Fakten zur Leichtathletik-WM:Aufruhr um zehn Sekunden

Usain Bolt oder Justin Gatlin? Wer über 100 Meter zu Gold spurtet, war selten so offen. Die deutschen Kugelstoßer könnten Geschichte schreiben. Fakten zur Leichtathletik-WM in Peking.

Von Saskia Aleythe, Christopher Gerards und Michael Neißendorfer

Der jüngere Harting

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(Foto: dpa)

Eines vorneweg: Ein zerrissenes Leibchen wird es bei dieser Leichtathletik-WM nicht zu sehen geben. Jedenfalls nicht von Robert Harting, der sonst so seine Triumphe feiert. Denn der Diskus-Koloss will nach überstandener Innenband- und Kreuzband-OP lieber noch ein bisschen genesen und dann bei Olympia 2016 in Rio in Höchstform sein. Der Name Harting wird in Peking trotzdem vertreten sein: Bruder Christoph, 25, hat seinen Karrieresprung zur rechten Zeit gemacht und liegt derzeit auf Rang drei der Jahres-Weltbestenliste. "Es ist nicht sein Job, den Namen Harting zu repräsentieren", macht Robert, 30, aber klar. Und: "Er ist so stark. Da ist soviel Energie, dass die Disken zerbrechen." Das wäre schon eindrucksvoller als ein zerrissenes Shirt. (ska)

Halbiertes Nationalstadion in Peking

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(Foto: REUTERS)

Olympische Sommerspiele 2008, Leichtathletik WM 2015, Olympische Winterspiele 2022: Im Sieben-Jahres-Rhythmus ist das Pekinger Nationalstadion, aufgrund seiner Form und Hülle auch "Vogelnest" genannt, Schauplatz von wichtigen Sportereignissen - ansonsten steht es allerdings meist leer. Damit es beim Treffen der weltbesten Leichtathleten möglichst gut gefüllt ist, wurde die Kapazität von ursprünglich 91 000 auf 54 000 Plätze reduziert - der oberste Rang soll unbesetzt bleiben. Die Taktik ging auf: Die Veranstalter kündigten bereits an, dass zumindest alle Abendwettkämpfe so gut wie ausverkauft seien. (mike)

Was macht Bolt?

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(Foto: REUTERS)

Über Usain Bolt stellt sich die Welt in diesen Tagen viele Fragen, nicht auf alle gibt es darauf Antworten. Wie ist seine Form? Läuft er noch so schnell wie früher? Läuft er überhaupt so schnell wie Justin Gatlin? Umso beruhigender ist, dass Bolt im Juli eines der drängenderen Themen selbst aufgegriffen hat: Er, achtmaliger Weltmeister, sechsmaliger Olympiasieger, der schnellste Sprinter aller Zeiten, isst keine Chicken Nuggets mehr. Das hat Bolt gesagt und angefügt, er ernähre sich jetzt gesund. Tage später gab er auch Aufschluss über seine Form, nach sechswöchiger Verletzungspause lief er die 100 Meter in 9,87 Sekunden - schneller als noch im April (10,12), aber langsamer als Konkurrent Gatlin in diesem Jahr (9,74). "Ich bin in starker Form", sagte Bolt. Diese Frage wäre also geklärt. (chge)

Justin Gatlin im Dopingdunst

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(Foto: Francois Nel/Getty Images)

Zur besten Kaffeekranz-Zeit am Sonntagnachmittag trifft Usain Bolt auf diesen Mann: Justin Gatlin. Seineszeichens meistdiskutierter Athlet vor dem WM-Start. Er wurde zweimal des Dopings überführt, jahrelang gesperrt und ist nun zurückgekommen und seit mehr als einem Jahr und 26 Rennen ungeschlagen, Weltjahresbester über 100 und 200 Meter. Trotz seiner 33 Jahre läuft er derzeit schneller als zu den Zeiten, in denen er Weltmeister und Olympiasieger wurde und nachweislich gedopt war. Auf seine Doping-Vergangenheit angesprochen, kann er schon mal schnippisch reagieren: "Komm schon, Mann, hör doch auf mit diesen Fragen", pampte er kürzlich einen Journalisten an, um das Gespäch eine Nachfrage später abrupt zu beenden. Sollte Gatlin am Sonntag wirklich Weltmeister werden? Interessante Interviews gäbe das auf jeden Fall. (mike)

Mo Farah jagt den Rekord

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(Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Sein Jubel - Augen und Mund weit aufgerissen, sein Gesichtsausdruck halb freudig, halb erschrocken - wurde eines der prägenden Bilder der Olympischen Spiele 2012 und ging als Meme (mofarahrunningawayfromthings) mehrfach um die Welt. Ob Doppel-Olympiasieger Mo Farah auf die jüngsten Doping-Vorwürfe wohl ähnlich reagiert hat, wie auf sein zweites Gold in London? Seinem Trainer Alberto Salazar wurden bei der Zusammenarbeit mit anderen Athleten unlautere Praktiken vorgeworfen, Farah reagierte so: Er legte Blutwerte der vergangenen sieben Jahre offen - ohne Auffälligkeiten. "Ich habe immer gesagt, dass ich glücklich bin, wenn ich beweisen kann, dass ich ein sauberer Athlet bin", sagte Farah. Nun kann er sich wieder aufs Sportliche konzentrieren: Mit erneuten Titeln über 5000 und 10 000 Meter würde er Geschichte schreiben. (mike)

Storl gegen den Diskus-Bären

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(Foto: dpa)

Das Knie zwickt, doch die Kugel saust weit: David Storl könnte in Peking seinen dritten WM-Titel in Serie einsammeln - und das mit gerade mal 25 Jahren. Im Juli war der nach Leipzig übergesiedelte Chemnitzer in eine neue Kugelstoßer-Dimension vorgedrungen: Erstmals flog sein Geschoss über die 22-Meter-Marke. In der Geschichte des Sports ist das überhaupt erst 15 Athleten gelungen. Ein elitärer Kreis, der auch Schattenseiten hat: Bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg langweilte sich Storl ob der abgeschlagenen Konkurrenz. Aber das wird nun in Peking besser. Mit dem US-Amerikaner Joe Kovacs kann er sich messen. Der hat schließlich schon 22,56 Meter in diesem Sommer gestoßen - 23 Zentimeter weiter als Storl. (ska)

Schwanitz vs. Schwanitz

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(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Sieben Jahre lang hatte Christina Schwanitz Schrauben in den Füßen. Fehlstellungen der Zehen sollten korrigiert werden, dann missglückten OPs, und die Schrauben plagten sie. Als sie 2012 rauskamen, war Schwanitz befreit - und gewann in Moskau 2013 WM-Silber im Kugelstoßen. Nur die Neuseeländerin Valerie Adams war stärker. Dieses Jahr ist Schwanitz nach überwundener Knie-OP wieder fit, die Neuseeländerin verzichtet wegen Schulterproblemen auf einen Start. Goldgarantie für Schwanitz also? "Jeder denkt jetzt, das ist leicht, das ist es aber nicht", sagte die 29-Jährige. Sollten sie und David Storl zusammen Gold holen, wäre das einmalig: Noch nie gingen beide WM-Titel an dasselbe Land. (ska)

Cool Runnings in Peking

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(Foto: AFP)

Speerwerfer aus Kenia und Trinidad, Diskuswerfer aus Jamaika, Läufer aus Bosnien: Bei der WM greifen auch viele Exoten nach Medaillen. Als Kind schmiss Julius Yego (im Bild) beim Viehhüten Holzstöcke durch Kenias Hochland, mit 26 ist er Favorit auf Speerwurf-Gold. Er feuerte erst im Juli mit 91,39 Meter den weltweit besten Speerwurf seit neun Jahren ab. Einer seiner härtesten Kontrahenten ist ein anderer Exot. Und der hat die Leichtathletik-Welt schon mal auf den Kopf gestellt: Keshorn Walcott, ein damals 19-Jähriger aus der Sprinterhochburg Trinidad und Tobago, holte 2012 überraschend Olympia-Gold. Seit Juli gehört Walcott mit 90,16 zum kleinen Kreis der 90-Meter-Werfer. Auch der Diskus-Titel könnte in die Karibik gehen - der Jamaikaner Jason Morgan reist mit 68,19 Meter als Nummer zwei der Welt an. Für manche Laufdistanz haben sich ebenfalls Überraschungs-Kandidaten in Stellung gebracht. Über 800 Meter etwa führt ein Bosnier die Weltrangliste an: Amel Tuka lief zuletzt in Monaco 1:42,51 Minuten - knapp eine halbe Sekunde am Weltrekord vorbei. (mike/sid)

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