WM-Aus für Schiedsrichter Brych:Ein Patzer und viele Fragezeichen

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Schiedsrichter Felix Brych (r.) in Diskussion mit Aleksandar Mitrovic (l.): Wurde ihm ein falscher Pfiff zum Verhängnis? (Foto: dpa)
  • Schiedsrichter Felix Brych kommt bei der WM nicht mehr zum Einsatz, er durfte nur eine Partie pfeifen.
  • Im Spiel Serbien gegen die Schweiz gibt er fälschlicherweise einen Elfmeter nicht, danach wird er vom serbischen Trainer mit Kriegsrhetorik beschimpft. Doch die Fifa verhängt nur eine milde Strafe.
  • Der deutsche Fußball steht in Sachen Schiedsrichterwesen doppelt blöd da.

Von Martin Schneider

Die Szene, die Schiedsrichter Felix Brych offenbar die WM kostete, läuft in der 66. Minute des Spiels Serbien gegen die Schweiz. Der Serbe Tajic flankt von der rechten Seite vors Schweizer Tor, Brych steht im Zentrum mit guter Sicht auf den Sechzehner. Dort klammern die Schweizer Fabian Schär und Stephan Lichtsteiner am Serben Aleksandar Mitrovic, Mitrovic setzt den linken Ellbogen ein, alle drei Fallen hin (hier die Szene im Video). Brych pfeift Stürmerfoul. Mitrovic ist entsetzt, geht zu Brych, deutet ihm mit zwei Fingern an, dass zwei Spieler ihn gehalten haben, aber Brych weist ihn zurecht. Vielleicht, weil Mitrovic früh im Spiel schon einmal allzu leicht gefallen ist.

Allerdings hatte hier der Stürmer und nicht der Schiedsrichter recht. Schär und Lichtsteiner umarmen Mitrovic, sie attackieren nur den Mann und das ist im Fußball, selbst bei der eher großzügigen Regelauslegung bei dieser WM, nicht erlaubt. Es hätte Elfmeter für Serbien geben müssen. Es war ein Fehler von Brych und seinem Team. Auch die Videoschiedsrichter korrigierten ihn nicht. Sonst leitete Brych die schwierige, weil politisch aufgeladene Partie (bei der Schweiz spielten albanischstämmige Spieler gegen den alten Kriegsgegner Serbien) souverän. Aber für Schiedsrichter gelten ja immer verschärfte Bewertungskriterien. Ein Patzer - und niemand redet mehr über die restlichen 89 Minuten.

Die Frage ist aber, ob dieser Fehler wirklich ausreicht, um den Umgang mit Brych und seinem Team zu erklären. Denn die Fifa hat Brych nach Hause geschickt, obwohl nach dem Aus der deutschen Nationalmannschaft theoretisch nichts gegen weitere Einsätze gesprochen hätte. "Der Verlauf der WM ist für mich und mein Team natürlich eine herbe Enttäuschung. Aber das Leben geht weiter und wir kommen wieder", wird Brych in einer DFB-Mitteilung zitiert.

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Das Aus nach einem Einsatz ist mindestens überraschend, weil der europäische Fußballverband Uefa im Fall Brych zu völlig anderen Bewertungen neigt als die Fifa. Er pfiff das Champions-League-Finale 2017, zuvor das Europa-League-Finale 2014, bei der Europameisterschaft vertraute ihm der Verband die Leitung des Spiels England gegen Wales an, weitere Einsätze verhinderte damals das erfolgreiche Abschneiden der Elf von Joachim Löw. Der Deutsche Fußball-Bund sieht ihn als besten Schiedsrichter an und in der Bundesliga oder im DFB-Pokal kann man sich an keine Partie erinnern, die dieser Einschätzung widersprechen würde.

Bei dieser Weltmeisterschaft bekam Brych im Gegensatz zu anderen Top-Schiedsrichtern aber nur ein einziges Spiel zugeteilt. Björn Kuipers (Niederlande), Néstor Pitana (Argentinien) oder Gianluca Rocchi (Italien) pfiffen dreimal, fast alle anderen Unparteiischen leiteten mindesten zwei Partien. Für Brych war schon nach dem Serbien-Spiel Schluss. "Offensichtlich wurde Felix' schwierige und strittige Elfmeter-Entscheidung von der Fifa als so schwerwiegend bewertet, dass es keine weiteren Ansetzungen mehr für ihn gab", sagte Ronny Zimmermann, der für die Schiedsrichter zuständige DFB-Vizepräsident.

Serbien beschwerte sich nach dem Spiel heftigst über den Deutschen. Serbiens Trainer Mladen Kristajic, auf Schalke und in Bremen als eisenharter Verteidiger bekannt, sagte: "Ich würde ihn nach Den Haag schicken. Dort sollte ihm so der Prozess gemacht werden, wie sie uns den Prozess gemacht haben." In Den Haag sitzt das Kriegsverbrecher-Tribunal, wo auch serbische Kriegsverbrecher verurteilt wurden. Für die Aussage musste Kristajic für Fußballverhältnisse gerademal ein Taschengeld von 4340 Euro zahlen. Wenn man sich als Verband vor seinen Schiedsrichter stellen will, reagiert man jedenfalls anders.

Brych bekam also eines der schwierigsten Spiele der WM, machte einen Fehler, wurde attackiert, von der Fifa nicht geschützt und dann nach Hause geschickt. Man kann es jemandem definitiv leichter machen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Leistungen seiner Kollegen beziehungsweise Konkurrenten um die Plätze bei dieser WM schlicht sehr gut sind. Im Gegensatz zu früheren Weltmeisterschaften, bei denen Profi-Schiedsrichter gefordert wurden und Entscheidungen der Unparteiischen das Hauptthema waren, ist es in Russland erstaunlich ruhig.

Das liegt auch an zwei Hilfen: Die Fifa gab vor dem Turnier offensichtlich eine großzügige Linie bei der Bewertung von Zweikämpfen aus, was es den Schiedsrichtern erlaubt, im Zweifel eine Szene weiterlaufen zu lassen und obendrein ist das eine klare Ansage, an der man sich orientieren kann. Hinzu kommt, dass der Video-Schiedsrichter deutlich besser funktioniert als in der Bundesliga. Auch hier, weil die Eingriffsschwelle einheitlich ist und höher liegt als in Deutschland und Schiedsrichter wie Kuipers einen zu unrecht gegebenen Elfmeter wie im Spiel Brasilien gegen Costa Rica wieder zurücknehmen können.

Der deutsche Fußball steht in Sachen Schiedsrichterwesen also doppelt blöd da. Der eigene Mann wurde trotz des Ausscheidens der deutschen Elf nach Hause geschickt. Und das mit dem Video-Beweis bekommt die Fifa auch besser hin.

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