Enthüllungen im Internet:"Football Leaks" schrecken die Fußball-Welt auf

Toni Kroos, Florentino Perez

"Bedeutungsloses Thema": Real Madrids Präsident, der schwerreiche Bau-Unternehmer Florentino Perez, spielt seinen Einfluss bei einer digitalen Zeitung herunter.

(Foto: Andres Kudacki/AP)
  • Die Plattform "Football-Leaks" veröffentlicht brisante Dokumente aus der Welt des Fußballs.
  • Zuweilen decken sie Missstände auf, zuweilen machen sie nur Verträge publik, wie den von Toni Kroos.
  • Die Macher halten sich bedeckt. Sie seien Portugiesen und operieren über Server in Russland.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Welt des Fußballs ist voller Mysterien. Doch seit ein paar Monaten ist sie um ein paar Geheimnisse ärmer. Der Grund: eine geheimnisumwitterte Internetplattform, die sich in Anlehnung an das Enthüllungsportal "WikiLeaks" von Julian Assange "Football-Leaks" nennt und sich auf die Fahnen geschrieben hat, mehr Transparenz im Profifußball zu erzwingen - durch die Veröffentlichung von bislang vertraulichen Verträgen im Internet.

In der Branche herrscht eine seltsame Mischung aus Staunen, Verunsicherung und Jagdfieber. Denn niemand weiß, wer genau hinter Football-Leaks steckt - und wo sich das Informationsleck befindet, aus dem angeblich schon 500 Gigabytes an Dokumenten geströmt sind. Ist es ein - womöglich entlassener - Insider aus der verzweigten Sportmarketing-Welt? Konnte jemand das elektronische Transfer Matching System des Weltverbandes Fifa knacken?

Die Website ist bei einem russischen Provider angemeldet

Sind Hacker am Werk, was Football-Leaks vehement bestreitet? In jedem Fall gibt Football-Leaks Einblicke in einen weitgehend undurchsichtigen Geschäftsbereich namens Transfermarkt, in dem allein im vergangenen Jahr laut Fifa 3,7 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Die Website selbst ist auf einem russischen Provider angesiedelt. Der Grund: Die Bereitschaft der russischen Behörden, mit ihren westlichen Kollegen zu kooperieren, ist aus politischen Gründen kaum gegeben. Auch die Kontaktadresse, die Football-Leaks auf ihrer Seite angibt, hat die Endung ".ru" für Russland. Antworten auf Fragen werden nicht gerade prompt, aber immerhin geliefert: auf Englisch unter einem Kürzel namens "FL". Und so versichert "FL", dass die Seite von neun Personen betrieben werde, die allesamt aus Portugal stammen, es aber vorziehen, keine weiteren Angaben zu ihrer Identität zu machen, aus Angst vor Repressalien.

Die ursprüngliche Antriebsfeder sei gewesen, die kleinen und großen Lügen und Korruptionsaffären des portugiesischen Fußballs ans Tageslicht zu zerren. Die erste Enthüllung betraf den Trainer Jorge Jesús, der im Sommer Benfica Lissabon verlassen hatte, um den ebenfalls in der Hauptstadt angesiedelten Klub Sporting de Portugal zu übernehmen. Da erfuhr die Öffentlichkeit, dass das Gehalt von Jorge Jesús gleich 20 Prozent des Sporting-Budgets verschlingt. Benfica hält es überdies für erwiesen, dass Jorge Jesús bereits für Sporting arbeitete, als er noch bei Benfica in Lohn stand und angeblich auch Software mitnahm, sprich: Industriespionage betrieb. Mittlerweile fordert Benfica von Jorge Jesús eine Entschädigung von einem Euro pro Anhänger - bei 14 Millionen Fans kommt da schon was zusammen.

David de Gea sollte ein Grundgehalt von 6000 Euro bekommen

Ein anderer Fall brachte den niederländischen Erstligisten Twente Enschede in die Bredouille. Football-Leaks legte einen Deal mit einer in Malta ansässigen Sports-Investment-Gruppe namens Doyen offen. Doyen gewährte Twente ein millionenschweres Darlehen - und erhielt im Gegenzug Anteile an fünf Spielern. Diese damals legale Praxis, in der Fachsprache "Third Party Ownership" genannt, ist mittlerweile verboten. Besonders heikel war aber eine Zusatzvereinbarung, die Twente verpflichtete, Doyen zu entschädigen, falls der Verein ein Angebot für einen der fünf Spieler ablehnte. Twente gab also die Autonomie über seine Transferpolitik zumindest teils aus der Hand. Der Vereinsboss musste wegen der Affäre gehen, dem Verein droht sogar ein Lizenzentzug durch den niederländischen Verband.

Auch andere umstrittene Doyen-Deals sahen das Tageslicht, ebenso auffällig viele Transfers durch Jorge Mendes - des einflussreichsten Profifußball-Managers. Für Furore sorgten auch Enthüllungen über Transfer- und Arbeitsverträge von Real Madrid, mit teilweise bizarren Folgen. So stand eine Zeit lang im Raum, dass der walisische Stürmer Gareth Bale mit einer Ablöse von 108 Millionen Euro teurer war als sein auch in solchen Dingen eitler Kollege Cristiano Ronaldo; um den Portugiesen bei Laune zu halten, wurde gestreut, dass Ronaldo aufgrund der Zahlungsmodalitäten weiterhin als der teuerste Transfer der Geschichte gehandelt werden darf.

Grundgehalt 6000 Euro, Prämien im zweistelligen Millionenbereich

Andere Enthüllungen nahmen sich da im Vergleich nicht so spektakulär aus - und berührten Dinge, die auf den ersten Blick nicht wirklich fragwürdig wirken: Der Spiegel konnte in den Vertrag von Toni Kroos blicken und stellte fest, dass dessen Salär ziemlich genau der Summe entsprechen soll, die schon vor anderthalb Jahren in den Medien genannt worden war - allerdings auf der Basis von unbestätigten Spekulationen. Ähnliches gilt für die Transfersumme von Mesut Özil: Sie betrug laut Football-Leaks 46 Millionen Euro.

Eine weit sonderbarere Blüte machte Football-Leaks am Dienstag publik: Die Enthüller brachten den Vertrag ans Licht, den der spanische Torwart von Manchester United, David De Gea, gehabt hätte, wenn sein Transfer im Sommer nicht in letzter Minute gescheitert wäre. Demnach sollte er bei Real Madrid ein Grundgehalt von 6000 Euro beziehen. Ja: sechstausend Euro. Allerdings sollte er auch Prämien erhalten - in Höhe von 11 818 182 Euro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: