Fußball-Bundesliga, 17. Spieltag:Holzfäller in Lessosibirsk

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Stuttgarts Serie hält: Der VfB spielt gegen Hoffenheim fast 40 Minuten in Überzahl und gewinnt mit 3:1. Weil Lehmann auf der Tribüne sitzt, ist diesmal nur der Ball eigenwillig.

Michael König

Die Stuttgarter haben es zum Abschluss der Hinrunde mit einer neuen Taktik probiert. Sie ging nicht auf den neuen Trainer Christian Gross zurück, dem man in Stuttgart nach zuletzt zwei Spielen in Folge ohne Niederlage schon magische Kräfte nachgesagt hatte. Aber sie war erfolgreich und trug zum Gross'schen Mythos bei: Der VfB gewann durch Tore von Marica, Cacau und Khedira mit 3:1 (1:1) gegen Hoffenheim.

Kleine Stunteinlage: Christian Träsch vom VfB Stuttgart (hinten) im Duell mit Maicosuel, dem Hoffenheimer Torschützen zum 1:1. Am Ende siegte Stuttgart mit 3:1. (Foto: Foto: Getty)

Die neue Taktik war eine Tarn-Taktik, und sie war den äußeren Umständen geschuldet: Bei minus 14 Grad waren die Spieler dank weißer Trikots mit roten Streifen optisch kaum vom schneebedeckten Untergrund zu trennen, auf den der Platzwart rote Linien gemalt hatte.

Auch der Ball war rot, und nicht nur das, er schien auch eigenwillig zu sein, denn er hoppelte minutenlang mal in die eine, dann wieder in die eigene Richtung, als sei der Geist des äußerst eigenwilligen Stuttgarter Stammtorwarts Jens Lehmann in ihn gefahren. Lehmann aber saß auf der Tribüne, er ist wegen einer besonderen Eigenwilligkeit für drei Spiele gesperrt. Und von dort aus sah er, wie sich seine Mitspieler schwer taten.

Erst nach etwa 20 Minuten bekamen die Zuschauer so etwas wie eine Torszene zu sehen: Stuttgarts Christian Träsch nahm ein Zuspiel von Pawel Progrebnyak auf, schoss aus 16 Metern jedoch weit über das Tor.

Im Hoffenheimer Tor atmete Daniel Haas anschließend kräftig durch. Womöglich, weil es so kalt war, vielleicht aber auch, weil er als Vertreter des grippekranken Timo Hildebrand besonders unter Beobachtung stand. Weil die Stuttgarter den Gegner nach 25 Minuten der Eingewöhnung zunehmend einkesselten, kam Haas bald verstärkt unter Feuer. Gross sah es mit Vergnügen: "Die Mannschaft hat mitbekommen, dass sie den klaren Auftrag hat, nicht abzusteigen. Sie hat Siegeswillen gezeigt, das hat mir gefallen", sagte der Trainer nach dem Spiel.

Während der Drangphase sprang der rote Ball zu Andreas Ibertsberger, und der Verteidiger der Gäste dachte vielleicht an seinen Torwart, vielleicht dachte er auch an Thierry Henry, den berühmten französischen Handballspieler. Jedenfalls ging Ibertsberger mit dem Arm zum Ball, er führte ihn ein Stück, und es war Hoffenheims Pech, dass Schiedsrichter Manuel Gräfe seine Hände kurz darauf ebenfalls benutzte: Er zeigte auf den Elfmeterpunkt.

Ciprian Marica schoss den Strafstoß, und wie durch ein Wunder machte der rote Ball diesmal genau das, was Marica von ihm erwartete - er flog kerzengerade ins Tornetz, zum 1:0 für die Gastgeber. "Seit der neue Trainer da ist, spielt der Junge wie entfesselt", lobte VfB-Präsident Erwin Staudt den Torschützen in der Halbzeit am Fernseh-Mikrofon.

Staudt guckte trotzdem ziemlich verkniffen, und das wohl nicht nur, weil ihm "saukalt" war. Es hing auch damit zusammen, dass sich kurz vor der Pause die Gäste bemerkbar gemacht hatten - zum ersten Mal in dieser Partie.

Der Brasilianer Maicosuel war es, der in der 44. Minute einen Freistoß so haargenau über die Mauer zirkelte, dass Lehmann-Vertreter Sven Ulreich machtlos war - das 1:1. Kurz darauf wäre Hoffenheim beinahe in Führung gegangen, doch Ulreich hielt einen von Tasci abgefälschten Ball in höchster Not.

So ging es mit einem Unentschieden zur Halbzeit in die geheizten Pausenräume - ein für Hoffenheim schmeichelhaftes Ergebnis. Stuttgart war die bessere Mannschaft gewesen, und sie machten sich nach der Pause gleich daran, diesen Eindruck zu festigen.

Der russische Stürmer Pogrebnyak tauchte drei Minuten nach Wiederanpfiff frei vor dem Tor auf, schoss aber fünf Meter daran vorbei. Dennoch war Stuttgart kurz darauf im Vorteil: Gäste-Verteidiger Luiz Gustavo führte sich im Zweikampf mit Sami Khedira auf wie ein Holzfäller in Lessosibirsk. Weil das überhart war, sah er dafür die gelb-rote Karte. Und weil das außerdem im Mittelkreis passierte, wird der Sünder auf der nächsten Weihnachtsfeier garantiert eine Kleinigkeit ausgeben müssen.

In Stuttgart könnte Pogrebnyak hingegen ein kleines Geschenk bekommen, denn er machte nicht nur nur eines seiner besten Spiele im Stuttgarter Trikot, sondern steckte insbesondere in der 68. Minute den Ball zum eingewechselten Cacau durch. Alle Eigenwilligkeit war bis dahin aus dem roten Ball gewichen, so schien es, denn er flog von Cacaus Fuß aus äußerst spitzem Winkel zum 2:1 ins Tor.

In der 83. Minute erhöhte Khedira sogar auf 3:1. Er lief anschließend in Richtung Trainerbank, wo ihn Christian Gross, der Magier, in Empfang nahm. "Er ist ein sehr, sehr kritischer Trainer", antwortete Khedira nach dem Spiel auf die Frage nach dem Gross'schen Erfolgsrezept. Und Torhüter Sven Ulreich fügte an: "Er hat uns ein paar Ideen näher gebracht. Aber Genaues darf ich nicht verraten."

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