FC Augsburgs Daniel Baier:"Da schnappt keiner über"

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Daniel Baier: Mit Augsburg im Aufwind (Foto: dapd)

Vom Abstiegskandidaten zum Tabellenachten in einem Jahr: Im SZ-Interview spricht Mittelfeldspieler Daniel Baier über den überraschenden Erfolg des FC Augsburg in der Bundesliga, die Rolle von Trainer Markus Weinzierl und die Kunst, richtige Entscheidungen zu treffen.

Von Johannes Knuth und Kathrin Steinbichler

SZ: Herr Baier, vor dem Rückrundenstart gelten Sie und Ihre Augsburger Kollegen nicht länger als Abstiegskandidaten, sondern als interessante Fußballer. Der kicker hat Sie in seiner Rangliste noch vor Nationalspielern wie Sven Bender, Javi Martinez oder Luiz Gustavo eingeordnet. Nehmen Sie diese neue Anerkennung wahr?

Daniel Baier: Natürlich bekomme ich das mit, ich werde auch von anderen Leuten darauf angesprochen, und es ist ja auch etwas Besonderes. Diese neue Wertschätzung zeigt ja, wie wir uns als Mannschaft entwickelt haben. Da ist schon eine gewisse Anerkennung zu spüren.

Sind Sie überrascht? Der FCA gilt ja als Überraschungsteam der Hinrunde.

Wenn du letztes Jahr zu dem Zeitpunkt in der Saison neun Punkte hattest, so eine Rückrunde spielst, in der Liga bleibst - was eigentlich ein Wunder war - und dann genau da weitermachst, wo du aufgehört hast, dann ist das eine Überraschung. Auch für uns. Dass wir 24 Punkte nach der Vorrunde haben, damit hat keiner gerechnet. Aber wir haben noch ein halbes Jahr vor uns, da müssen wir genauso hart arbeiten, wie wir es in der Vorrunde gemacht haben.

Diesmal hatte der Trainer gar keine Argumente, die Mannschaft im Trainingslager zu quälen, anders als vor einem Jahr. . .

(Lacht) Es war auch im vergangenen Jahr nicht so, dass er auf uns draufgehauen oder Brandreden gehalten hat, obwohl wir mit neun Punkten abgeschlagen waren. Wir haben so trainiert, wie es in der Vorbereitung nötig ist, damals und heute. Wir wissen ja auch, dass wir noch Dinge verbessern müssen, damit wir noch einmal so eine Rückrunde spielen können.

Seit vergangenem Winter spielen Sie im defensiven Mittelfeld und halten dort das Augsburger Spiel zusammen. Was ist das Geheimnis des neuen Erfolgs?

Wir haben dieses 4-1-4-1-System vor einem Jahr im Trainingslager ausprobiert und komplett die Rückrunde so gespielt. Und seitdem wir das System spielen, klappt es einfach. Dass ich diese Position eingenommen habe, war die Entscheidung des Trainers. Ich fühl' mich auf der Position sehr, sehr wohl. Weil man mehr im Spiel ist, weil du dort viele Ballkontakte hast. Das kommt meinen Anlagen entgegen. Aber es ist nicht so, dass ich im defensiven Mittelfeld alleine verantwortlich bin. Wir haben ein System, dass so ausgerichtet ist, dass der Achter, Kevin Vogt etwa oder Jan Moravek, mich absichert. Und umgekehrt.

Früher wurde Ihnen oft vorgeworfen, keine Tore zu schießen. Ist die Versetzung auf die Sechser-Position so gesehen eine Erleichterung für Sie?

Ich war noch nie dafür bekannt, viele Tore zu schießen. Aber wenn du in der Offensive spielst, wirst du natürlich immer auch daran gemessen. Von daher ist es für mich vielleicht gar nicht so schlecht, ein bisschen defensiver zu spielen. Markus Weinzierl war jedenfalls für mich der bislang wichtigste Trainer in meiner Karriere, weil er mich auf dieser Position spielen lässt und mir das Vertrauen gibt, das ich bei manch früherem Verein nicht bekommen habe.

Vor zwei Jahren haben Sie erst nach einigem Überlegen Ihren Vertrag verlängert, Augsburg steckte damals ständig im Abstiegskampf. Ist es eine Genugtuung für Sie, dass Ihre Weiterentwicklung parallel zur Weiterentwicklung des Klubs verlief?

Das freut mich natürlich. In meinem Alter überlegt man eben, wo die Karriere weitergehen soll, und ich habe mich richtig entschieden. Ich war immer davon überzeugt, dass wir in der Liga bleiben, und mich verbindet auch sehr viel mit diesem Verein. Ich habe in der zweiten Liga noch in der Rosenau gespielt, wenn ich nur an den Aufstieg denke - jetzt haben wir zwei Mal den Klassenerhalt geschafft, das verbindet sehr. Es ist mir nicht schwergefallen zu bleiben.

Vergangene Saison hieß es über den FCA: Die Augsburger rennen und kämpfen, aber offensiv haben sie es nicht drauf. Jetzt schnappen viele nach Luft, weil der FCA plötzlich auch offensiv zuschlägt. Kann man die Veränderung an einzelnen Spielern festmachen? Am Trainer? Am neuen System?

Zuerst einmal ist der Trainer dafür verantwortlich, dass wir das System gewechselt haben. Er ist auch dafür verantwortlich, wer Woche für Woche spielt. Und dann trainieren wir seit einem Jahr quasi jeden Tag in dem System. Jeder Spieler weiß mittlerweile, was er zu tun hat. Da haben sich Automatismen eingespielt. Ich gehe mittlerweile in jedes Spiel rein und habe das Gefühl, dass wir das Spiel gewinnen können.

Auch gegen Bayern oder Dortmund, wo Sie am Samstag in die Rückrunde starten?

Natürlich. Auch wenn es schwerer ist, wenn du in Dortmund oder München spielst. Ich fahre jetzt am Samstag nach Dortmund und will das Spiel gewinnen. Weil ich überzeugt bin, dass wir das schaffen können. Das ist so ein Gefühl, ein Selbstvertrauen, das wir uns im letzten Jahr erarbeitet haben. Das sieht man jetzt Woche für Woche. Wir haben uns auch damals, als wir für unsere schwache Offensive kritisiert wurden, viele Chancen erarbeitet. Da haben wir nur viel liegen gelassen. Momentan haben wir einen Lauf. Wir haben zum Beispiel André Hahn, der am Anfang kaum getroffen hat und jetzt die Tore macht, wir haben Halil Altintop, der Qualität reingebracht hat. Und wenn man sieht, wen wir vorne dazu bekommen haben mit Dong-Won Ji und Alexander Esswein, das ist ja ein Wahnsinns-Überangebot an guten Stürmern.

Was versprechen Sie sich von den Neuen?

Wir haben als Team Qualität hinzu gewonnen, zusätzlich zu unserem System, unserem Selbstvertrauen. Das macht uns noch stärker, keine Frage. Aber jeder von uns weiß auch weiterhin, dass wir in jedem Spiel alles geben müssen. Jeder muss zu 100 Prozent laufen, kämpfen, diese Tugenden müssen wir jede Woche reinbringen, erst danach kommt alles andere. Natürlich haben viele gesagt, die Augsburger können nur laufen und kämpfen - aber das ist für uns kein Problem. Wir wissen, dass wir diese Tugenden abrufen müssen. Aber wir können auch richtig guten Fußball spielen. Es waren beide Komponenten, die uns zuletzt so stark gemacht haben.

Der FCA steht jetzt auf Platz acht - denken Sie manchmal an die Europa League?

Ich denke da nicht Woche für Woche darüber nach, aber natürlich habe ich und haben wir hier auch Ziele. Es gibt zwei Dinge, die ich persönlich anpeile: Irgendwann einmal im Pokalfinale spielen - was diese Saison nicht mehr klappen wird, weil wir zum zweiten Mal hintereinander gegen die Bayern rausgeflogen sind - , und irgendwann einmal international spielen. Aber mit 24 Punkten sollte man nicht größenwahnsinnig werden: Ich sehe nicht nach unten, das habe ich auch mit neun Punkten im vergangenen Winter nicht gemacht, ich blicke aber auch nicht nach oben, das wäre vermessen. Wir konzentrieren uns hier schön jeden Spieltag erneut auf den jeweiligen Gegner, so blöd das klingt.

Besteht die Gefahr, dass das Team sich angesichts des Punktepolsters zu früh zu sicher ist und den Fokus verliert?

Es ist eine der Stärken unserer Mannschaft, dass wirklich jeder weiß, worum es hier geht: Wir wollen nichts mit dem Abstieg zu tun haben, und das wollen wir so schnell wie möglich sicherstellen. Wenn wir dann irgendwann mal die berühmten 40 Punkte haben, und es kann nach unten nichts mehr passieren, dann darf sich jeder neue Ziele stecken und träumen. Aber derzeit ist das kein Thema in der Mannschaft. Jeder hier weiß noch gut, wie die Situation vor einem Jahr war. Da schnappt keiner über.

Muss man bald Angst haben, dass die besten Spieler den FC Augsburg verlassen? Angeblich werden einige umworben. . .

Viele Spieler kommen inzwischen gerne nach Augsburg, auch wenn es viele Vereine gibt, wo man mehr verdienen kann. Weil es hier ein schönes Stadion gibt, weil hier bei jedem Heimspiel gute Stimmung ist, auch wenn wir verlieren. Und natürlich ist der Verein durch die gute Arbeit auch interessanter geworden, um sich als Spieler zu entwickeln. Wenn man aus unseren Möglichkeiten heraus so eine Hinrunde spielt, ist es normal, dass andere Klubs aufmerksam werden. Ob es ein André Hahn ist, ein Matthias Ostrzolek, ein Kevin Vogt, ein Marwin Hitz oder auch andere: Wir haben etliche junge, gute Spieler, die hier regelmäßig gute Leistungen zeigen - ist doch toll, wenn das auch von Außen anerkannt wird. Das ist dann der nächste Schritt: zu lernen, damit umzugehen, die Begehrlichkeiten richtig einzuordnen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Wann ist der Zeitpunkt gekommen, dass der Mannschaftsrat eine Prämie fürs Erreichen der Europa League aushandelt?

(Lacht) Wenn das einmal der Fall sein sollte, bin ich mir sicher, dass unser Manager oder unser Präsident von sich aus auf uns zukommen und etwas springen lassen. Aber ehrlich: Das ist kein Thema für uns. Wir fahren jetzt nach Dortmund und versuchen da zu gewinnen. Das ist Herausforderung genug.

© SZ vom 24.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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