Fußball-Bundesliga:Die letzten Drücker

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Talente verleihen, Griechen tauschen, Stammspieler verkaufen: Die Bundesliga-Vereine haben auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Nicht alle waren dabei erfolgreich.

Es gehört zu den menschlichen Eigenheiten, Dinge gerne auf den letzten Drücker zu erledigen: aufräumen, die Steuererklärung abgeben, solche Dinge. Besonders menschlich sind offenbar die Manager von Fußballklubs, die genau wissen, dass das Transferfenster II in diesem Winter vom 1. Januar bis zum 2. Februar geöffnet hat, was sie aber nicht daran hinderte, ihre Transfers trotzdem erst in den letzten beiden Nächten abzuwickeln.

Am letzten Tag der Transferperiode wechselte Fabian Ernst zu Besiktas Istanbul. (Foto: Foto: dpa)

Aber so viel letzten Drücker wie in diesem Winter gab's noch nie: Am Montag lagen oft nur wenige Minuten zwischen Transfervollzügen, weiteren Gerüchten und wieder neuen Vollzügen. Es war das turbulente Ende einer Transferperiode, die wegen der Finanzkrise erwartungsgemäß ruhig begann - und, auch wegen der Finanzkrise, unerwartet bunt endete.

Viele Klubs fühlten sich von den Aktivitäten anderer Klubs unter Druck gesetzt, aber wirklich Geld locker machen konnte in diesen unsicheren Tagen kaum einer - weshalb sich viele auf eine risikoärmere Transfervariante verlegten. Der Trend ging in diesem Winter zum Leihgeschäft, selbst bei Vereinen, die viel Geld einnahmen wie der Hamburger SV. Am Ende investierten die 18 Bundesligisten knapp 20 Millionen Euro - deutlich weniger als im Rekordwinter des vorigen Jahres, als die Erstligaklubs 48 Millionen ausgaben. Ein Überblick über die bislang hektischsten Stunden des Jahres 2009.

Der Hamburger SV hat in den letzten Tagen seinem neuen Hobby gefrönt: Er hat wieder ein paar Spieler geholt. Als letzter Neuer kam am Montag der bei Schalke ausgemusterte Albert Streit, 28. Zuvor wurde der dänische Abwehrspieler Michal Gravgaard, 30, vom FC Nantes als Ersatz für den verletzten Bastian Reinhardt (Mittelfußbruch) dingfest gemacht. Es waren die Profis fünf und sechs, die der HSV im Winter geholt hat - aber nur für den Franzosen Mickael Tavarez, 26, von Slavia Prag gab man eine nennenswerte Summe aus: 1,5 Millionen Euro investierte der Klub und gab dem defensiven Mittelfeldspieler einen Vertrag bis 2012. Alle anderen: nur geliehen. Streit, Gravgaard und der Gladbacher Marcel Ndjeng bis Saisonende, der Venezolaner Tomas Rincon bis zum Jahresende, wobei sich der HSV eine Kaufoption für den 21-jährigen Südamerikaner sicherte. Und Torwart Khalid Sinouh, 33, zuletzt ohne Verein, unterschrieb einen Kontrakt bis Juni.

Trotz des halben Dutzends neuer Spieler hat der HSV das große Geld, das er für Nigel de Jong (knapp 20 Millionen Euro von Manchester City) und Thiago Neves (6,5 Millionen vom saudischen Klub Al-Hilal) einnahm, zusammengehalten. So scheiterte auch der Einkauf des Ungarn Szabolcs Huszti, weil der bisherige Hannoveraner bei Zenit St. Petersburg deutlich mehr verdienen darf. Vom Wolfsburger Verteidiger Alexander Madlung nahm man Abstand, weil dieser nicht im Uefa-Cup hätte eingesetzt werden können (er spielte in diesem Wettbewerb schon für den VfL). Und den ebenfalls umworbenen Nationalspieler Marko Marin, 20, geben die Gladbacher im Winter nicht her.

So taugt der HSV einstweilen zum Musterklub in der weltweiten Finanzkrise: Er spart sich seine finanziellen Mittel bis zum Sommer auf. Denn dann, so glauben HSV-Chef Bernd Hoffmann und Sportchef Dietmar Beiersdorfer, werden einige Klubs ihre internationale Spitzenspieler für wenig Geld verkaufen müssen.

Kein Musterklub

Fabian Ernst, 29, hat sich in den dreieinhalb Jahren bei Schalke 04 nicht als Torkanone ausgezeichnet. In 106 Bundesligapartien gelang ihm ein einziger Treffer. Dennoch ist es mehr als erstaunlich, dass Schalke den ehemaligen Nationalspieler am Montag auf die Transferliste gesetzt hat, um ihn sogleich an Besiktas Istanbul zu verkaufen. Zwar kamen bereits Mitte Januar Gerüchte auf, dass sich der türkische Klub für den Mittelfeldspieler interessiere, doch entsprechende Meldungen wurden von Schalkes Manager Andreas Müller empört zurückgewiesen.

Nun lautet die offizielle Version, dass Ernst "mit dem Wunsch an uns herangetreten ist, das Angebot von Besiktas zu prüfen". Angeblich war die Offerte so attraktiv, dass sowohl Schalke wie Ernst sie annehmen mussten. "Wir mussten eine Güterabwägung treffen, was für uns und Fabian auf Sicht gesehen das Beste ist", erklärte Müller. Über die Ablösesumme werden unterschiedliche Zahlen verbreitet. Besiktas beziffert sie mit drei Millionen Euro.

Elf des Spieltages
:Bayerische Siegertypen

Kroos ist kein Einzelfall: Der FC Bayern ist seit jeher sehr großzügig bei der Verteilung des Siegergens: Hier sind beispielhaft elf Botschafter der Münchner Lehre.

Genug für eine spielprägende Stammkraft? Sowohl kurz- wie langfristig scheint es für Schalke derzeit von vorrangigem Interesse zu sein, Kosten zu sparen. Der Personaletat, in den besseren Tagen der Champions-League-Zugehörigkeit mit 55 Millionen Euro pro Jahr beziffert, belastet den Verein, die sportlichen Aussichten sind eher trüb. Daher ist die Trennung von Ernst wie auch der Massenexodus der Reservisten (von Lövenkrands bis Streit) als Teil eines Kurswechsels zu verstehen.

Die jüngste Großinvestition in den Kader - die kostspielige Vertragsverlängerung mit dem 20-jährigen Verteidiger Benedikt Höwedes - passt in diesen Zusammenhang. In Anbetracht dieser Aktivitäten bekam es sogar Kevin Kuranyi, 26, mit der Angst zu tun, man könnte ihn aus Gelsenkirchen fortschicken. Er habe "ehrlich gesagt" den Eindruck, dass man ihn verkaufen wolle, berichtete er dem kicker. Müller teilte daraufhin mit, Kuranyi sei "unverkäuflich". Lockeres Interesse hat Tottenham Hotspur gezeigt, der Spieler werde weiter beobachtet, heißt es. Ob Kevin Kuranyi in diesem Sommer immer noch "unverkäuflich" ist?

Grieche trifft Griechen

Einen Tag, nachdem mit dem 19-jährigen Münchner Toni Kroos eines der größten deutschen Talente - natürlich leihweise - bei Bayer Leverkusen landete, kam es im Transferfenster II zu einer hochinteressanten Begegnung. Beim Rausklettern traf der 28-jährige Grieche Theofanis Gekas den 28-jährigen Griechen Angelos Charisteas, der gerade reinkletterte. Gekas, eigentlich als loyaler Arbeitnehmer bekannt, hat es am Ende doch nicht mehr ausgehalten hinter dem hochkarätigen Perspektivduo Patrick Helmes/Stefan Kießling, das ihm selbst jede Perspektive nahm. Bei Bayer wollten sie sich keinen frustrierten Ex-Torjäger mehr leisten, weshalb Gekas an den englischen Erstligisten FC Portsmouth verliehen wurde (mit Kaufoption).

Weil aber kein Klub mit einem einzigen Sturmduo (und sei es noch so gut) durch die Rückrunde kommt, liehen sich die Leverkusener ihrerseits den Nürnberger Charisteas bis Saisonende aus (ohne Kaufoption). Ein für beide Seiten perfekter Nottransfer - Charisteas war in Franken nicht mehr glücklich, und die Leverkusener scheiterten beim Versuch, den Basler Eren Derdiyok, der im Sommer kommt, vorzeitig zu holen: Der FC Basel wollte zu viel Geld. "Vor vier, fünf Monaten hätten wir vielleicht trotzdem versucht, Derdiyok gleich zu holen", sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, "das ist eben die Kehrseite, wenn man die Tochter eines Konzerns ist." Heißt: Wenn der Konzern Stellen streicht, dann kann der Fußballklub seine Stellen höchstens mit einem Leiharbeiter besetzen.

Was sonst noch geschah

Zwei weitere bemerkenswerte Personalien gab's am Montag auf den letzten Transferdrücker. Erstens: Hannover holte als Ersatz für den linksfüßigen Freistoßspezialisten Huszti den linksfüßigen Freistoßspezialisten Jacek Krzynowek vom VfL Wolfsburg (gekauft, nicht geliehen). Zweitens: Der Karlsruher SC holte etwas ganz Neues: einen Torjäger! Nämlich Mahir Saglik vom VfL Wolfsburg (leihweise), der zuvor in der dritten Liga für Wuppertal 27Tore schoss (in einer Saison, nicht wie ein KSC-Stürmer in einem ganzen Leben). Bemerkenswert auch: Mittelfeldspieler Nenad Milijas, 25, Kapitän von Roter Stern Belgrad, hat am letzten Transfertag seinen geplanten Wechsel nach Wolfsburg abgesagt. Es gibt also auch Spieler, die Felix Magath nicht holt.

Was sonst noch geschehen wird

Sonderlich viel Zeit, sich vom Late-Night-Shopping zu erholen, haben die Ligamanager nicht: Das Karussell bleibt in Bewegung, auch wenn der Ausstieg fürs Erste untersagt sein mag. Die Kader für nächste Saison werden ja ab sofort erstellt, und der FC Bayern liegt natürlich wieder vorn. "Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen haben wir schon ein Gerüst", sagt Manager Uli Hoeneß am Montag um 13.50 Uhr, der Kader sei "nur noch schwerpunktmäßig zu optimieren". Nach Stürmer Ivica Olic (Hamburger SV) und Mönchengladbachs Talent Alexander Baumjohann sei jetzt auch der Zugang des ukrainischen Sechsers Anatoli Timoschtschuk (Zenit St. Petersburg) endgültig verabredet: "Offen ist nur noch, ob er zum April zu uns kommen kann oder erst zum 1.Juli." In Russland gelten zum Glück andere Vertragslaufzeiten. Wäre ja sonst auch langweilig.

Texte: Christof Kneer, Jörg Marwedel, Philipp Selldorf, Andreas Burkert

© SZ vom 03.02.2009/aum/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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