Frauenfußball: EM-Finale:Gestärkte Psyche

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Das 3:1 über Norwegen zeigt den DFB-Frauen vor dem EM-Finale gegen England, dass auch ihre Jungen bereits Spiele drehen können.

Kathrin Steinbichler

Operationen sind im Leistungssport eine ernste Angelegenheit, um Schönheit geht es da am wenigsten. Faye White, Spielführerin der englischen Frauenfußball-Nationalmannschaft, genügte deshalb vor ihrer Gesichts-OP vergangenen Freitag der Hinweis, dass sie der Arzt behandeln würde, der 2007 schon den Lendenwirbel von Englands Kapitän John Terry operiert hatte - und ihre eigene Nase, die sich bei der WM 2007 gebrochen hatte.

Celia Okoyino da Mbabi (21, rechts im Bild) gilt als eines der größten deutschen Talente im Frauenfußball. (Foto: Foto: dpa)

Bei dieser EM ist es das Jochbein, das White sich bei einem Zweikampf gebrochen hat, und die erfahrene Verteidigerin von Arsenal London musste nicht lange überlegen. Am Tag nach dem Viertelfinalsieg gegen Gastgeber Finnland ließ White sich in London operieren, am Sonntag beim 2:1-Halbfinalsieg der Engländerinnen gegen die Niederlande saß die Kapitänin bereits auf der Bank. Und am Donnerstag (18 Uhr/ live in ZDF und Eurosport), wenn nun Deutschland nach seinem 2:1 über Norwegen im Finale wartet? "Das wird das größte Spiel unserer bisherigen Karrieren", sagt White, "und ich bin zurückgekommen, um zu spielen. Wenn es sein muss, mit einer Maske."

Eine, die diesen unbändigen Wunsch, bei so einem Endspiel dabei zu sein, nur zu gut verstehen kann, ist Celia Okoyino da Mbabi. Seit ihrem Debüt 2005 gilt die 21-jährige Tochter einer Französin und eines Kameruners als eines der größten deutschen Talente im Frauenfußball, bereits bei der EM 2005 sollte sie im Kader stehen. Doch erst war es eine Knieverletzung, die die U19-Weltmeisterin von 2004 zurückwarf, vor der WM 2007 erlitt sie bei einem Foul einen Schienbeinbruch, bei dessen Reha-Behandlung sie auch noch das Pfeiffersche Drüsenfieber, eine Viruserkrankung, erwischte. Bei dieser EM, ihrer ersten, gehörte Okoyino da Mbabi bisher zur Riege der jungen Einwechselspielerinnen. Und genau die Jungen waren es, die im Halbfinale gegen das wiedererstarkte Norwegen für den Umschwung gesorgt haben.

"Eingewechselt zu werden, gemeinsam das Spiel zu drehen und dann noch ein Tor zu erzielen: Das ist natürlich der Traum jeder Spielerin", freute sich Okoyino da Mbabi, die zur Halbzeit ins Spiel gekommen war und mit ihrem Kopfballtor zum 2:1 (61.) die Partie endgültig kippte. Nur zwei Minuten zuvor hatte die kurz vor der Pause eingewechselte Simone Laudehr per Direktabnahme zum Ausgleich getroffen (59.). Auch Laudehr (23) hatte sehnlichst auf ihren Einsatz gewartet: Im letzten Testspiel der EM-Vorbereitung gegen Russland musste nach einem Pressschlag mit einem gezerrten Innenband vom Platz, seitdem spielte für sie die erst 19-jährige Kim Kulig im Mittelfeld. Doch dann verletzte sich am Ende dieser nervösen, schlecht gespielten ersten deutschen Halbzeit, in der Norwegen nach einer Ecke früh durch Isabell Herlovsen in Führung gegangen war (10.), Linda Bresonik am Knöchel.

Laudehr kam für sie (45.) - und setzte um, was sie sich vorgenommen hatte: "Ich wusste, dass meine Chance noch kommt", sagte Laudehr, die schon vor dem Spiel meinte: "Mein Gefühl sagt mir: Ein Tor mach' ich gegen die Norwegerinnen." Bresonik absolvierte am Dienstag bereits wieder ein Lauftraining und gab Entwarnung wegen ihrer Kapselverletzung: "Es sieht gut aus, ich gehe davon aus, dass ich am Donnerstag spielen kann." Keine will eben dieses Finale verpassen.

Laudehr jedenfalls gibt sich zuversichtlich, die Bundestrainerin überzeugt zu haben: "Natürlich gehe ich jetzt davon aus, dass ich von der ersten Minute an spielen werde. So oder so. Mehr kann ich nicht dafür tun den Nachweis zu erbringen, dass ich wieder in die Startelf gehöre und dass meine Verletzung und deren Folgen nicht mehr gegen einen Einsatz sprechen können." Ein derart nach außen getragenes Selbstbewusstsein hat der deutschen Mannschaft lange gefehlt bei dieser EM, trotz der Siege in der Vorrunde. Die Mannschaft wusste nicht recht, die letzten nötigen Prozent aus sich herauszuholen. Zu selten schließlich ist der amtierende Welt- und Europameister gefordert.

"Halbe Kraft reicht vielleicht in den meisten Spielen, aber nicht in einem Halbfinale gegen Norwegen", schlussfolgerte Spielführerin Birgit Prinz, die weiter auf ein Tor wartet, in der zweiten Halbzeit aber etliche Chancen herausspielte und das 3:1 der eingewechselten Lira Bajramaj (21) vorlegte (90.+2). Die starke Psyche, die es braucht, um einen Rückstand in einen Sieg zu verwandeln, ist nichts, was eine Trainerin vorgeben kann. Umso erleichterter war anschließend Bundestrainerin Neid: "Das war ein psychologisch wichtiges Spiel für uns, weil wir erkannt haben, dass wir in der Lage sind, ein 0:1 zu drehen." Eine gestärkte Psyche wird im EM-Endspiel nötig sein, denn Englands Siegtorschützin Jill Scott warnt: "Wir sind noch nicht am Limit angelangt."

© SZ vom 09.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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