Schmerzen im Sport:Vor Scham kollabiert

Lesezeit: 1 min

Wie viele Schmerzen muss ein Sportler ertragen? Die Fälle von Profiboxer Alexander Dimitrenko und Formel-1-Pilot Mark Webber zeigen: Der Mittelweg zwischen Selbstkasteiung und Wehleidigkeit wäre der richtige.

Thomas Hahn

Der Mann und der Schmerz, der Mann und die Krankheit - das sind Begriffspaare, die irgendwie nicht zusammenpassen. Die einen wollen so hart sein, dass sie alles überspielen, zum Beispiel einen Schulterbruch wie am Ende der vergangenen Saison der Formel-1-Fahrer Mark Webber oder eine ausgewachsene Diarrhö wie vor seinem jüngsten Kampf der Boxer Alexander Dimitrenko. Die anderen sind so weich, dass sie sich schon dem Tode geweiht sehen, wenn es sie nur am Ohrläppchen juckt.

Falscher Ehrgeiz? Der Boxer Alexander Dimitrenko. (Foto: dpa)

Der Mittelweg zwischen Selbstkasteiung und Wehleidigkeit wäre der richtige, gerade für Leistungssportler, und deshalb kann man das schon verstehen, dass der Formel-1-Teamchef Christian Horner und der Boxtrainer Michael Timm jetzt sauer sind auf ihre Leute. Sie müssen doch sagen, wenn ihnen etwas fehlt. Zumal die Verschwiegenheit bei Dimitrenko böse endete; er kollabierte vor seinem Kampf wegen des Flüssigkeitsverlusts.

Andererseits kann man sich aus Anlass der beiden Geschichten vom Rennfahrer Webber und vom Boxer Dimitrenko auch mal wieder Gedanken darüber machen, wie viel Raum das Milieu des Leistungssports Schmerz und Krankheit überhaupt lässt. Stolz, falscher Ehrgeiz, vielleicht auch die taktische Überlegung, vor dem Gegner keine Schwäche zeigen zu wollen, mögen dazu beitragen, dass Athleten die Zeichen missachten, die ihnen ihr Körper gibt.

Aber natürlich haben sie auch Angst davor, in einem Berufsfeld ins Hintertreffen zu geraten, in dem Stärke zur Arbeitsgrundlage gehört. Man darf es nicht unterschätzen, wie viel Mut im Profisport dazugehört zuzugeben, dass irgendetwas nicht stimmt.

Webbers Fall ist möglicherweise etwas speziell, weil ein Profi in der entscheidenden Phase einer Saison tatsächlich nicht so Mountainbike fahren sollte, dass er sich dabei die Schulter demoliert - aber so familienfreundlich kommt ihm sein Arbeitgeber offensichtlich nicht vor, als dass er den Eindruck gehabt hätte, er könnte ihm von seinem Missgeschick berichten. Und Dimitrenko sagt selbst, dass er seinen Durchfall nicht ernst nahm, weil er vor seinem Titelkampf nicht bei Zuschauern und Medien als Weichei gelten wollte.

Dabei müsste es doch zur Grundausbildung jedes Profikämpfers gehören, dass die eigene Gesundheit immer wichtiger ist als der Druck des Wettkampfbetriebs oder das Gerede von außen. Und dass es auch nicht besonders heldenhaft ist, etwas auszuhalten, das danach schreit, behandelt zu werden.

© SZ vom 08.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Boxen: Klitschko siegt
:Er fällt einfach nicht um

Vitali Klitschko verteidigt in Hamburg zwar seinen WM-Gürtel - der ersehnte K.o.-Sieg gelingt ihm jedoch nicht. Dafür ist sein Gegner Shannon Briggs einfach zu zäh. In Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: