Fußball: Aristide Bancé:Ein rätselhafter Transfer

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Aristide Bancé ist erst 25, gilt als Stürmer mit einer großen Zukunft - und wechselt trotzdem aus der Bundesliga nach Dubai. Es ist ein merkwürdiger Transfer, an dem ein ukrainischer Geschäftsmann gut verdient und weitere Berater einen Anteil fordern.

Tobias Schächter

Am Samstagmorgen rief Christian Heidel die Homepage des Fußballklubs FC Al-Ahli Dubai auf. Der Manager von Mainz 05 wollte sich informieren über jenen Klub, der Aristide Bancé, unter Vertrag nehmen wollte - was zu diesem Zeitpunkt nur Heidel, Trainer Tuchel und ein paar Eingeweihte wussten. Heidel war völlig perplex, als er Bilder auf der Internetseite von Al-Ahli sah, die Bancé beim Medizincheck zeigten. "Ich dachte, ich sehe nicht recht", erzählt er: "Da war Ari auf der Pritsche zu sehen, wie Ärzte ihn untersuchen, sogar im Trainingsanzug des Klubs." Festgezurrt wurde der Wechsel des eigentlich noch bis 2012 bei den Rheinhessen gebundenen Nationalspielers von Burkina Faso dann blitzschnell, am Sonntagmorgen: die Presse informierte der Klub vor dem 2:1 gewonnenen Pokalspiel bei AK Berlin am Sonntagnachmittag.

Ein bulliger Stürmer mit Potenzial: Aristide Bancé war einer der wichtigsten Spieler des FSV Mainz. Sein Wechsel nach Dubai kam überraschend. (Foto: ddp)

Die Frau zieht es zur Schwester

Es ist einer der spektakulärsten Bundesliga-Transfers des Sommers und einer der rätselhaftesten. Bancé ist 25 Jahre alt und von der Veranlagung her ein Mittelstürmer mit Zukunft. Warum steigt einer sportlich freiwillig so tief ab und wechselt in die Operettenliga der Emirate? Warum gibt Mainz 05 seinen besten Stürmer eine Woche vor Rundenbeginn ab? Wie kam der Transfer zustande? Heidel sagt, für Mainz 05 habe es "keine sinnvolle Möglichkeit" mehr gegeben, den in Abidjan in der Elfenbeinküste geborenen Bancé zu halten.

Drei Gründe seien ausschlaggebend gewesen: wirtschaftliche, familiäre und gesundheitliche. Bancé verdient in Dubai in den nächsten vier Jahren mehr als fünf Millionen Euro - netto. "Er hat die Möglichkeit gesehen, sich abzusichern", sagt Heidel. Hinzu kam, dass seine Frau nicht in Deutschland leben wollte. Eine Schwester von ihr lebt in Dubai und ist mit einem nigerianischen Fußballer liiert, der ebenfalls dort spielt. Offenbar hat es Bancés Frau bei Besuchen in Dubai so gut gefallen, dass sie ihrem Mann in den Ohren lag, doch auch dorthin zu gehen.

"In den letzten Wochen stand Ari jeden Tag in meinem Büro und sagte, er wolle wechseln", erzählt Heidel. Das allein wäre für die Mainzer kein Grund gewesen, ihren hünenhaften Stürmer abzugeben. Doch seit längerem gab es offenbar Zweifel, ob Bancé weiter den Anforderungen des harten Bundesligaalltags gewachsen sei. Das Trainingslager brach er ab. Das letzte Training in Mainz absolvierte der an mehreren Kniebeschwerden leidende Bancé am 26. Juli. Für die Startformation am kommenden Sonntag gegen den VfB Stuttgart wäre er ohnehin kein Thema gewesen, bemerkt Heidel. Bancé habe selbst Zweifel gehegt, ob er den Trainingsanforderungen künftig gewachsen sei und auch deshalb eine finanzielle Absicherung gesucht.

Heidel war überrascht, wie schnell dann das Angebot aus Dubai auf seinem Tisch lag. Mainz erhält zwischen fünf und 5,5 Millionen Euro für den Transfer, die zweithöchste Ablöse in der Vereinsgeschichte. Davon bekommt aber auch der ukrainische Geschäftsmann Dimitri Seluk einen Teil. Seluk war Eigner des ukrainischen Erstligisten Metallurg Donezk, für den Bancé einst spielte. Dass Seluks Anteil angeblich gar 50 Prozent beträgt, will Heidel aber nicht bestätigen: "Darüber geben wir keine Auskunft."

Sicher ist aber, dass sich Seluk demnächst über eine millionenschwere Überweisung aus Mainz freuen darf. Erfahren hat der Ukrainer von dem Wechsel erst durch einen Anruf von Heidel. Bleibt die Frage, wer den Deal eingefädelt hat?

Bis heute, sagt Heidel, habe er mit keinem Agenten oder Berater Bancés gesprochen. Ein Vereinsvertreter von Al Ahli Dubai habe ihn kontaktiert, erzählt er. Ein Berater, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, gibt aber an, er habe eine von Bancé unterschriebene Vollmacht für Transfers. Er sei genauso überrascht gewesen wie die Öffentlichkeit von dem Wechsel und überlege nun, rechtliche Schritte gegen Bancé einzulegen. Außerdem gebe es noch andere Berater, die eine Vollmacht von dem Spieler hätten. Menschlich sei das enttäuschend von dem Stürmer, der Transfer sei rein Geld-getrieben, glaubt der Mann.

Trainer Tuchel willigt ein

Darauf angesprochen, erwidert Heidel: "Bancé ist in den letzten Jahren von Beratern, mit denen er noch nie ein Wort gewechselt hat, in aller Welt angeboten worden. Die sind doch alle selbst nur geldgeil. Aber das geht uns nichts an." Der Abschied Bancés sei so kurz vor Rundenstart ein negatives Zeichen, räumt er ein: "Wir hatten eine himmlische Ruhe - und nun das." Schon bald will Heidel aber Ersatz präsentieren. "Als Andrej Woronin einst ging, wurden wir schon abgeschrieben, und als Mohamed Zidan uns verließ, sahen uns viele direkt in die dritte Liga absteigen", sagt Heidel trotzig. Trainer Tuchel hätte Bancé gerne gehalten, wenn er fit gewesen wäre. Am Ende hat aber auch er zum Wechsel keine Alternative gesehen.

© SZ vom 18.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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