samstag terminierte Frauen-Pokalfinale zwischen Brescia und Tavagnacco (eine Kleinstadt im Friaul) wird voraussichtlich ausfallen, weil die Spielerinnen streiken. Sie fordern den Rücktritt von Felice Belloli, dem Präsidenten der Amateurliga. Belloli hatte, so steht es jedenfalls im Protokoll, auf einer Sitzung verkündet, die Förderungsmittel für den Frauenfußball zu reduzieren und das mit diesem Satz unterstrichen: "Es reicht jetzt mit dem Geld für diese paar Lesben." In Italien kann man so was als Funktionär noch folgenlos äußern. Als der Satz öffentlich wurde, gab es lediglich etwas verhaltene Empörung - zum Rücktritt des Amateur-Sexisten Belloli reichte es nicht. Von den männlichen Profis fühlte sich nur einer bemüßigt, die Frauen zu unterstützen. Der Kapitän des AS Rom, Francesco Totti, forderte Respekt für die Kolleginnen, denn "wir im Fußball sind alle eine einzige, große Familie". War wenigstens gut gemeint.

Als Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella in der Halbzeitpause des Finalspiels mahnte, die Italiener wollten endlich einen sauberen und korrekten Fußball, war das kein Kommentar zur ungeheuerlichen Diskriminierung des Frauenfußballs. Mattarella spielte auf den neuen Wettskandal in der dritten und vierten Liga an. Bei den Spielmanipulationen im Unterholz soll angeblich die kalabrische Mafiaorganisation 'Ndrangheta die Fäden gezogen haben.

Die Juve darf jetzt an Messi denken und an das Fußballfest in Berlin. Zu Hause läuft das übliche Trauerspiel.

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