Fußball-Bundesliga:"Das ist ein Dopingfall, ganz klar"

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Hoffenheims Kontrollaffäre offenbart Lücken im System des DFB. Der Chef der nationalen Anti-Doping-Agentur fordert Sperren für die Spieler.

Andreas Burkert

Zunächst hatte Ralf Rangnick noch geschwiegen mit dem Hinweis auf "ein schwebendes Verfahren". Doch dass Schweigen so gar nicht zum Naturell des sendungsbewussten schwäbischen Fußballlehrers passt, ist seinen Bewunderern und Kritikern am Montag rasch klar geworden.

Andreas Ibertsberger (rechts) droht eine einjährige Sperre: Der Hoffenheimer war zu spät zum Dopingtest erschienen. Sein Trainer Ralf Rangnick hält das für nichts Ungewöhnliches. (Foto: Foto: ddp)

Denn was Hoffenheims Trainer nach Bekanntwerden der Dopingtestaffäre um seine Spieler Andreas Ibertsberger und Christoph Janker mit etwas Abstand im SWR-Fernsehen anmerkte, traf mit brachialer Wucht den Deutschen Fußball-Bund - weil diese Äußerungen den mit mehr als sechs Millionen Mitgliedern größten Sportverband der Welt als laienhaften Streiter im Anti-Doping-Kampf erscheinen lassen.

"Bei uns war es in der Vergangenheit des Öfteren so, dass sogar der Dopingbeauftragte gesagt hat, die Spieler können noch mal kurz in die Kabine gehen und sollen sich ein frisches Trikot anziehen", sagte Rangnick im Interview. Er habe über den Fall seiner beiden Profis, die am 7. Februar in Mönchengladbach mit zehnminütiger Verspätung zur Dopingkontrolle erschienen waren, auch mit Kollegen gesprochen.

Rangnicks Fazit: "Es ist auch in anderen Vereinen so, dass es durchaus die Möglichkeit gibt oder sogar aufgefordert wird, noch mal kurz ein Trikot anzuziehen." Der DFB forderte Rangnick umgehend auf, seine Aussagen "zu konkretisieren". Rainer Koch, DFB-Vize und Chef der Anti-Doping-Kommission, teilte außerdem mit: "Sollten bislang nicht bekannte Vorfälle durch die Antwort von Herrn Rangnick bekannt werden, so werden wir dazu sofort sportgerichtliche Ermittlungen einleiten."

Dass Rangnick Zeugen auftreiben wird, ist eher unwahrscheinlich. Das änderte jedoch wenig an einem bedenklichen Vorgang - dass im Fußball erst mit dem Präzedenzfall ein Bewusstsein für ein zentrales Thema des Sports wächst und an die Stelle einer erhabenen Das-haben-wir-immer-gemacht-Haltung tritt. Denn trotz einer Forcierung des Anti-Doping-Kampfes seitens des DFB ist das Kontrollsystem der millionenschweren Profibranche und ihrer Dachorganisation noch nicht auf der Höhe der Zeit.

Rangnicks Aussagen sind jedenfalls kein Hirngespinst, darüber dürfte sich die Szene trotz diverser Dementis einig sein. "Es hätte jedem von uns passieren können, nun hat es Hoffenheim erwischt", sagte am Montag ein Bundesligatrainer der SZ. Gerade deshalb stößt wohl auch der (eher aussichtslose) Einspruch Borussia Mönchengladbachs gegen die Spielwertung (1:1) in der Branche übel auf. Armin Baumert, Chef der Nationalen Anti-Doping-Agentur, hegt grundsätzlich am aufrichtigen Bestreben des DFB für einen sauberen Sports "keine Zweifel". Zu mutmaßlichen Nachlässigkeiten von Kontrolleuren sagt er aber: "Ich glaube nicht, dass sich der DFB solche schwarzen Schafe halten kann."

Dass "Lücken in der Anwendung" existieren könnten, hält DFB-Vize Koch für möglich. Er sagt: "Als Strafrichter weiß ich, dass Gesetze schon mal gebrochen werden." Doch generell findet er: "Unser System hat keine Lücken." 35 Ärzte gehören dem Pool des DFB an, der seine Wettkampfkontrollen selbst organisiert; laut Koch werden sie für die Kontrollen regelmäßig speziell geschult.

"Da ist vom Internisten bis Orthopäden alles dabei", weiß der Münchener Dopingjäger Helmut Pabst, der im deutschen Sport rund 4500 Tests jährlich vornimmt (im Bereich des DFB sind es unangemeldete Trainingstests). "Doch diese Ärzte, höre ich, sind oft allein, sie können gar nicht nach Spielende die jeweils zwei ausgelosten Spieler beaufsichtigen."

DFB-Mann Koch widerspricht auch hier, neben dem Arzt sei sehr wohl ein zweiter Offizieller dabei, "wie jetzt im Fall Hoffenheim"; eine "dringende Empfehlung" an die Kontrollärzte sei laut DFB-Richtlinien der zweite Mann. Doch können zwei Personen vier ausgeloste Profis observieren? "Ja", betont Koch, die Strecke vom Spielfeld zum Kontrollraum betrage "ja oft nur zehn, 15 Meter". Koch ergänzt aber: "Wenn sich nun herausstellen sollte, dass das Sicherheitspersonal zahlenmäßig verstärkt werden muss, werden wir das thematisieren."

Ohnehin bestätigen Spieler, bisweilen würden sie nur von der Vertrauensperson des Vereins zur Kontrolle geleitet. "Bei uns ist es meistens der Physio", berichtet ein deutscher Nationalspieler. Bei Welt- oder Europameisterschaften existiert dagegen ein offizieller Begleitservice für jeden Testkandidaten, der Verspätungen oder kurzzeitiges Abtauchen in der Kabine verhindere: "Die haben dich direkt am Spielfeld in der Zange." Dieses sogenannte Chaperons-System ist inzwischen auch in anderen Branchen üblich.

Und würde etwa im Radsport Lance Armstrong - einzig begleitet von seinem eigenen Physiotherapeuten - vor der Kontrolle erst mal im Teambus verschwinden, wäre die Aufregung groß. Bei der Tour de France 2008 versuchte der Spanier Manuel Beltran den offiziellen Begleitern auszubüchsen. Auf einem Feld fingen sie ihn ein. Beltrans Probe von diesem Tag war positiv auf Epo.

Nach der Überzeugung von Nada-Chef Baumert würden bisher tolerierte Versäumnisse keineswegs dazu führen, dass die 1899-Profis Ibertsberger und Janker straffrei davon kommen. Der DFB habe sich dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur und der Nada unterworfen, "und da ist es egal, ob die Lücke eine oder zehn Minuten ist - das hier ist ein Dopingfall, ganz klar! Da kann es null Toleranz geben, das unangemessene Verhalten der Spieler ist zu sanktionieren, denn sie haben die Regeln gebrochen". Ungeachtet der Anhörungen vor der DFB-Kommission halte er angesichts eines vergleichbaren Falls in Italien (SZ 23.2.) "auch hier ein Jahr Sperre für möglich".

Baumert findet grundsätzlich, der Fußball müsse aus dem vermutlich schmerzlichen Fall unbedingt Konsequenzen ziehen. Er sagt: "Auch Fußballprofis müssen lernen, dass sie wie Basketballspieler und alle anderen ganz klare Regeln einzuhalten haben."

© SZ vom 24.02.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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