Als sie ans Telefon ging und ein paar Sätze gesprochen hatte, musste Dzsenifer Marozsan erst einmal nachfragen, ob die Anruferin sich nicht verwählt hatte. Aber nein, Bundestrainerin Steffi Jones hatte die richtige Nummer eingegeben. Und ja, sie wollte gerne, dass Marozsan künftig die Spielführerin der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen sein würde.
"Ich musste schon erst ein paar Nächte schlafen, bis mir bewusst war: Du machst dein Ding weiter so wie bisher", sagt die 25-Jährige im SZ-Interview (Wochenendausgabe). Sie hatte Respekt vor ihrer neuen Aufgabe, "ich dachte erst, dass mich die Mädels vielleicht nicht so ernst nehmen. Aber sie vertrauen mir und geben mir ein gutes Gefühl. Ich kann ich bleiben."
Eine der weltbesten Fußballerinnen
Seitdem erfüllt Marozsan diese Rolle ganz natürlich. Neben, aber vor allem auf dem Platz ist die Spielmacherin des amtierenden Europameisters nicht zu ersetzen. Für Jones ist sie der Dreh- und Angelpunkt der Nationalmannschaft und als solcher ein entscheidender Faktor auf dem Weg zum siebten Titel in Folge bei der am Sonntag beginnenden EM in den Niederlanden. Das zumindest ist das erklärte Ziel.
Für Marozsan wäre es die Fortsetzung einer schon jetzt beeindruckenden Titelsammlung. Auf den Gewinn der Europameisterschaft (2013) und Gold bei den Olympischen Spielen (2016) folgte allein in diesem Jahr in ihrer ersten Saison mit Olympique Lyon das Triple und die Auszeichnung zur besten Spielerin Frankreichs.
Dabei wäre sie gar nicht Fußballprofi geworden, wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre. Vater János war ungarischer Fußballnationalspieler, Bruder David verletzte sich kurz vor dem Unterzeichnen eines Profivertrages schwer. "Mama hatte eigentlich die Nase voll vom Fußball und hat alles versucht, mich davon abzuhalten", sagt Marozsan. Geklappt hat es nicht - sie ist trotzdem immer zum Kicken auf den Bolzplatz bis die Straßenlaternen ausgingen. Dort, sagt die gebürtige Ungarin, ist sie zu der Fußballerin geworden, die sie heute ist: eine der weltbesten.