Formel 1 in Brasilien:Mit guten Aussichten nach Abu Dhabi

Lesezeit: 3 min

Keine Stallorder: Sebastian Vettel gewinnt in São Paulo den vorletzten Formel-1-Lauf der Saison vor Teamkollege Mark Webber. Die WM-Entscheidung fällt im Abschlussrennen.

René Hofmann

Die Erleichterung war groß, aber sie war auch etwas gespielt: Am Kommandostand des Formel-1-Teams von Red Bull wurde nach dem Sieg von Sebastian Vettel beim Großen Preis von Brasilien - vor seinem Teamkollegen Mark Webber und Ferrari-Fahrer Fernando Alonso - gejubelt. Die Reihenfolge bedeutet, dass dem Rennstall der Konstrukteurstitel sicher ist.

Nummer eins in São Paulo: Sebastian Vettel. (Foto: dpa)

Aber sie bedeutet auch: Alonso wird am kommenden Sonntag um 14 Uhr deutscher Zeit als Favorit in Abu Dhabi ins Finale der Saison 2010 ziehen. Der Spanier kommt auf 246 Punkte, Webber ist acht Zähler zurück, Vettel 15. Weil es für einen Sieg 25 Punkte gibt, hat Mc-Laren-Mann Lewis Hamilton mit 222 Zählern wohl nur noch eine theoretische Chance, zum zweiten Mal nach 2007 den WM-Titel zu gewinnen.

Für Vettel war es der neunte Sieg seiner Karriere und der vierte in diesem Jahr. "Phantastisch, eine großartige Fahrt!", lobte Teamchef Christian Horner am Funk den siegreichen Vettel. Der gab zurück: "Ich bin stolz, ein Teil von euch zu sein." Der Erfolg war auf eindrucksvolle Weise entstanden: Schon im Training war Vettel der Schnellste gewesen. Sein Teamkollege Webber wirkte alles andere als glücklich: Wie angekündigt, hatte Red Bull auf jede Stallorder verzichtet. Das führt dazu, dass Alonso im letzten Rennen ein zweiter Platz reicht, um zum dritten Mal nach 2005 und 2006 den Titel zu gewinnen.

Auf den ersten Metern hat es im Autodromo in Interlagos schon häufig ein Kuddelmuddel gegeben. Dieses Mal blieb alles geordnet: Vettel zog vor der ersten Kurve an Williams-Fahrer Nico Hülkenberg vorbei, der am Samstag bei wechselhaftem Wetter überraschend die Qualifikation gewonnen hatte. Wenig später zog Webber nach und ebenfalls an Hülkenberg vorbei. Alonso und Hamilton, die anderen Titelkandidaten, benötigten etwas länger, aber auf Dauer konnte Hülkenberg sie nicht hinter sich halten. Als alle in ihren Rhythmus gefunden hatten, fuhren die Top-Kräfte an der Spitze: 1. Vettel, 2. Webber, 3. Alonso.

Konstrukteurs-WM entschieden

Die Konstellation barg Spannung: Vor dem Rennen war viel darüber geredet worden, ob Red Bull seine Fahrer im Fall des Falles anweisen würde, in welcher Reihenfolge sie ins Ziel fahren sollen. So, wie die Reihenfolge lag, stellte sich die Frage neu und mit Nachdruck: Mit einem Platztausch hätte Webber den Rückstand in der Fahrerwertung auf Alonso vor dem letzten Saisonrennen auf einen Punkt verkürzen können.

Doch Teambesitzer Dietrich Mateschitz hatte vor dem Start des Rennens einen strategischen Eingriff ausgeschlossen. Bei der Boxenstopp-Runde hielt sich die Crew daran. Sowohl Vettel, der in Umlauf 26 von 71 als Erster vor die Box fuhr, wurde anstandslos abgefertigt wie auch Webber, der eine Runde später kam. Alonso und Hamilton setzten ihre Reise durch den sonnigen Nachmittag ebenfalls ohne jedes Problem fort.

Bernie Ecclestone
:"Die Formel 1 bin ich"

Wie Bernie Ecclestone, Herrscher über die Formel 1, zu dem wurde, was er ist: ein Extrem-Kapitalist.

Jürgen Schmieder

Es hat in dieser Formel-1-Saison eine Menge turbulente Rennen gegeben, etliche spannende und auch einige kuriose. Der Große Preis von Brasilien gehörte nicht dazu. Bis zur Hälfte der Distanz war er vor allem eines: eintönig. Vettel und Webber jagten mit genügend Sicherheitsabstand vor dem Rest des Feldes her. Dem Australier konnte die Aussicht auf das Heck des Teamkollegen zwar nicht gefallen, aber er konnte auf einen Materialvorteil hoffen: Weil Vettel bereits einige Motorschäden zu beklagen hatte, musste er auf ein Aggregat zurückgreifen, das ihn bereits in zwei Rennen angetrieben hatte. Webbers Motor hatte deutlich weniger Kilometer hinter sich. In Südkorea hatte ein Motorendefekt Vettel um den Sieg gebracht. In Brasilien aber hielt dieses mal alles.

Etwas Spannung kam aus einem anderen Grund auf, als die ersten namhaften Gegner zur Überrundung anstanden. Unter anderem schob sich Sebastian Vettel an Ferrari-Fahrer Felipe Massa vorbei, der vor zwei Jahren an gleicher Stelle noch ein Titelkandidat gewesen war und das Duell mit Lewis Hamilton erst in der letzten Kurve verloren hatte. Eine Szene, die symbolisch stand für sein schlechtes Jahr.

Vettels Siegchance konnten die Überrundungen nicht trüben, erst in Runde 51von 71 geriet die wieder ein wenig in Gefahr. Weil der Italiener Vitantonio Liuzzi seinen Force India gegen die Mauer am Ende der Boxenausfahrt gesetzt hatte, kam das Safety Car, um das Feld einzufangen und den Bergungstrupps eine sichere Arbeit zu ermöglichen. Der Vorsprung, den Vettel bis dahin herausgefahren hatte, war damit dahin. Andererseits steckten Webber und Alonso durch das Safety Car zwischen Fahrer, die zur Überrundung anstanden.

Als das Rennen wieder freigegeben wurde, drehte Vettel auf: Es war deutlich zu sehen, wie sehr er sich den Sieg wünschte. Das Tempo, das er anschlug, war so hoch, dass Webber ihn ziehen lassen musste. Sein Motor war heißgelaufen. Der Routinier kam auf den finalen Umläufen selbst unter Druck: Alonso kam ihm nahe, gefährlich nahe aber kam er ihm nicht. Hamilton schaffte es als Vierter ins Ziel vor seinem Teamkollegen Jenson Button. Nico Rosberg wurde als Sechster zweitbester Deutscher vor seinem Mercedes-Teamkollegen Michael Schumacher. Nico Hülkenberg wurde überrundeter Achter.

© SZ vom 08.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: