FC Bayern München:Scouting im Familienalbum

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Wie findet man einen Wenger oder Hiddink, wenn die Originale nicht zu haben sind? Der FC Bayern wird bei der Trainersuche neue Wege gehen müssen.

Christof Kneer

Für den Anfang ist das schon mal recht präzise. "Eine überzeugende Lösung" strebe man an, hat Karl-Heinz Rummenigge gesagt und hinzugefügt, man habe bisher "mit keinem Trainer auf der Welt Kontakt aufgenommen", werde dies aber bald tun. Für alle, die sich für den Trainerjob beim FC Bayern interessieren, müssen diese Sätze eine Enttäuschung sein, denn sie grenzen die anstehende Trainersuche deutlich ein.

Der FC Bayern will für die neue Saison einen Trainer finden, der so ist wie Guus Hiddink oder Arsene Wenger, aber nicht Guus Hiddink oder Arsene Wenger ist. (Foto: Foto: AFP)

Demnach darf Bayerns neuer Trainer also keinesfalls schlecht sein, und er sollte möglichst von dieser Welt stammen und nicht von einer anderen. Bei Jürgen Klinsmann, dem vorerst letzten Bayern-Coach, war es aber so, dass er aus einer Welt kam, die den Bayern vom ersten Tag an fremd blieb. Wobei: War es nicht so, dass die Bayern diese neue Welt extra eingekauft haben? Oder hat man das nur falsch verstanden?

Womöglich haben die Bayern im Sommer einen Reformwillen behauptet, dem sie im tiefsten Innern ihrer Mir-san-mir-Seele nie wirklich getraut haben. Ja, sie wollten die Revolution, aber bitte in Ruhe und mit Erfolgsgarantie. Und wenn Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß nun damit beginnen, nach dem Nachfolger des im Hoeneß'schen Gästezimmer gescouteten Jupp Heynckes zu fahnden, dann werden sie sich zunächst vergewissern müssen, was sie eigentlich suchen.

Suchen sie einen Heynckes in jung? Suchen sie einen Klinsmann mit Erfahrung? Suchen sie einen Deutschen wie Matthias Sammer oder einen Ausländer wie Frank Rijkaard? Suchen sie einen Defensivtrainer, einen Offensivtrainer - oder was?

Man darf gespannt sein, ob es Bayerns Bossen gelingen wird, ein Stück Klinsmann zu bewahren. Statt Trainer war Klinsmann schon immer eher eine Art Unternehmensberater, ein McKlinsi des Fußballs, und in dieser Eigenschaft hat er den Bayern ein paar zeitgenössische Ideen hinterlassen, die er, womöglich in Ermangelung des nötigen Sportlehrer-Handwerks, nicht selbst verwirklichen konnte - die die Bayern nun aber, da es um Klinsmanns Nachfolge geht, gut gebrauchen können.

Was die Bayern nun brauchen, ist ein unternehmensberaterischer Sportlehrer. Sie brauchen einen Trainer, der Klinsmanns ganzheitlichen Ansatz mit kunstfertigem Coaching verbindet. Klinsmann hat ja mit vielen Diagnosen recht gehabt; er hat erkannt, dass dem Klub zurzeit eine eigenständige Fußball-Idee fehlt; dass sich dieser so sehr in den Führungsspieler verliebte Klub traditionell zu sehr über seine Stars definiert; dass das eine Vorstandsmitglied sich einen Lieblingsspieler aus Italien besorgen darf und das andere zum Ausgleich einen aus Frankreich; und dass verdiente Profis mitunter auch über die sportliche Logik hinaus weiterbeschäftigt werden, weil sie irgendwann zur Bayern-Familie gehören.

Der FC Bayern scoutet nicht nur im Gästezimmer, sondern auch im Familienalbum. Er holt entweder Trainer zurück, die auf der Stirn das Klubwappen mit sich führen oder er holt welche, deren Anmutung eine baldige Aufnahme in die Familie verspricht. Hitzfeld, Magath, Trapattoni, Rehhagel, Ribbeck, Lattek, Csernai - in der Amtszeit des Managers Hoeneß wurde Bayern fast ausschließlich in der Herren-Abteilung fündig.

Die feinen Herren auf der Bank sind die Fortsetzung des Führungsspielers mit anderen Mitteln, und nach dem Scheitern des berufsjugendlichen Klinsmann ist die Sehnsucht nach den feinen Herren schon wieder recht groß im Verein. Er hoffe auf einen Trainer, "der in die Nähe der Klasse eines Guus Hiddink" komme, sagt Franz Beckenbauer, und Arsène Wenger gilt ohnehin als Dauerwunschkandidat. Hiddink wird sich ab Sommer aber wieder ausschließlich um die russische Nationalelf kümmern, und Wenger, wiewohl laut britischen Medien angeblich von Bayern kontaktiert, hat seinen Vertrag bei Arsenal vor kurzem erst bis 2012 verlängert.

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Die Frage lautet jetzt also: Wie findet man einen Hiddink, der aber nicht Hiddink ist? Und wie einen Wenger, der nicht Wenger ist?

Die Gefahr besteht, dass die Bayern das missglückte Experiment mit Klinsmann zum Anlass nehmen, sich wieder den sogenannten großen Namen zuzuwenden. In diesem Fall kämen auch gut abgehangene Kandidaten wie Luiz Scolari oder Sven Göran Eriksson in die Verlosung, womöglich aber auch echte Könner wie der in Liverpool gelegentlich unzufriedene Rafael Benítez oder die Italiener Carlo Ancelotti und Roberto Mancini. Auch der niederländische Taktikerfinder Louis van Gaal gilt als interessiert, wobei das Interesse eher einseitig sein soll, weil van Gaal zwar mehr über Fußball weiß als viele andere, was er die vielen anderen aber bisweilen spüren lässt.

"Es war naiv von Jürgen zu glauben, dass ein Trainer bei Bayern Jahre Zeit hat, um Erfolg zu haben", hat Hoeneß Klinsmann hinterhergerufen. Man kann Hoeneß schon verstehen, denn die Champions League ist mehr denn je zum beherrschenden Machtfaktor geworden. Ein Topklub kann sich Aufbauarbeit nur noch leisten, wenn er gleichzeitig in der Champions League spielt, womit die Trainersuche in München zur echten Herausforderung wird.

Die Bayern brauchen einen Erneuerer, der es sich zutraut, unter Gewährleistung dauerhafter Champions-League-Teilnahme eine Mannschaft samt Spielidee zu entwickeln. Vielleicht werden die Bayern etwas tun müssen, was sie noch nie getan haben: einen Trainer holen, der noch keinen großen Namen führt, aber das Potenzial hat, in München einen zu bekommen.

Vielleicht werden sie sich an einen Geheimtipp herantrauen müssen, an Italiens Trainer des Jahres Cesare Prandelli (AC Florenz) oder den Chilenen Manuel Pellegrini, der den FC Villareal mit bescheidenen Mitteln regelmäßig in die Champions League coacht. Und wer einen kleinen Wenger vor der Haustür sucht, landet am Ende womöglich bei Herthas Schweizer Lucien Favre, der aus alten Zeiten mit Rummenigge gut bekannt ist - der aber ebenso unter erheblichen diplomatischen Verwicklungen einem Konkurrenten weggekauft werden müsste wie Hamburgs Martin Jol oder Dortmunds Jürgen Klopp.

Aber all diese Kandidaten werden etwas Zeit und viel Mitspracherecht für sich beanspruchen - wenn sie gut sind, werden sie trotzdem irgendwann im guten, alten Familienalbum landen.

© SZ vom 29.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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