Fußball-EM:Portugal ist der verdiente Sieger

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Impressionen einer Pariser Nacht: Die Portugiesen feiern den EM-Triumph jeweils auf ihre Weise. (Foto: AP)

Selten schön, immer zäh. Portugals talentierte Mannschaft zeigt bei der Europameisterschaft vor allem eine Qualität: Sie überwindet alle Widerstände.

Kommentar von Thomas Hummel, Paris

Es sah beinahe so aus, als wäre sie gekommen, um Cristiano Ronaldo zu trösten. Wie eine Elfe aus dem Fußball-Wunderland flatterte sie heran und ließ sich auf der Augenbraue des weinenden Mannes nieder, den in diesem Moment die halbe Welt bedauerte. Ronaldo saß in seinem vielleicht wichtigsten Spiel auf dem Rasen des Stade de France, er weinte vor Schmerz, Trauer und Ärger. Da kam die Motte.

Im Märchen hätte es nun "pling!" gemacht, ein funkelnder Sternenschweif hätte die Szene erleuchtet, Ronaldo wäre aufgestanden und hätte gesund und munter das Finale der Europameisterschaft entschieden. Doch es war keine Elfe, keine Fee. Sondern eine von Tausenden Motten, die sich zum Endspiel in Saint-Denis eingefunden hatten, weil die Veranstalter zuvor wegen der erhöhten Sicherheitslage das Flutlicht im Stadion die ganze Nacht angelassen hatten.

"Wer am Ende Sieger ist, verdient es immer"

Oder wohnte dieser Motte doch etwas Zauberhaftes inne? Ronaldo konnte nicht weiterspielen, und doch sollte er kurz vor Mitternacht den Coupe Henri-Delaunay in die Luft stemmen. Portugal hatte das Finale auch ohne seinen Anführer für sich entschieden. Ohne den besten Fußballer der Welt, wie sie im Land sagen. Allein das widerlegt bereits die These, diese Mannschaft habe das Turnier durch pures Glück gewonnen.

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Von Javier Cáceres

Hat Portugal diesen Titel verdient? Die Frage hing über dem Norden von Paris nach dem Finale, in dem Frankreich in der Nachspielzeit den Pfosten getroffen hatte, und generell über lange Zeit besser Fußball spielte. Die Antwort gab deren Trainer Didier Deschamps: "Wer am Ende Sieger ist, verdient es immer."

Der Sieger eines solchen Fußballturniers kann mit spielerischer Überlegenheit, mit Sturm und Drang begeistert haben. Er muss es aber nicht. In Deutschland glauben viele, man muss in der Vorrunde mindestens einmal 4:0 gewonnen haben, um am Ende rechtmäßig oben stehen zu dürfen. Dabei sind solche Hurra-Momente höchstens das Beiwerk. Viel wichtiger, ja geradezu obligatorisch ist die Fähigkeit, vier Wochen erfolgreich gegen alle Widerstände anzukämpfen. Auch in den schwierigen Momenten einen kühlen Kopf zu behalten. Keine Dummheiten zu begehen - wie zweimal im Strafraum mit hoch erhobenen Armen den Ball zu berühren.

Portugal hat in der Vorrunde kein Spiel gewonnen. In einer Gruppe mit Island, Österreich und Ungarn kam es nur als Tabellendritter ins Achtelfinale. Allerdings hatte auch kein Team in den ersten drei Partien häufiger auf das Tor geschossen, da gehörten die Spiele mit Portugal noch zu den Attraktionen. Wenngleich alle Welt vor allem über die vielen Fehlschüsse von "CR7" lachte. Trainer Fernando Santos stellte deshalb für die K.-o.-Spiele um, brachte einige neue Kräfte, mit denen er den Weg zum eigenen Tor verdichtete. Junge Leute wie den 18-jährigen Neu-Bayer Renato Sanches oder den im baden-württembergischen Singen geborenen Cédric, die technisch starken Fußball zeigten und sich zudem mächtig reinhängten, um es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen.

Mit dem Spektakel war nun freilich Schluss. Doch niemand schaffte es, diese Mannschaft zu schlagen. Als sie die hoch gehandelten Kroaten in einem über alle Maßen zähen Achtelfinale besiegt hatte, ahnte deren Trainer bereits, das Turnier habe nun einen neuen Favoriten. Hier und da war auch das nötige Spielglück dabei, ohne das noch nie jemand ein Turnier gewonnen hat.

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Dass Portugal im Finale ohne den schillernden Ronaldo siegte, ist die Pointe dieser Geschichte. Nun wurde auch dem Letzten deutlich, was schon in einigen Spielen zuvor durchschien: Diese Gruppe war nicht auf den 31-jährigen Weltstar von Real Madrid angewiesen. Es ist schön, wenn er dabei ist, weil Ronaldo sich manchmal wie im Halbfinale drei Meter hoch in die Luft stellt und einen Kopfballtorpedo Richtung Tor abschießt. Auch den Ausfall von Pepe im Halbfinale kompensierte das Team.

Am Ende dieser Europameisterschaft dürfen sich deshalb sogar die Deutschen noch einmal bestätigt fühlen. Sie verpassten ihrer Elf das Motto "Die Mannschaft", der Name sollte für Zusammenhalt, Teamgeist und Geschlossenheit stehen. Genau so eine Mannschaft ist am Sonntag Europameister 2016 geworden.

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