Leichtathletik-Erfolge durch Holzdeppe & Co.:Deutsche Medaillen in allen Farben

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Jubel und Enttäuschung: Raphael Holzdeppe feiert seine Goldmedaille, Konkurrent Renaud Lavillenie ist frustriert über Silber.  (Foto: Getty Images)

Raphael Holzdeppe gewinnt WM-Gold im Stabhochsprung, Björn Otto wird Dritter, Kugelstoßerin Christina Schwanitz Zweite: In Moskau zeigen sich die deutschen Leichtathleten in großer Form. Holzdeppe besiegt in einem Krimi letztlich einen starken Franzosen.

Von Thomas Hahn, Moskau

Einen letzten verzweifelten Versuch unternahm der Franzose. Renaud Lavillenie hat in den vergangenen Jahren alles gewonnen, was es im Stabhochsprung zu gewinnen gibt. Ihn zeichnet ein Ehrgeiz aus, der praktisch nicht zu stillen ist, und deshalb wollte er auch jetzt, bei der Leichtathletik-WM von Moskau, das Gold. 5,96 Meter lagen auf.

Er musste über die Latte drüber, wenn er den deutschen Angriff auf seine Herrschaft noch abwehren wollte. Er lief an. Er sprang. Er schaffte es nicht. Traurig ließ er sich in die Matte fallen, während auf der anderen Seite der Bahn ein schlanker Deutscher mit bloßem Oberkörper jubelnd über die Bahn lief.

Der Wahl-Münchner Raphael Holzeppe, 23, vom LAZ Zweibrücken rannte als neuer Weltmeister in die Kurve an einem Abend, der wie gemalt war für die deutschen Leichtathleten, weil nicht nur Holzdeppe mit übersprungenen 5,89 Meter Gold gewann. Sondern auch Holzdeppes Disziplin-Kollege Björn Otto vom ASV Köln mit 5,82 Metern Bronze. Und die Chemnitzerin Christina Schwanitz vom LV 90 Erzgebirge Silber im Kugelstoßen.

Vier Medaillen aus drei Wettkampftagen ist eine stattliche Ausbeute, und gerade die Montagsgewinner überzeugten in Moskau mit Tugenden, die man deutschen Leichtathleten lange absprechen musste. Holzdeppe und Otto haben ausgedehnte Phasen ihrer Karrieren mit Verletzungen zugebracht, mit klugem Gesundheitsmanagement haben sie sich mittlerweile in eine ausgedehnte Phase ohne Malaisen gerettet. Und von Christina Schwanitz konnte man lernen, wie wichtig in der Leichtathletik ein klarer Kopf ist und das Wissen, nichts erzwingen zu müssen.

Deutsche Leichtathleten sind in der Vergangenheit oft an ihren Nerven gescheitert, gerade die hochbegabte Kugelstoßerin Christina Schwanitz galt als labil und für Großereignisse nicht geeignet. Und nun? In ihrem Finale sah sie sich lange auf die Blech-Plätze verdrängt, als sie zu ihrem sechsten und letzten Versuch in den Ring trat, lag sie auf Platz fünf. Schlechte Voraussetzungen für eine Nervenschwache.

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Aber Christina Schwanitz ist nicht mehr nervenschwach. Sie hat mit einer Psychologin ihre Seele geordnet, sie hat ein privates Glück im Hintergrund, das demnächst in einer Hochzeit gipfeln wird, und sie war in dieser Saison bisher so gut wie noch nie. Christina Schwanitz war also im Reinen mit sich, als sie über die Betonplatte anglitt und die Kugel weit ins Feld hineinstieß. 20,41 Meter, persönlicher Rekord im richtigen Moment: Schwanitz hatte WM-Silber hinter der überragenden Neuseeländerin Valerie Adams (20,88 Meter). "Mir sind fünf Millionen Kilo Steine vom Herzen gefallen", sagte die Deutsche und fühlte sich anschließend ziemlich leicht: "Ich bin durchs Stadion geflogen."

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Und der Stabhochspringer Raphael Holzdeppe zermürbte den französischen Olympiasieger. Er konnte nach dem Wettkampf gar nicht richtig verstehen, wie ihm dieser, wie er sagte, "perfekte Wettkampf" gelungen war, denn das Einspringen fand er noch "richtig katastrophal". Nichts schien zu gehen. Aber als dann der erste Sprung über 5,65 trotz Nervosität geglückt war, ging auf einmal alles ganz leicht. 5,82. 5,89. Kein Problem, kein Fehlversuch. Holzdeppe wirkte sehr konzentriert. "So funktioniert's", lobte Björn Otto, der bei 5,75 seinen ersten Fehlversuch hatte, "so kann man Renaud unter Druck setzen." Und in der Tat schien der große Konkurrent und Weltjahresbeste (6,02) beeindruckt zu sein, denn er hatte früh Probleme.

Holzdeppe und Otto konnten selbstbewusst in den Wettbewerb einsteigen, weil sie anders als der rückenwehgeplagte DLV-Kollege Malte Mohr, der schließlich Fünfter wurde mit 5,82, zuletzt praktisch keine gesundheitlichen Probleme gehabt hatten. Und vor allem, weil sei bei den Großereignissen des vergangenen Sommers auch schon erfolgreich gewesen waren: Otto als Zweitplatzierter bei EM und Olympia, Holzdeppe jeweils als Bronze-Mann. Allerdings: immer hinter Renaud Lavillenie, dem französischen Souverän.

Lavillenie ist ein offener Mensch mit Witz, den die Deutschen allerdings nicht sehr mögen. Der Franzose neige im Wettkampf zu kleinen taktischen Gemeinheiten, um die Konzentration der anderen zu stören, sagen Holzdeppe und Mohr. Und so mussten sie mit stillem Genuss zur Kenntnis nehmen, dass Lavillenie Schwierigkeiten hatte: 5,65 Meter schaffte er erst im zweiten Versuch, 5,82 auch. Über 5,89 kam Lavillenie erst im dritten Versuch. Da ahnte Holzdeppe wohl schon, dass dies ein Abend zum Weltmeister-Werden war für ihn. Und zum Geschichte-Schreiben, denn WM-Gold hatte vor ihm noch nie ein deutsche Stabhochspringer gewonnen.

Aber man weiß nie bei den Königen der Leichtathletik. Lavillenie ist ein Meister seines Fachs, er kann auch im letzten Augenblick zurückkommen.

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Holzdeppe war nervös, als Lavillenie zum letzten Mal am Anlauf stand. Er konnte sich nicht setzen, so sehr hatte ihn die Spannung gepackt. Dann sah Holzdeppe, wie die Latte fiel, und er begann zu rennen.

© SZ vom 13.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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