Ex-Tennis-Profi Boris Becker:Prophet im eigenen England

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Von wegen Besenkammer-Boris: In Großbritannien kommentiert Boris Becker für die BBC und wird von der Öffentlichkeit als "Britain's favourite German" gefeiert. Von der Missachtung in Deutschland ist der ehemalige Tennisprofi enttäuscht - wie sehr, offenbart seine Absage an den Deutschen Tennis Bund.

Claudio Catuogno

In diesem Sommer hat Boris Becker sein zehntes Wimbledon-Finale fürs Fernsehen kommentiert, er macht das nicht in irgendeinem deutschen Spartenkanal, sondern für die BBC. Millionen Menschen schauen ihm zu. Sein Englisch ist bemerkenswert, sein Humor ebenfalls, Zeitungen ernannten den dreimaligen Wimbledon-Champion gar zu "Britain's favourite German" - zum beliebtesten Deutschen in Großbritannien, und das war keinesfalls ironisch gemeint.

In England hoch geschätzt, in Deutschland belächelt: Tennis-Legende Boris Becker. (Foto: Getty Images)

Ironisch gemeint war nur Beckers Erwiderung: "Ehrlich gesagt heißt das nicht viel." Es ist dieses lässige, weltgewandte Understatement, das sie an Boris Becker auf der Insel so mögen.

Und nun die berühmte Henne-Ei- Frage: Was war zuerst da? Der Respekt, den die Engländer Becker entgegenbringen - oder die unverkrampfte Lässigkeit, mit der er sich dort in der Öffentlichkeit bewegt? Möglicherweise kann man ja tatsächlich ein völlig anderer Mensch sein, wenn man nicht bei jeder Gelegenheit das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen.

Im Grunde könnte Becker, der Champion von früher, der BBC-Experte von heute, durch sein Haus in Wimbledon wandeln und mit britisch-ironischer Distanziertheit über das deutsche Tennis im Allgemeinen sowie die Tennisübertragungen im Besonderen schmunzeln. Aber so einfach ist es wohl nicht.

Gerade hat Becker dem Tennis Magazin ein großes Interview gegeben, er sagt dort: "Merkwürdig ist, dass ich in England vor Millionen Zuschauern kommentiere, es aber für einen Spartensender in Deutschland nicht tun darf. Es geht also nicht um die Qualifikation, sondern um die Person Boris Becker. Aber bevor ich mich aufrege, sage ich lieber: Dann macht es halt ohne mich."

So klingt einer, der das Sprichwort vom Propheten, der im eigenen Lande nichts gilt, als Belastung empfindet, es ist jenes Leiden an der Heimat, das man auch von Lothar Matthäus kennt. Und tatsächlich denkt man hierzulande beim Stichwort Boris Becker ja in erster Linie: an gescheiterte Business-Projekte, an eine zelebrierte Verlobung, aus der dann nichts wurde, an Besenkammern. Deshalb wird es nun auch kaum jemanden erschüttern, dass Becker in dem Interview außerdem mitteilt, er werde nun doch nicht dem Präsidium des Deutschen Tennis-Bundes als Berater zuarbeiten.

Er hätte sich da ohnehin kaum Freunde gemacht. Viele im deutschen Tennis halten ja genau dieses neue Präsidium um den Banker Karl-Georg Altenburg für das gegenwärtig größte Problem des DTB. Becker hingegen findet: Das deutsche Tennis ist noch nicht bereit für Leute wie Altenburg - und ihn. Schon diese Absage klingt wieder wie ein einziges deutsch-beckerisches Missverständnis.

Insofern ist Boris Becker in seinem England gerade ganz gut aufgehoben.

© SZ vom 20.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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