Eintracht Frankfurt:Das emotionale Comeback von Marco Russ

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Zurück auf dem Platz: Frankfurts Verteidiger Marco Russ. (Foto: REUTERS)
  • Marco Russ von Eintracht Frankfurt steht gegen Bielefeld erstmals wieder im Kader - und kommt gleich zum Einsatz.
  • 285 Tage vorher hatte der Verein mitgeteilt, dass der Abwehrspieler und Kapitän an Krebs erkrankt sei.
  • Die Frankfurter sind sich im Klaren darüber, dass es mit regelmäßiger Spielpraxis noch etwas dauern kann.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Kurz vor dem Abpfiff wurde es dann sehr emotional. Schon als sich an der Seitenlinie der Mann mit der Rückennummer "4" zum Einsatz bereitmachte und seine Trainingsjacke auszog, setzte im Stadion der Jubel ein. Und als der Ball endlich im Aus war und der Schiedsrichter den Wechsel genehmigte, da erhöhte sich die Lautstärke noch einmal - von überall erschollen Marco-Russ-Rufe. Der Profi war dann zwar nur noch für 30 Sekunden auf dem Feld und berührte nicht einmal den Ball, "aber das war mir komplett wurst", teilte er mit. Die Hauptsache für Russ war, dass er überhaupt noch einmal ein Fußballspiel bestreiten konnte, "das habe ich einfach nur genossen", sagte der 31-Jährige.

Es war für die zuletzt formschwache Eintracht ein mühevoller Pokalabend, 1:0 gewann sie dank eines frühen Treffers von Danny Blum (6.) und mehrerer guter Paraden von Torwart Lukas Hradecky gegen unerwartet starke Bielefelder. Aber die Geschichte des Abends aus Frankfurter Perspektive war ohnehin nicht das sportliche Geschehen, sondern das Comeback von Marco Russ - 285 Tage nach der Mitteilung des Vereins, dass der Abwehrspieler und Kapitän an Krebs erkrankt sei. "Eine lange und harte Zeit" sei das gewesen.

Die Leidensgeschichte von Russ begann im Mai 2016 kurz vor dem Relegationsduell gegen den 1. FC Nürnberg um den Verbleib in der ersten Bundesliga. Eine Dopingprobe nach dem Ligaspiel gegen Darmstadt hatte einen besonders auffälligen HCG-Wert ergeben. Diese Substanz wird von Profisportlern oft als Doping eingesetzt, weil sie die Testosteronbildung anregen kann. Ein hoher Wert kann aber auch darauf hinweisen, dass der Körper die Substanz selbst produziert, krankheitsbedingt. Die nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) fordert daher bei solchen Fällen routinemäßig eine klinische Abklärung ein. So auch bei Marco Russ.

Am Tag vor dem Relegationsspiel erhielt der Verein Bescheid. Ein paar Stunden später ging auch bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt die entsprechende Anzeige ein, die aufgrund des neuen Anti-Doping-Gesetzes in solchen Fällen ermitteln muss, und so kam es zu einer Hausdurchsuchung. Zugleich weilte Russ bei Medizinern; um kurz vor Mitternacht informierte der Verein, dass beim Abwehrspieler ein Tumor entdeckt worden sei.

Mit regelmäßiger Spielpraxis kann es noch etwas dauern

Gegen Nürnberg kam Russ gleichwohl noch zum Einsatz und erlebte ein denkwürdiges Spiel: Er schoss ein Eigentor - und sah eine gelbe Karte, wegen der er fürs Rückspiel gesperrt war. Das war bis Dienstagabend sein letzter Profi-Einsatz. Schon in der Woche darauf, als seine Mitspieler im Rückspiel gegen Nürnberg den Klassenerhalt perfekt machten, kam es zur Operation.

Der rechte Hoden samt Samenstrang sei entfernt worden, berichtete Russ später dem Focus. Und in den Wochen danach musste er gleich zweimal eine Chemotherapie durchlaufen. "Während der ersten Chemo war ich überrascht, dass es mir ziemlich gut ging. Die zweite Chemo war dann echt hart", berichtete er. "Ich habe die ganze Woche gelegen, hatte keinen Appetit, keinen Geschmack, ich habe nichts gegessen und nichts getrunken."

Im Oktober erklärten die Ärzte Russ schließlich für geheilt, und seitdem arbeitete er sich Stück für Stück zurück. Zunächst absolvierte er ein individuelles Aufbautraining, im Januar reiste er schon mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Abu Dhabi, und in den vergangenen beiden Wochen absolvierte er alle Einheiten mit dem Team. So stand er nun gegen Bielefeld erstmals seit dem Befund aus dem Mai 2016 im Kader - und kam gleich zum Halbminuten-Comeback. "Eigentlich war es so geplant, dass er später kommt. Manchmal geht es eben anders aus, als man denkt", sagte Frankfurts Trainer Niko Kovac.

Die Frankfurter sind sich aber im Klaren darüber, dass es mit regelmäßiger Spielpraxis noch etwas dauern kann. Russ kennt nur zu gut das Beispiel von Benjamin Köhler, einem früheren Eintracht-Kollegen. Der erkrankte an Lymphdrüsenkrebs und kam nach einer langen Chemo-Behandlung nur noch zu zwei Kurzeinsätzen für Union Berlin. Für Russ ist Fußball nun zwar nicht mehr so wichtig wie früher, aber er dürfte diese Marke wohl schon bald überbieten.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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