Formel 1:Bissig wegen Vettel

Formula One Grand Prix of Brazil

Nico Rosberg (l.) und Lewis Hamilton (re.): Spüren schon Vettels Atem

(Foto: Fernando Bizerra/dpa)
  • Lewis Hamilton will seine Niederlage gegen Nico Rosberg beim Brasilien-Grand-Prix nicht akzeptieren.
  • Beide Mercedes-Fahrer spüren den Atem von Sebastian Vettel immer deutlicher.
  • Ihre eigene Dominanz könnte in der kommenden Saison vorbei sein.

Von René Hofmann

Nach dem Großen Preis begann die große Zeit des Widerspruchs. "Contrary to what Nico was saying . . .", hob Lewis Hamilton an. Aus der Sicht des zweitplatzierten Briten, der bereits seit drei Wochen als Formel-1-Weltmeister feststeht, hatte sich der Verlauf des Rennens in São Paulo, dem vorletzten Saisonlauf, am Sonntag ganz anders dargestellt als für seinen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg. Der Sieger hatte zuvor variantenreich ausgeführt, dass er an diesem Tag eindeutig der Schnellere gewesen sei. "Lewis hat mich vor eine gute Herausforderung gestellt, aber ich war immer in der Lage, das zu kontrollieren und habe ihm nie eine Chance gegeben. Damit bin ich zufrieden", hatte der Deutsche erklärt und hinzugefügt: "Ich war schneller, also kam er nicht vorbei."

Das aber wollte Hamilton so auf keinen Fall stehen lassen. "Mir ist die schnellste Rennrunde geglückt, also war ich eindeutig schnell genug", gab er zurück: "Anders als Nico es darstellt, war ich an einem Punkt des Rennens mit ihm auch gleichauf. Ich bin nur nicht vorbeigekommen."

Ich bin der Schnellste! Nein, in Wahrheit bin ich es! Ich habe zurecht gewonnen! Nein, gerecht wäre es gewesen, wenn ich gewonnen hätte! Was wie ein kindisches Gerangel anmutet, hat einen ernsten Kern: Diese Saison ist gelaufen, aber die nächste rückt schnell näher - und in der werden die beiden wieder von Mercedes ausgerüstet werden. Hamilton, 30, jagt dann seinen vierten WM-Titel, dem gleichaltrigen Rosberg bietet sich dann wohl noch einmal die Chance auf seinen ersten WM-Triumph - womöglich bereits seine finale.

Früher an später denken: Unter diesem Motto ist das Feilschen um jeden Millimeter zu sehen, das die beiden auch in Brasilien vorführten. Zum fünften Mal nacheinander eroberte Rosberg die Pole-Position, zum zweiten Mal nacheinander glückte ihm ein Start-Ziel-Sieg. Ein Rennen gibt es in diesem Jahr noch: den Großen Preis von Abu Dhabi am 29. November. Hamilton wird alles daran setzen, dass Rosberg nicht auch dort jubelt. Es kann ihm gar nicht gefallen, wenn der Rivale auf einer Erfolgswelle in die Winterpause surft.

Für Rosberg wiederum geht es darum, seinen Stellenwert im Team zu verteidigen. Zum zweiten Mal nacheinander ist er Hamilton in diesem Jahr im Titelrennen unterlegen. Es gibt nicht wenige, die ihn künftig eher in der Rolle eines stillen Helfers für Hamilton sehen denn in der eines gleichberechtigten Gegners für den nun schon dreimaligen Champion. Zumal die Konkurrenz aufgeholt hat.

Aufschwung bei Vettel

Sebastian Vettel wurde in São Paulo erneut Dritter. In einem Rennen ohne jede Regen- und Safety-Car-Störung kam er lediglich 6,5 Sekunden nach Hamilton über die Ziellinie. Ein Abstand, der Vettel frohlocken ließ: "Wir sind viel schneller als zu Saisonbeginn", freute sich der 28-Jährige. Was der Grund für den Aufschwung ist? Vettel: "Die Motoristi in Maranello haben Wunder vollbracht." Soll heißen: Sie haben dem Motor, der eigentlich nicht nennenswert weiterentwickelt werden darf, etliche zuvor nicht entdeckte PS entlockt.

Hält der Trend an, läuft die Mercedes-Dominanz 2016 aus. Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene sagt es zwar noch lächelnd, aber das gewachsene Selbstvertrauen ist nicht zu überhören: "Meine ehrliche Erwartung ist, dann nicht näher an ihnen dran, sondern vor ihnen zu sein." Dass die Scuderia den Vertrag mit dem alles andere als übermotivierten Finnen Kimi Räikkönen, 36, früh um ein Jahr verlängerte, sorgte im Fahrerlager zunächst für Verwunderung. So, wie die Dinge sich entwickeln, entpuppt sich der Schritt aber als clever: In einem möglichen Titelrennen hat Vettel 2016 einen erfahrenen Gewährsmann zur Seite. Hamilton und Rosberg dagegen dürften sich weiter wechselseitig Punkte abjagen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Klage zu sehen, die Hamilton anstimmte, nachdem ihm das Team in São Paulo verwehrte, von der Drei-Stopp-Strategie abzuweichen, mit der Vettel und Rosberg unterwegs waren. "Ich fahre da draußen ein Rennen. Also schaue ich nach jeder Möglichkeit", rechtfertigte Hamilton sein Begehr, das von Teamchef Toto Wolff aber mit dem Verweis auf übergeordnete Ziele abgewiesen wurde.

Der Österreicher ahnt: "Wenn wir die Strategien splitten, dann werden die Kontroversen im Team wirklich schlimm." Noch gilt für Rosberg und Hamilton der sozialistische Ansatz: Jeder soll das Gleiche bekommen! Dass es zwischen den beiden trotzdem immer wieder bissige Händel gibt, sieht Wolff noch nicht als Problem. Er sagt: "Wir haben Wachhunde angestellt, keine Welpen."

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