FC Bayern: Louis van Gaal:Ein streitbarer Lehrer

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Es läuft auf den Niederländer Louis van Gaal als nächsten Bayern-Trainer hinaus. Auf einen der besten Fußballtrainer Europas, mit dem Hang, sich viele Feinde zu machen.

Thomas Hummel

Am Sonntag stand das Spitzenspiel in der niederländischen Eredivisie an, in Enschede feierte der FC Twente Platz zwei und den Einzug in die Champions League. 3:0 hatten die Gastgeber den AZ Alkmaar besiegt. Doch bei Alkmaar sprach hinterher fast niemand über die vierte Saisonniederlage. Erstens, weil der AZ bereits als Meister feststeht. Und zweitens, weil immer klarer wird, dass der Meistertrainer bald den Verein verlässt.

Nach drei Jahren Fußballprovinz in Alkmaar wieder bereit für die große Fußballwelt: Louis van Gaal. (Foto: Foto: dpa)

Louis van Gaal sagte: "Bayern hat sich früher ein paar Mal gemeldet, da habe ich nein gesagt. Jetzt würde ich ja sagen." Und in München dementiert Manager Uli Hoeneß den Namen van Gaal auf Anfrage nicht mehr. Er gibt im Gegenteil kund, dass ein van Gaal in München im Falle einer Einigung "nicht nur ein Jahr, sondern zwei oder drei Jahre Vertrag bekommen" würde. Außerdem weiß Hoeneß bereits, dass der FC Bayern trotz eines laufenden Vertrags von van Gaal in Alkmaar "keine Ablöse zahlen müsste".

Alles läuft auf den Niederländer als nächsten Bayern-Trainer zu. Dabei schwang beim Namen Louis van Gaal bislang eine Menge Skepsis mit, wenn der 57-Jährige mit großen Klubs in Verbindung gebracht wurde. Auch wenn Louis van Gaal es überhaupt nicht gerne hört, das allgemeine Urteil lautet: Er kann nicht mit selbstbewussten Stars umgehen, und da er außer seiner eigenen Meinung keine gelten lässt, hat er in der Öffentlichkeit, besonders in der Presse, bald wenig bis keine Freunde mehr.

Seine Karriere als Trainer führt mühelos zu diesen Schlüssen. Der Stern van Gaal am Trainerhimmel ging auf mit einer hochtalentierten Mannschaft von Ajax Amsterdam Anfang der neunziger Jahre. Mit den Jünglingen Patrick Kluivert, Marc Overmars, den Zwillingen de Boer oder Torwart Edwin van der Sar ließ er teils aufregenden Offensivfußball spielen und brach damit sogar die Vorherrschaft des AC Mailand in Europa. 1995 besiegte das junge Team die favorisierten Italiener im Champions-League-Finale mit 1:0. Noch heute wird die Mannschaft in Amsterdam als Wiedergeburt des "totaal voetbol" - des totalen Fußballs aus der Ära Johan Cruyff verklärt.

"Fuera van Gaal!"

Seither ist Konsens in Fußball-Europa, dass dieser van Gaal einer der besten Trainer des Kontinents ist. Allerdings mit dem Hang, dies auch stets allen mitzuteilen. Bei Kritik zieht sich seine starke Stirn tief in die Augen hinein, der Ton wird herablassend, van Gaal geht keinem Streit aus dem Weg. Was dazu führt, dass seine Feinde bei Schwächen mit Freude zurückschlagen.

Nach seinen Ajax-Erfolgen holte ihn 1997 der FC Barcelona, wo der Niederländer zweimal Meister wurde. Dennoch wuchs die Kritik, weil van Gaal immer mehr Landsleute nach Katalonien holte und schließlich mit bis zu acht Niederländern spielen ließ. Als im dritten Jahr der Erfolg ausblieb, jagten ihn Fans und Medien förmlich aus der Stadt. "Fuera van Gaal!" schallte es durch das Nou Camp, eine Satiresendung machte aus seinem quadratischen Schädel einen rauchenden Kamin.

Van Gaal ging zurück in die Heimat, wo er als Bondscoach mit seinen einst geformten Ajax-Talenten die WM 2002 in Südkorea und Japan erobern wollte. "Ich will Weltmeister werden", verkündete er bei Amtsantritt. Doch aus den Ajax-Talenten waren inzwischen Weltstars geworden, die Beziehung mit van Gaal gestaltete sich schwierig und am Ende verlor diese grandiose Mannschaft in Irland 0:1 und verpasste die Qualifikation. Van Gaal war damit indirekt der Begründer des deutschen Sommerliedes "Ohne Holland fahr'n wir zur WM!". Es war der Karriereknick, auch wenn ihn kurz darauf noch einmal der FC Barcelona holte.

Die Aura des unantastbaren Meistertrainers war dahin, sein zweiter Ausflug nach Katalonien geriet völlig daneben. Kaum ein Spitzenklub wollte sich diesen machtbewussten Sportlehrer mehr ins Haus holen, also ging er 2005 nach Alkmaar in die Fußballprovinz, wo er mit eher bescheidenen Mitteln wieder Erfolg hatte. In der ersten Saison verpasste er nur knapp die Meisterschaft, nun, im dritten Jahr war es soweit. In Erinnerung ist allerdings auch ein Spruch nach dem zweiten, eher schlechten Jahr: "Die Mannschaft muss beweisen, dass sie es wert ist, von mir trainiert zu werden."

Bildet sich weiter

In Erinnerung blieben auch der Streit mit Bondscoach Marco van Basten, an dessen Ende van Gaal aus dem Trainerbund der Niederlande ausstieg, weil sich andere prominente Kollegen an die Seite van Bastens stellten.

Die Bayern scheint die streitbare Persönlichkeit indessen nicht zu stören. Den Machern im Klub hat nach dem Struktur-Modernisierer Jürgen Klinsmann die Sehnsucht nach einem renommierten Sportlehrer ergriffen. Und das ist van Gaal zweifellos. Es heißt, er lässt im Training ganze Spielzüge samt Laufwegen aller Spieler als Gesamtchoreographien wieder und wieder üben. Und wenn die Profis mitziehen, entsteht unter seiner Leitung stets ein perfekt organisiertes Gebilde, taktisch im Gleichgewicht. Nach eher offensivem Beginn in der Tradition der Ajax-Schule stets mit drei Stürmern, stellte van Gaal zuletzt bei Alkmaar auf ein 4-4-2-Muster um, was die Beobachter als Weiterbildung des Trainers lobten. Alkmaar ließ vor dem 0:3 in Enschede in 32 Liga-Partien nur 18 Gegentreffer zu und galt als ausgesprochen defensivstark.

Nach drei Jahren Provinz ließ van Gaal nun jeden, der es hören wollte, wissen, dass es ihn wieder hinausdränge in die große Fußballwelt. Dabei will er eigentlich den schwarzen Fleck in seiner Karriere tilgen und noch einmal eine Nationalmannschaft zu einer WM führen. Gespräche mit dem belgischen Verband sollen zuletzt schon weit gediehen sein, doch für Belgien fühlt sich van Gaal eigentlich zu groß. Also doch ein Verein von Welt, Real Madrid zum Beispiel. Oder Bayern München.

Der AZ Alkmaar teilte nun mit, er wolle binnen zehn Tagen Klarheit darüber haben, ob Louis van Gaal seinen Vertrag bis 2010 erfüllen wolle oder nicht. Am Wochenende wies der 57-Jährige dazu jeden Kommentar zurück. In der Fernsehsendung "Studio Voetbal" indes wurden schon die möglichen Ko-Trainer van Gaals in München genannt: Frank de Boer und Schota Arweladse.

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