Fifa-Wahl:Scheich Salman: Ein Autokrat soll bei der Fifa aufräumen

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Scheich Salman al-Khalifa: Gute Chancen auf den Fifa-Thron (Foto: AP)
  • Scheich Salman al-Khalifa ist neben Gianni Infantino Favorit auf den Fifa-Thron.
  • In seiner Heimat Bahrain soll er an der Unterdrückung der Opposition beteiligt gewesen sein.
  • In der Fifa-Administration geht die Sorge um, dass der Scheich zur Belastung werden könnte.

Von Thomas Kistner

Am Freitag werden sie alle da sein. Zum Fifa-Kongress in Zürich muss jeder der 209 Landesverbände seine Spitzenvertreter entsenden, denn der Fußball-Weltverband kürt seinen neuen Präsidenten. Zu diesem Termin macht sich Angst breit, dass die US-Justiz den Konvent durcheinanderwirbeln könnte. Denn all das weiß auch das FBI - und es hat manche Delegierte im Visier.

Als Beweis einer neuen Lauterkeit will die Fifa daher ein Reformpaket verabschieden, guten Willen zeigen. Die totale Machtfülle des Präsidenten soll abgeschafft und das Ehrenamt vom Geschäft getrennt werden. Von den zwei Thronfavoriten - Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino (Schweiz) und Asien-Chef Salman al-Khalifa - hat der Scheich aus Bahrain mehr Reformen in seinem Programm. Er propagiert Gehaltsverzicht, die Distanz zwischen Geschäftsführung und Präsidentenamt sowie eine bedarfsorientierte Entwicklungshilfe, die von einer Stiftung bewilligt werden soll - um eine klassische Korruptionsquelle im Weltfußball zum Versiegen zu bringen.

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Europas Kandidat wirkt dagegen wie von gestern. Auf dem Papier glänzt der Kandidat aus Bahrain - aber Papier ist geduldig. Den Funktionär Salman umgibt eine trübe Melange aus Vorwürfen. Die Kernfrage gilt Salmans Rolle bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings 2011 in Bahrain. Tausende Demonstranten, auch Fußballer, waren verhaftet worden.

Vorwürfe der Misshandlung

Laut staatlicher Nachrichtenagentur BNA soll Salman eine Prüfkommission geleitet haben, die regimekritische Sportler identifizieren und Strafen zuführen sollte. Salman hat dies über eine Londoner Kanzlei stets dementiert. Im Schweizer Blick behauptet er jetzt, das Komitee sei "nie gegründet" worden. Wie aber kommt BNA dann zu solchen Berichten - ein de facto regierungsamtliches Verlautbarungsorgan in einer Golf-Monarchie, welche Reporter ohne Grenzen in punkto Pressefreiheit unter 180 Ländern auf Rang 163 führt?

Der Mittelost-Experte James Dorsey bleibt dabei, laut BNA soll das bizarre Sportler-Untersuchungskomitee im April 2011 getagt haben - unter Salmans Vorsitz. Auch entschuldigten sich damals im Staatsfernsehen inhaftierte Spieler für ihr angebliches Fehlverhalten im Zuge friedlicher Proteste. Gipfel der Groteske: Spieler, die über Misshandlungen klagten, sprechen sich nun, Jahre später, für Salman aus.

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Bis auf einen - der hat die Flucht nach Australien geschafft. Nationalspieler Hakeem al Oraibi sagte im WDR-Magazin sport inside: "Wenn Salman behauptet, er könne garantieren, dass kein Fußballer in Bahrain misshandelt wurde: Das ist eine Lüge. Ich bin ein Beispiel, ich habe Beweise." Oraibis Familie habe sich vergeblich an den Nationalverband um Hilfe gewandt, dessen Chef Salman war. Salmans Anwälte bestreiten, dass ihr Klient von Oraibis Hilfegesuch wusste. Aber haben Zeugenaussagen nicht auch Beweiskraft?

Der neue Fifa-Chef braucht mindestens 105 der 209 Stimmen im Kongress. Salman hat das Gros der 47 Asien-Verbände hinter sich, plus die Mehrheit des 54 Mitglieder zählenden Afrika-Verbandes Caf. Mit dem hat er einen der in Fifa-Wahlzeiten beliebten Kooperationsverträge besiegelt. Einer der chancenlosen Mitbewerber, Prinz Ali von Jordanien, hat diesen Deal bei der Fifa-Wahlkommission angezeigt. Vergebens.

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Salmans Glaubwürdigkeit schwindet, er selbst liegt aber stark im Rennen. Während die Fifa in einem Reputationsloch steckt, wie es tiefer nicht sein könnte, lässt der Thronkandidat auf heikle Fragen ellenlange Anwaltsschreiben in europäische Redaktionsstuben verschicken. Diskret unterwegs für ihn ist auch ein Medienagent mit Anbindung an das fragwürdige Umfeld des gesperrten Fifa-Bosses Sepp Blatter. Der Eindruck wächst, dass Salman auch der Kandidat des alten Patrons ist.

Doch mit jedem Tag, den die Wahl näher rückt, erhöhen Menschenrechts-Organisationen den Druck. Das beunruhigt auch die Fifa-Sponsoren. Visa, Coca-Cola und Adidas reagieren bereits mit offener Besorgnis auf eine Darstellung der Situation im Golfstaat durch das "Bahrain Institute for Rights and Democracy" (Bird). In für sie ungewohnt klaren Statements betonten sie die Bedeutung der Menschenrechte in einer reformierten Fifa.

Auch in der Fifa-Administration geht die Sorge um, dass der Scheich zur Belastung werden könnte. Die Fifa kämpft seit vergangenem Mai fast nur darum, nicht als Beschuldigte nach dem Anti-Mafia-Gesetz Rico eingestuft zu werden, auf dessen Basis die Amerikaner ermitteln. Da ist es wenig hilfreich, dass Thronkandidat Salman neben dem Ethik-Problem auch einige Korruptionsthemen umwabern - in seinem Landesverband wie in der Asien-Föderation AFC, die er seit 2013 führt.

Die Anwälte dementieren alles

In dem Amt beerbte er Mohamed Bin Hammam. Der inzwischen lebenslang gesperrte Katarer hatte ihn 2009 auf der Zielgerade aus dem Rennen geschlagen. Damals sollen auf beiden Seiten Stimmen gekauft worden sein; Salman wurde aus diversen Ländern hart attackiert. Klare Beweise für ein Fehlverhalten gibt es auch hier nicht; Salman weist alle Vorwürfe zurück. Das genügt, eine Fifa-Untersuchung dazu gab es nie - obwohl ein Ethikkomitee-Mitglied damals starke Hinweise eingereicht hatte.

Ebenso ungeklärt ist die Frage, wie mit massiven Vorwürfen zum Rechtegeschäft des Asien-Verbandes mit seinem Generalvermarkter WSG verfahren wurde. Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers hatten 2012 Verdachtshinweise auf Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung erkannt; von einer damals empfohlenen Strafanzeige und der Neuverhandlung des Kontrakts ist nichts bekannt. Dann ist da ein Länderspiel Bahrains 2009 gegen eine angebliche Nationalelf von Togo, die ein Spielbetrüger-Ring aufgestellt und vermittelt hatte. Die Anwälte dementieren an allen Fronten. Die Frage stellt sich aber schon, wie Salman den Integritätscheck der Fifa für alle Kandidaten bestehen konnte.

Letztlich ist es so: Ein Autokrat aus einem Polizeistaat, der im freien Teil der Welt gern seine Anwälte vorschickt, will nun die Korruption in der Fifa ausrotten.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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