Formel 1:Hamilton widerlegt die Kritiker

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Sieger in Barcelona: Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. (Foto: Getty Images)
  • Lewis Hamilton baut in Barcelona seinen Vorsprung in der Formel-1-Wertung auf 17 Punkte aus.
  • Der Brite widerlegt eindrucksvoll jene, die glaubten, er habe seine besten Tage in der Formel 1 hinter sich.
  • Sebastian Vettel verzockt sich mit einem zusätzlichen Boxenstopp.

Von Philipp Schneider, Barcelona/München

Die gute Nachricht vorab: Max Verstappen hat am Sonntag keinen Konkurrenten von der Strecke geräumt. Er hat sich auch nicht gedreht. Er ist nicht einmal mit den Reifen über die Randsteine gerutscht. Oh nein. Verstappen hat zum ersten Mal in dieser Saison nur sich selbst geschadet, als er sich während einer Virtuellen-Safety-Car-Phase den Frontflügel am Heck des Williams von Sergei Sirotkin beschädigte. Ansonsten ist Verstappen einfach das bislang langweiligste Rennen dieser Saison zu Ende gefahren. Selbstredend kam trotzdem noch ein richtiges Safety Car zum Einsatz; und wenn das nicht von Verstappen verursacht wird, ist die Wahrscheinlichkeit in der Formel 1 recht hoch, dass bei dem Vorfall der Franzose Romain Grosjean seine Finger am Lenkrad hatte. So auch diesmal.

Lewis Hamilton dürfte all dies ziemlich egal gewesen sein, als er am Sonntagnachmittag als Erster die Zielflagge in Katalonien erblickte, noch vor Valtteri Bottas, Verstappen und Sebastian Vettel - der sich bei einem Reifenwechsel während der Virtuellen-Safety-Car-Phase verrechnete und nur Vierter wurde. In jenem Moment, als Hamilton zum ersten Mal in dieser Saison einen Augenblick ungetrübten Rennfahrerglücks verspürt haben dürfte und seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf 17 Punkte ausbaute.

"So mag ich das", sagte Hamilton: "Das Auto und ich waren heute eine Einheit, das hatte ich in dieser Saison bisher noch nicht."

Die noch immer sehr junge Saison war ja bislang keine, in der es danach ausgesehen hat, als würde es der Name Hamilton mal in die Überschrift eines Saisonrückblicks schaffen. Bevor er zuletzt in Baku vor allem deshalb als Sieger durch das Ziel rollte, weil seinem Teamkollegen Bottas ein Reifen geplatzt war, hatte er sechs Rennen nacheinander nicht gewonnen. Mit einer Spur Zynismus hatte sich feststellen lassen, dass der viermalige Weltmeister in diesem Jahr von einem Abwärtsstrudel erfasst worden sei: Zweiter in Melbourne, Dritter in Bahrain, Vierter in Shanghai. Und dann ein geschenkter Sieg in Baku.

Hülkenberg ätzt gegen Grosjean

Die Geier begannen zu kreisen über Hamilton und seinem Rennfahrervermächtnis, und mitten drin im Schwarm der habichtartigen Aasfresser war der Obergeier Bernie Ecclestone, der ehemalige Chef der Formel 1, der, zugegeben, gut wissen müsste, woran es sich erkennen lässt, wenn sich eine große Karriere dem Ende entgegen neigt. "Er scheint nicht mehr der Alte zu sein. Vielleicht hat Lewis einfach die Schnauze voll", sagte Ecclestone.

Hamilton ging nicht ein auf die Frage, ob er womöglich die Schnauze voll habe, obwohl ja in den ersten zwei Rennen die Strategie-Abteilung von Mercedes die entscheidenden Fehler begangen hatte. Hamilton war so schlau, das Rennen in Barcelona abzuwarten. Den Moment im Kalender, an dem die Teams ihre Wagen nach der Zeit in Übersee mit relevanten Updates versehen. Den Moment, nach dem sich abzeichnet, wer im Entwicklungsrennen noch zulegen kann - und wer eben nicht.

Dominant im Qualifying, souverän im Rennen - das, was Hamilton auf dem Circuit de Catalunya zeigte, war der gute, alte Hamilton. "Die Pole habe ich gebraucht", sagte er, nachdem er nur beim Saisonstart in Australien auf der Nummer 1 gestanden hatte. "Platz drei ist auch keiner schlechter Rang", verkündete Vettel zwar tapfer, aber ihm dürfte in diesem Moment gedämmert haben, dass ein dritter Platz hinter zwei Fahrern im Mercedes nicht gerade als Platz an der Sonne zu bezeichnen ist.

In Spanien lässt es sich kaum überholen. Erst recht nicht, wenn der WM-Rivale zusätzlich abgeschirmt wird von seinem Teamkollegen. 570 Meter sind es in Barcelona bis zum Bremspunkt vor der ersten Kurve. Genau dort zwängte sich Vettel vorbei an Bottas, blieb aber hinter Hamilton. Ansonsten hätte es, abgesehen von der einen Positionsänderung, friedlich weiterlaufen können an diesem Rennsonntag. Hätte weiter hinten nicht Romain Grosjean die Kontrolle verloren und beim Versuch, seinen Haas mitten auf der Strecke zu drehen (!), um ihn wieder auf Kurs zu bringen, nicht den Renault von Nico Hülkenberg getroffen, der kurz darauf aus seinem Auto kletterte. "Hat er gut gemacht, der alte Fliegenfänger", ätzte Hülkenberg ins RTL-Mikrofon: "Ich weiß nicht, wie oft er sich dreht an so einem Wochenende."

Das Safety-Car fuhr auf die Strecke, damit fleißige Helfer die multiplen Wrackteile auf dem Kurs auch bergen konnten. Nach sechs Runden gab es den Wiederstart: Hamilton lag vor Vettel, der wiederum vor Bottas und Räikkönen im zweiten Ferrari, dahinter folgten die Red Bull von Verstappen und Daniel Ricciardo. Es passierte nicht viel an der Spitze, abgesehen davon, dass Hamilton seinen Vorsprung rasant vergrößerte. Nach zwölf von 66 Runden klaffte schon eine Lücke von 5,4 Sekunden zwischen ihm und Vettel. Offensichtlich konnte Vettel nicht folgen. Und er bremste nun den schnelleren Bottas aus. Ferrari blieb nur die Flucht an die Box. Schon in der 17. Runde bog Vettel an seine Werkstatt, ließ sich Medium-Reifen reichen, um eine Strategie zu verfolgen, die möglicherweise auch so zwei Stopps vorgesehen hätte. Auch wenn der zweite zeitlich sicher nicht so schlecht platziert werden sollte, wie es später geschah. Hamilton blieb auf der Strecke, Bottas machte ebenfalls Rast, blieb aber vorerst hinter Vettel. Merkwürdige Geräusche drangen derweil aus dem Ferrari von Räikkönen, der Finne wurde aufgefordert, schnellstmöglich den Motor abzustellen.

Es kann sehr langweilig zugehen auf dem vor wenigen Monaten erst frisch asphaltierten Circuit de Catalunya. Und am Sonntag war die einzige offene Frage im Grunde jene, ob sich die Fahrer der Red Bulls, die sich erst nach 33 Runden neue Reifen aufziehen ließen, mit ihren frischeren Gummis noch gegen Hamilton, Vettel und Bottas würden durchsetzen können.

Diese Frage galt bis zur Safety-Car-Phase, die folgte, nachdem Esteban Ocon seinen beschädigten Wagen in einer wenig übersichtlichen Zone abstellte. Vettel und die Scuderia wollten die Chance des verlangsamten Fahrerfeldes nutzen, um sich flink neue Reifen zu holen. Als Vettel wieder auf die Strecke fuhr, lag Verstappen plötzlich vor ihm. Zu einer Schuldzuweisung an sein Team wollte sich Vettel unmittelbar nach Rennende allerdings nicht durchringen. "Es war aus unserer Sicht die bessere Strategie. Nur ein Stopp war für uns keine Option", sagte Vettel. Erstaunlicherweise blieb er dann hinter Verstappen, obwohl der das Rennen mit einem beschädigten Frontflügel zu Ende fahren musste.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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