Fanprobleme beim BVB:Tendenz zur leeren Südtribüne

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Der BVB könnte sich dazu entschließen, dem Strafantrag des DFB zuzustimmen. Denn der Klub sorgt sich um die öffentliche Wahrnehmung.

Von Sebastian Fischer, Dortmund/München

Es gibt gerade viel sportlichen Diskussionsstoff für die Verantwortlichen von Borussia Dortmund, aber trotzdem ging es nicht um formschwache Fußballer, als sich die BVB-Geschäftsführung am Sonntag in den Büros am Rheinlanddamm mit ihren wichtigsten Mitarbeitern beriet. Es ging um ein umstrittenes Zeichen gegen Gewalt und Hass im Umfeld von Fußballstadien, wie es in Deutschland vielleicht noch keines gab.

Die fast 25 000 Zuschauer fassende Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion ist die berühmteste im Land, doch spätestens seit einer Woche steht sie nicht mehr allein für gute Stimmung. Nach den beleidigenden Plakaten gegen RB Leipzig am 19. Spieltag hat der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Freitag gefordert, den Verein mit einer Geldstrafe von 100 000 Euro zu belegen - und die Südtribüne für eine Partie komplett zu sperren, wahrscheinlich am 18. Februar gegen den VfL Wolfsburg.

In ihm wachse eine Tendenz, sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Samstag dem TV-Sender Sky zu der Dortmunder Antwort auf die Forderung des DFB. Das Ergebnis der Gespräche am Sonntag will der BVB am Montag bekanntgeben. Verweigert die Borussia die Zustimmung, folgt eine Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht. Doch die Tendenz im Verein war am Sonntag eher, den Strafantrag des DFB und damit eine leere Südtribüne zu akzeptieren.

BVB sorgt sich um die öffentliche Wahrnehmung

Kollektivstrafen, wie sie in dieser Saison im DFB-Pokal gegen die Fans von Eintracht Frankfurt und in der Vergangenheit unter anderem auch gegen die Fans des 1. FC Köln ausgesprochen wurden, sind höchst umstritten, weil sie neben den Tätern vor allem zahlreiche unschuldige Anhänger treffen. Auch in Dortmund hat bereits jene Mehrheit der Fans Kritik geäußert, die offen gegen die Plakate vor dem Spiel gegen RB Leipzig protestierten. Auf Banner wie jenes mit der Aufschrift "Pflastersteine auf Bullenschweine" hatten Dortmunder Fans bereits am Mittwoch im DFB-Pokalspiel gegen Hertha BSC mit "Nein zu Gewalt"-Plakaten reagiert.

Die Forderung des DFB, die Südtribüne zu sperren, bezieht sich nicht auf die Randalierer außerhalb des Stadions, die Leipziger Gästefans attackierten und zehn Personen verletzten, sondern auf die diffamierenden Plakate. Außerdem begründet der DFB das Strafmaß mit den Bewährungsstrafen für Dortmunder Fans, die bei vorangegangenen Auswärtsspielen mit dem Zünden von Pyrotechnik und Beleidigungen aufgefallen waren. Dieser Teil des Strafantrags ist umstritten, Schmähgesänge gehören zum Stadion-Alltag.

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Doch würde die BVB-Führung Protest gegen den Antrag einlegen, das ist wohl eine Überlegung im Klub, dann würde sie die öffentliche Wahrnehmung riskieren, für die vereinsschädigenden Fans Partei zu ergreifen. Weitere Kritik an den Vorfällen gab es am Sonntag: Sportrechtler Christoph Schickhardt sagte der Bild am Sonntag, das Spiel gegen Leipzig hätte nicht angepfiffen werden dürfen. Der DFB müsse gemeinsam mit der Deutschen Fußball-Liga einen Weg finden, Spiele zu verschieben, bis beleidigende Plakate entfernt seien.

Dass das Vorgehen gegen Gewalttäter aus dem Fußballumfeld notwendig, aber oftmals kompliziert ist, zeigte ein Eingriff der hessischen Polizei bei Gießen am Samstag. Die Polizei stoppte auf der Autobahn zwei Busse mit 90 Dortmunder "Problemfans" auf dem Weg zur Partie beim SV Darmstadt 98, die nicht zum friedlichen Fußballschauen angereist waren: Reihenweise Pyrotechnik, Sturmhauben, Kampfsporthandschuhe, Drogen und Schmerzmittel wurden sichergestellt, wie ein entsprechendes Foto der Polizei dokumentiert. Die Ermittler nahmen die Personalien auf und erstatteten Anzeigen.

Wie eine Polizeisprecherin am Sonntag erklärte, seien rund 40 bereits im Zusammenhang mit Fußballspielen als Gewalttäter aufgefallen. Sie seien, bestätigte die Sprecherin, den Hooligan-Gruppierungen "0231 Riot" und "Northside" zuzuordnen, die sich von Ultras und anderen Fans abgrenzen und seit Monaten mit Gewalt, Rassismus und Einschüchterung anderer BVB-Anhänger auffallen. Der Verein hatte am Samstag Hinweise auf die Anreise der beiden Busse von einem Journalisten erhalten und diese an die Polizei weitergegeben.

Beim BVB sehen sie den Ermittlungserfolg auch als Chance im - aus Sorge vor Eskalationen - oft behutsam geführten Kampf gegen die Hooligans. Der Verein hat den bei Auswärtsspielen zuständigen DFB nach dem Spiel in Darmstadt dazu aufgefordert, die Personendaten von der Polizei anzufordern und für die mutmaßlich allein zum Randalieren angereisten Gruppen bundesweite Stadionverbote auszusprechen.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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