FC Augsburg in der Bundesliga:Am Anfang war ein Hintern

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Ein Jahr zum Feiern für den FCA: Die Spieler feiern im Mai den Klassenerhalt. (Foto: dpa)

2013 war für den Fußball-Bundesligisten FC Augsburg das intensivste und erfolgreichste Jahr seiner jungen Erstliga-Historie. Inzwischen muss der Klub froh sein, wenn die Protagonisten noch zu halten sind. Die erstaunliche Geschichte eines Außenseiters.

Von Kathrin Steinbichler

Manche Phasen im Leben sind derart intensiv, dass es im Nachhinein schwierig ist, die einzelnen Szenen und Momente auseinander zu halten. Wie Bausteine häufen sich die Momente auf und bilden die Erinnerung an eine Zeit, die im Nachhinein oft ungläubiges Kopfschütteln hervorruft. Doch wer nach diesem Jahr des FC Augsburg zweifelt, ob das alles wirklich passiert ist, der sollte einfach einen Blick auf die Bundesligatabelle werfen. Und sich zurückerinnern, etwa an den 20. Januar, als alles mit dem Hintern von Sascha Mölders begann.

Der FC Augsburg musste zu seinem ersten Spiel des Jahres am 20. Januar bei der Fortuna aus Düsseldorf antreten. Nach nur neun Punkten aus der Hinserie war klar, dass beim Neustart nach der Winterpause dringend etwas passieren musste. Auf dem Platz, in den Beinen und in den Köpfen der Spieler. Ein Erfolg musste her, um die Hoffnung aufrecht zu erhalten, egal wie. Dass es Sascha Mölders war, der den Umschwung einleitete, war kein Zufall. "Für irgendetwas", meinte der Stürmer nach dem Auftaktsieg gegen Düsseldorf, "muss mein großer Hintern ja gut sein."

Sascha Mölders ist einer dieser Fußballprofis, die ihren Sport mehr arbeiten als spielen. Genau dafür lieben sie den oft etwas ungelenken Stürmer in Augsburg, und mit eben dieser Einstellung hat er dem FCA den Weg ins Jahr gezeigt.

Das ganze Spiel schon hatte er gelauert wie ein Hund auf der Jagd, und als Düsseldorfs Torhüter Fabian Giefer in der 40. Minute einen Rückpass durch die Beine rutschen ließ, war er zur Stelle und schob zum 1:0 ein. In der 71. Minute dann - Koo hatte inzwischen auf 2:0 erhöht - schoss der von Mölders entnervte Giefer dem erneut lauernden Angreifer den Ball genau auf den Hintern, von dort prallte er zum 3:0 ins Tor. Mölders wusste gar nicht wohin mit seinem Jubel, er versuchte ein Rad zu schlagen, krachte auf den Rasen - und wurde auch für diesen verunglückten Versuch bejubelt.

Für die Bodenübung "würde ich mir eine glatte Sechs minus geben", meinte Mölders anschließend, aber "in dem Moment ging es mit mir durch". Und der FCA startete die wohl beeindruckendste Aufholjagd der Liga. Dem 3:2-Sieg in Düsseldorf ließen die Augsburger 21 weitere Punkte folgen, und als am letzten Spieltag noch ein 3:1 über Absteiger Fürth gelang, stand das Unglaubliche fest: Noch nie war einem Bundesligisten mit nur neun Punkten im Winter der Verbleib in der Liga geglückt, der FCA hatte dank seines fulminanten Schlussspurts sogar Platz 15 und damit den direkten Klassenerhalt geschafft.

"Wahnsinn!", schrie Mölders. "Wahnsinn!", rief Trainer Markus Weinzierl und erklomm den Tribünenzaun. Auch Stefan Reuter, der neue Sportmanager, hatte ein Wort parat: "Wahnsinn!" Dann muss das wohl so gewesen sein.

Ein bisschen dachte sich das auch André Hahn, als ihn im vergangenen Winter der ehemalige Weltmeister Stefan Reuter anrief. Der ruhige und kundige Reuter, der Weihnachten 2012 beim FCA den glücklosen Jürgen Rollmann ablöste, erst Trainer Weinzierl stützte und dann half, den Kader zu verstärken, bot dem Drittligaspieler an, ihn zum FCA zu holen. "Da war ich erst mal gefühlte fünf Minuten sprachlos", meinte Hahn. Heute sind das seine Gegner, meist, weil sie nach Luft schnappen.

Denn Hahn läuft nicht nur neben Daniel Baier die meisten Kilometer beim FCA, er ist auch einer der Schnellsten, und das in der gesamten Bundesliga. Mit 35,4 Stundenkilometern wurde er in Stadien gemessen, nur Braunschweigs Ken Reichel lief schneller.

Schon in der Rückrunde spielte Hahn sich mit seinen druckvollen Flankenläufen in die Mannschaft, nur traf er noch nicht. Ein Jahr später ist der 23-Jährige nicht mehr wegzudenken - anders als Mölders, der seit geraumer Zeit meist nur noch von der Bank aus zu Einsätzen kommt. Auch Hahns zusätzliches Techniktraining neben den Mannschaftseinheiten zahlt sich aus: Mit bereits sechs Saisontoren führt er die interne Torjägerliste an. Nur Offensivspieler Halil Altintop, 31, den der FCA im Sommer aus der Türkei zurück in die Bundesliga holte, ist mit fünf Treffern ähnlich erfolgreich. Im abschließenden Heimspiel gegen Braunschweig (4:1) schoss Hahn seinen zweiten Doppelpack der Saison.

Angeblich zeigt bereits Leverkusen Interesse an ihm, so wie auch immer öfter der Name von Weinzierl auftaucht, wenn über einen frei werdenden Trainerposten in der Bundesliga spekuliert wird. Nicht nur der FCA, auch seine Profis haben in diesem Jahr an Stellenwert gewonnen. "André weiß, was er am FCA hat", sagt Reuter zu den wachsenden Begehrlichkeiten. Außerdem "ist es doch eine schöne Bestätigung, wenn einer von uns Aufmerksamkeit weckt".

Wie Weinzierl denkt, ist auch geklärt. Nach dem jüngsten 1:1 in Frankfurt, dem fünften Spiel in Serie ohne Niederlage, verlängerte der 39-Jährige vorzeitig bis 2017. Danach flog er in den Winterurlaub. Angeblich ohne zu wissen, wohin. "Den Urlaub organisiert meine Frau, ich folge ihr einfach", meinte Weinzierl. Man muss eben wissen, wann man loslassen kann.

© SZ vom 30.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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