FC Bayern und die Innenverteidiger:Lahm für alle Fälle

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Was heckt Pep Guardiola gegen Pilsen aus? Lässt er Philipp Lahm womöglich auf der Innenverteidigung spielen? (Foto: dpa)

Vor dem Heimspiel heute in der Champions League gegen Pilsen gehen den Münchnern die Innenverteidiger aus. Unter Bayern-Trainer Pep Guardiola ist alles vorstellbar - sogar Philipp Lahm als zentraler Abwehrspieler. Der Spanier hält nämlich nichts davon, sich den herkömmlichen Sorgen-Kategorien zu unterwerfen.

Von Claudio Catuogno

Pep Guardiola drehte sich nach rechts, er drehte sich nach links, er drehte sich wieder nach rechts. Der Drehstuhl, den ihm die Bayern für seine Pressekonferenzen hingestellt haben, erfüllte jetzt seinen Zweck: Er half bei der Kanalisierung von Guardiolas berüchtigter Ungeduld. Der Bayern-Trainer, so sah es jedenfalls aus, lauschte der fremden Sprache. Konnte das wirklich so lange dauern? Seine paar knappen Worte ins Tschechische zu übersetzen, am Tag vor dem Champions-League-Heimspiel der Münchner gegen Viktoria Pilsen?

Ob er das Spiel von Pilsen gegen Slavia Prag am Samstagabend in voller Länge gesehen habe, wollte ein tschechischer Reporter wissen. Der Mann ahnte wohl, dass der tschechische Meister am Mittwoch in der Münchner Arena auch dann schlechte Aussichten auf einen Kantersieg hätte, wenn Guardiola in seinem Leben noch keine einzige Minute von Viktoria Pilsen gesehen hätte. Hat er aber. "Ja, habe ich gesehen." 90 Minuten. 1:1. Der Übersetzer übersetzte. Guardiola drehte sich auf dem Drehstuhl. Ach, die schöne, wertvolle Zeit.

Vielleicht hat Pep Guardiola aber auch gar nicht der fremden Sprache gelauscht, vielleicht ist er in Gedanken schon mal den hypothetischen Fall durchgegangen, dass sich gegen Pilsen in den ersten zehn Minuten zwei Innenverteidiger verletzen und er aus der Tiefe seines Luxus-Kaders zwei neue zutage fördern muss. Das, sagen Vertraute, mache er ja quasi immer und in jeder Lebenslage: Wenn-dann-Szenarien durch seinen rasierten Kopf wälzen. Deshalb war es natürlich auch kein Problem, dass Guardiola am Montag für ein paar Stunden nach Barcelona geflogen ist, um sich - zwischen dem 4:1 gegen Mainz am Samstag und der Pflichtaufgabe gegen den noch sieglosen Außenseiter Pilsen am Mittwoch - noch rasch mit seinem einstigen Co-Trainer Tito Vilanova auszusprechen, der ihm vor Monaten mangelnde Unterstützung während seiner Krebserkrankung vorgeworfen hatte.

"Ja, ich war in Barcelona, aber das ist ein privates Thema", sagte Guardiola dazu am Dienstag nur. Dank der spanischen Zeitung El Mundo Deportivo sind aber ein paar Details protokolliert: Ankunft Guardiola mit der Privatmaschine gegen Mittag, um 15 Uhr Vorfahrt Vilanova (im Porsche Cayenne) vor Guardiolas Stadtwohnung, dreieinhalb Stunden Aussprache, Abfahrt Vilanova um 18.30 Uhr, Rückflug Guardiola, womöglich die Frage im Kopf: Jan Kirchhoff oder Diego Contento?

Dieser Pep Guardiola ist halt immer noch ein großes Thema in Spanien, auch wenn es dabei eher nicht um Münchner Ersatz-Innenverteidiger geht und schon gar nicht um Viktoria Pilsen. El Mundo meldete am Montag zum Beispiel, die katalanischen Nationalisten um Artur Mas überlegen, Guardiola bei den spanischen Parlamentswahlen 2015 auf Listenplatz drei aufzustellen. Ob er das auch will, darüber erfährt man wenig. Wenn man seine Ungeduld zum Maßstab nimmt, wäre Pep Guardiola als Politiker wohl eine ebenso große Überraschung wie, sagen wir, Philipp Lahm als Innenverteidiger.

Die Innenverteidigung, sie ist gemessen an herkömmlichen Kriterien Guardiolas Sorgen-Position gegen Pilsen: Boateng gesperrt, Dante verletzt, Badstuber in der Langzeit-Reha. Guardiola allerdings will sich den herkömmlichen Sorgen-Kategorien eher nicht unterwerfen: "Wir haben Daniel, wir haben Jan und eine Möglichkeit mit Diego - und wir haben Philipp Lahm", sagte er. Daniel ist Daniel Van Buyten. Jan ist Jan Kirchhoff.

Die Möglichkeit mit dem Linksverteidiger Contento scheint Guardiola ziemlich ernst zu meinen, gegen Mainz beorderte er Contento nach Dantes Auswechslung auch schon ins Deckungszentrum. Und das mit Philipp Lahm ist ein Witz gewesen - über den der Angesprochene später herzlich gelacht hat. Wobei: Gegen Mainz hat auch er am Ende eine Minute lang Innenverteidiger gespielt, und seine angestammte Rechtsverteidiger-Position hat Lahm schon seit zehn Spielen kaum noch gesehen, weil Guardiola ihn konsequent im defensiven Mittelfeld aushelfen lässt. Also: "Warten wir's ab, was dem Trainer einfällt", sagte Lahm.

Den Ausfall mehrerer Mittelfeldspieler (Thiago, Martínez, Shaqiri) hat Guardiola mithilfe kreativer Lösungen überspielt, da wäre es nur konsequent, wenn er jetzt auch mit Überraschungen auf den Verteidiger-Schwund reagieren würde.

Dass ihr Trainer die Dinge bis ins letzte Detail vorgibt, haben die Bayern gegen Mainz ebenfalls erlebt, als Guardiola Arjen Robben den Elfmeter-Schuss verwehrte und stattdessen auf Thomas Müller als Schützen bestand. Auch das hat Philipp Lahm angeblich gut gefallen: "Der Trainer muss den Weg vorgeben", sagt Lahm, "er trifft die Entscheidungen, aber er diskutiert sie auch mit der Mannschaft, das Verhältnis zwischen Trainer und Team ist optimal." Abwechslung hat halt noch keiner Beziehung geschadet.

© SZ vom 23.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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