Wimbledon:Erwachsen statt rotzfrech

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Souveräner Auftritt: Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev (r.) zieht das erste Mal in seiner Karriere ins Achtelfinale von Wimbledon ein. (Foto: Getty Images)
  • Alexander Zverev gewinnt in drei Sätzen gegen den Österreicher Sebastian Ofner und erreicht das Achtelfinale in Wimbledon.
  • Für Zverev ist es das erste Mal, dass er in einem Grand-Slam-Turnier so weit kommt.
  • Die Auftritte des 20-Jährigen in Wimbledon zeugen von einer Wandlung des einst so unnahbaren Profis.

Von Matthias Schmid, London

Alexander Zverev lächelte, als er den Matchball verschlagen hatte. Einen einfachen Ball, direkt hinter dem Netz in perfekter Höhe. Er hätte ihn nur noch gefühlvoll reinschubsen müssen, sein Gegner hatte schon aufgehört zu laufen. Aber Zverev traf den Ball nicht richtig, mehr mit dem Rahmen als mit der Saite, er landete im Netz. Ziemlich blöd sah das aus.

Doch dass der 20-Jährige den Lapsus einfach weglächelte und nicht seinen Schläger zertrümmerte, hatte einen einfachen Grund: Er hatte im Drittrundenspiel von Wimbledon gegen den Österreicher Sebastian Ofner zwei weitere Chancen, das Spiel zu gewinnen. Den nächsten Punkt machte er dann auch, der Return landete im Aus. Zverev siegte 6:4, 6:4 und 6:2, er ballte nur ganz kurz die Faust. Es war ein zurückhaltender Jubel, fast zu routiniert für das, was Zverev soeben vollbracht hatte. Er steht mit dem lockeren Dreisatzsieg zum ersten Mal in seiner noch jungen Karriere im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers - auch für den hochgelobten Zverev ist das ein großer Sieg. Das nächste Etappenziel auf seiner langen Reise, die ihn irgendwann mal zu einem Grand-Slam-Titel führen soll.

Zverev genoss den Triumph an der Church Road eher im Stillen, den Applaus der Zuschauer auf dem drittgrößten Platz. Hätte ihm in diesem Moment jemand noch einen Cocktail und einen Liegestuhl gebracht, es hätte ins Bild gepasst. Zverev war entspannt wie lange nicht. Zur Pressekonferenz erschien er verspätet, weil er sich noch den ersten Satz seines Bruders Mischa gegen Roger Federer anschauen wollte. Der verlor glatt in drei Sätzen, 6:7 (3:7), 4:6, 4:6. "Leider", sagte Alexander. Dann kam er auf sich zu sprechen. "Es ist sehr speziell für mich, erstmals die zweite Woche erreicht zu haben", gab er zu, "ein Meilenstein."

Wird Zverev vom Bengel zum Erwachsenen?

In diesen Wochen scheint sich bei Zverev eine Verwandlung anzudeuten, vom rotzigen Bengel zum bescheidenen Erwachsenen. Schon beim Turnier in Halle gab er sich nahbarer gegenüber den deutschen Tennisfans, die bisher wenig mit ihm anzufangen wussten, weil sie ihn für arrogant hielten. Zu der Annährung passt auch das Interview in der aktuellen Ausgabe des Spiegel, sein erstes für ein breites deutsches Publikum. "Manchmal wundert es mich, was von mir erwartet wird", stellt er darin erstaunt fest. Dabei hat er die Geister selbst gerufen, drei Turniersiege holte er in diesem Jahr schon und rückte erstmals in die Top Ten vor, sein Sieg in Rom bei einem Masters im Finale gegen Novak Djokovic war sein bisher größter gewesen. Nur bei einem Grand-Slam-Turnier wollte es nicht so recht klappen, in Paris flog er sogar in der ersten Runde raus.

In London scheint sein Spiel langsam ein neues Niveau zu erreichen, er spielt bislang noch entschlossener als vorher, er tritt noch selbstsicherer auf. Vielleicht war es ein verlorenes Spiel vor dem dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres, das seine Entwicklung beschleunigte: In Halle verlor er das Finale gegen Roger Federer, Zverev war chancenlos gewesen gegen den besten Rasenspieler der Welt. Vier Spiele hatte ihm der Schweizer nur gegönnt, eine Vorführung. Aber eine lehrreiche?

Gegen den Überraschungsmann aus Österreich zeigte er sein komplettes Repertoire und taktische Raffinesse. Zverev ist ein junger Spieler, der viele Facetten des Spiels schon verstanden hat. Ihm gelingt es in den meisten Fällen, die Bälle an die richtigen Stelle zu setzen. In Wimbledon spielte er in den ersten Runden viel variabler als noch in Halle, er variierte sein Tempo, spielte auch mal mit viel Unterschnitt und rückte auf dem schnellen Untergrund häufiger ans Netz vor, um die Ballwechsel zu verkürzen.

Fast mühelos gelang es ihm, die Aufschlagspiele von Ofner zu gewinnen. Nur in den ersten Spielen im ersten Satz haderte er ein wenig mit seinem Returnspiel und schmiss den Schläger in die Luft. Zverev braucht so kleine Ausraster, um wieder zu sich und zu seinem Spiel zu finden. "Ich will nur ab und zu meine Wut rauslassen können", sagte er dem Spiegel. "Ich habe das Gefühl, dass ich danach entspannter bin, mich wieder aufs Match konzentrieren kann."

"Ich habe sehr gut gespielt", sagt Zverev

Anders als andere Spieler lässt er sich durch kleine Schreie und Schlägerwerfen nicht herunterziehen. Gegen Ofner, der sich auf wundersame Weise als Weltranglisten-217. aus der Qualifikation heraus in die dritte Runde von Wimbledon gespielt hatte, waren weitere emotionale Entgleisungen nicht nötig. "Ich habe sehr gut gespielt", fand Zverev. Er dominierte die Partie und deutete an, warum Federer und auch Rafael Nadal so viel von dem gebürtigen Hamburger erwarten, auch Siege bei Majorturnieren. Andererseits: Siege gegen den 217. der Weltrangliste werden von ihm inzwischen halt einfach erwartet.

Es kann gut sein, dass er in Wimbledon wieder Federer begegnen wird, nicht im Finale diesmal, sondern schon in der Runde der besten Acht. Davor muss Zverev aber erst einmal im Achtelfinale den Vorjahresfinalisten Milos Raonic aus dem Weg räumen, ein Riese mit einem gewaltigen Aufschlag, wahrscheinlich sein erster echter Gegner in Wimbledon. "Mit seinen Variationen und seiner Länge bringt er jeden Spieler in Schwierigkeiten", hebt Zverev hervor. Um die Aufschläge Raonic' irgendwie simulieren zu können, will er seinen Sparringspartner von der T-Linie mit voller Wucht aufschlagen lassen. "Ich weiß, dass ich gegen ihn auf meine Chance warten muss", sagt Zverev, "aber ich aber ja schon gezeigt, dass ich gegen ihn gewinnen kann." In Rom war das. Anschließend gewann Alexander Zverev das Turnier.

© SZ vom 09.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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