Formel 1: Großer Preis von Deutschland:"Das ist lächerlich"

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Glück für Ferrari: Trotz eines Verstoßes gegen das Stallorder-Verbot bleiben Alonso und Massa auf den Plätzen eins und zwei, das Team muss aber eine Strafe zahlen. Ferrari erntet viel Kritik, doch es gibt einen prominenten Verteidiger.

René Hofmann

Fernando Alonso hat schon einige Formel-1-Rennen gewonnen. Aber beim zweiten Sieg des Spaniers für Ferrari beim Großen Preis von Deutschland wollten sich nicht viele mit dem 28-Jährigen freuen. Sein Teamkollege Felipe Massa, der Zweitplatzierte, gab ihm nur widerwillig die Hand und musste von Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali zum gemeinsamen Foto fast genötigt werden.

Red-Bull-Fahrer Sebastian Vettel, der Dritte im Siegerehrungsbunde, konnte sich über den Verlauf des Nachmittages auch nicht so recht freuen: Der 23-Jährige war von der Pole Position aus mit den besten Siegchancen losgezogen, wegen eines miserablen Starts am Ende aber nur Dritter geworden. "Ich bin nicht ganz glücklich", gab er zu. Mit 136 Punkten liegt er nach elf von 19 Rennen in der Fahrerwertung nun gleichauf mit seinem Teamkollegen Mark Webber, der Sechster wurde, und in Sichtweite zu den beiden McLaren-Fahrern Lewis Hamilton (Vierter in Hockenheim/157 Punkte) und Jenson Button (Fünfter/143). Mit nun 123 Zählern zurück im Titelrennen ist Alonso, über den im Ziel ein Sturm der Entrüstung niederging.

"Das ist inakzeptabel für die Formel 1", sagte RTL-Experte Niki Lauda. BBC-Kommentator Eddie Jordan nannte das Ferrari-Vorgehen "gegen die Regeln" und sprach von einem "gestohlenen" Sieg. Vettels Vorgesetzter, Red-Bull-Teamchef Christian Horner, sprach vom "klarsten Fall einer Teamorder, die ich je gesehen habe" und forderte den Automobilweltverband Fia auf, einzuschreiten: "Die Regeln sind ziemlich eindeutig: Teamorder ist nicht erlaubt, und für mich sah es sehr danach aus."

Mike Gascoyne, Technikchef beim Team Lotus, meinte: "Wenn man es so offensichtlich macht, sollten die Rennkommissare Ermittlungen aufnehmen." Dies geschah auch. Alonso durfte den Sieg behalten, aber Ferrari muss wegen Verstößen gegen die Artikel 39.1 des sportlichen Reglements ("Verbot der Stallorder") und 151.c des Sportkodex' ("Beschädigung des Ansehens des Motorsports") 100.000 Dollar zahlen. Außerdem wird sich der Fia-Weltrat auf seiner nächsten Sitzung im September mit dem Thema befassen.

Nicht nur der einstige Rennfahrer Martin Brundle fühlte sich an das Rennen vor acht Jahren in Österreich erinnert, als Rubens Barrichello auf Geheiß von Teamchef Jean Todt Michael Schumacher vorbei zum Sieg ließ. Nach massiven Fanprotesten hatte die Fia Ferrari damals zu einer Millionen Dollar Strafe verurteilt und Regieanweisungen von der Box aus generell verboten. Todt steht heute als Präsident der Fia vor.

Die Szene, die die Gemüter bewegte, ereignete sich in der 49. Runde des Rennens, das 67 Umläufe hatte: Weil Vettel am Start schlecht wegkam und den vom zweiten Startplatz losstürmenden Alonso blockte, übernahm Massa die Führung. In der Reihenfolge Massa, Alonso, Vettel ging es zunächst friedlich dahin. Aber nicht lange. Alonso begann zu drängeln, auf der Strecke und am Funk. "Das ist lächerlich!", zürnte er darüber, dass er hinter Massa herfahren musste. Die Mannschaft riet ihm in einem ersten Funkspruch nur: "Konzentrier dich!"

Als sich die Konfrontation im letzten Renndrittel zuspitzte, besann man sich unter dem roten Zelt an der Boxenmauer auf eine alte Ferrari-Tradition: Jahrelang war der Rennstall gut damit gefahren, eine klare Rollenverteilung auszurufen. Alonso, der sich als natürliche Nummer eins begreift, bekam seinen Willen. An Massa erging der Funkspruch: "Fernando ist schneller. Hast du die Botschaft verstanden?" Er hatte. Kurz darauf ließ er Alonso kampflos passieren. Der nächste Funkspruch an Massa: "Tut mir leid, Junge."

Klarer, fand Red-Bull-Teamchef Horner, ließe sich kaum gegen das Stallorderverbot verstoßen: "...wenn sich das Team schon bei einem Fahrer entschuldigt." Sein Ferrari-Pendant Stefano Domenicali wies den Vorwurf zurück: "Wir haben Felipe keine Anweisung gegeben. Wir haben ihm nur eine Information übermittelt." Er sei "sehr glücklich, für das ganze Team". Ein ähnliches Mantra wiederholte Alonso: "Das ganze Wochenende war gut für uns."

Dass Massa ihm den Sieg geschenkt habe, wollte Alonso nicht zugeben. "Wir haben das Rennen ohne riskante Manöver zu Ende gebracht", sagte er - ein schöner Euphemismus. Massa wollte zu dem Vorgang zunächst überhaupt keine Angaben machen. "Ich denke, ich muss dazu nichts sagen", sagte der 29-Jährige, der sich schließlich zu der gewagten These hinreißen ließ, er habe ganz alleine entschieden, Alonso vorbeizulassen. Es folgte das Eingeständnis "Ich bin im Moment nicht in der Lage, um den Titel zu kämpfen" und letztlich die Erkenntnis: "Wir arbeiten für ein Team. Und für das haben wir heute ein gutes Resultat erzielt."

Sebastian Vettel zeigte Verständnis für die Kollegen. "Wir bekommen unser Geld nicht von euch", entgegnete er Journalisten, "wir bekommen es von der Firma, bei der wir angestellt sind." Das rechtfertige auch Aktionen, die den Fans nicht unbedingt gefallen. Michael Schumacher sieht es ähnlich. Er hält die Diskussion über Stallregie für "Mumpitz": "Das ist keine Kaffeefahrt hier. Es geht um eine WM. Was, wenn am Ende fünf Punkte fehlen? Dann steht Ferrari als Depp da."

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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