Doppel-Gold für Reiter Michael Jung:König der Buschreiter

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Welch ein Ehrentag: Michael Jung wird an seinem 30. Geburtstag Olympiasieger im Einzel und mit der deutschen Mannschaft in der Vielseitigkeit. Das Einzel-Finale verläuft dramatisch. Jung wähnt sich schon bei Silber - dann patzt die Schwedin Sara Algotsson Ostholt mit ihrem Pferd. Am letzten Hindernis.

Gabriele Pochhammer, London

Schließt die Augen, stellt euch vor, ihr steht auf dem Siegerpodest und für euch wird die Hymne gespielt", hatte Chris Bartle zu Beginn des Olympia-Trainings zu den deutschen Reitern gesagt. "Und jetzt macht sie wieder auf, jetzt machen wir uns an die Arbeit."

Chris Bartle ist Brite, er ist der Trainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter, und irgendwie hat diese psychologische Nummer funktioniert. Denn das deutsche Team gewann im Greenwich Park nicht nur die Mannschaftsgoldmedaille vor Großbritannien und Neuseeland, anschließend wurde Michael Jung auf Sam auch noch Einzel-Olympiasieger und Sandra Auffarth mit Opgun Luovo gewann die Bronzemedaille.

Michael Jung ist seit Dienstag 30 Jahre alt, außerdem ist er seit Dienstag der Meister aller Klassen: Weltmeister, Europameister und deutscher Meister war er schon vorher, nun ist er der erste Reiter, der dazu noch Olympiasieger ist. Für die deutschen Vielseitigkeitsreiter ist es das vierte Mannschaftsgold, Jung ist nach Ludwig Stubbendorff (1936) und Hinrich Romeike (2008) der dritte deutsche Olympiasieger in der Vielseitigkeit.

Doch es war verdammt knapp im Springen um die Einzelmedaillen. Jung ließ sich bereits zur Silbermedaille gratulieren - doch dann trat Wega, das Pferd seiner Konkurrentin, der Schwedin Sara Algotsson-Ostholt, am letzten Hindernis gegen eine Stange. Noch beim ersten Springen um die Mannschaftswertung hatte es so ausgesehen, als ob Wega, die Schimmelstute, an diesem Tag keinen Fehler mehr machen würde, so sicher und souverän übersprang sie alle Stangen.

Im ersten Moment sei die Enttäuschung riesig gewesen, sagte Algotsson-Ostholts deutscher Ehemann Frank Ostholt, aber nur kurz, dann habe man über Silber gejubelt. Jung und sein Pferd waren ja würdige Sieger.

Und dann sorgte Sandra Auffarth mit Opgun Luovo für die Vollendung des deutschen Glücks, wenngleich das nicht überraschend kam: Die 25-Jährige ritt zwei souveräne Runden im Parcours, jeder Galoppsprung reif fürs Lehrvideo, nur im Gelände wollte ihr Fuchs am Anfang schneller als die Reiterin; am Ende fehlte ihm etwas die Kraft.

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Sie hat es schon wieder getan: Über 200 Meter Lagen schwimmt die 16-jährige Chinesin Ye Shiwen allen davon und holt ihr zweites Gold. Die US-Turnerinnen besiegen die Rekord-Olympiasiegerinnen aus Russland, die Kasachin Maija Manesa hebt olympisches Rekordgewicht in ihrer Klasse.

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Drei Medaillen also, das war die Bilanz der Reiter nach diesem denkwürdigen Dienstag, sie bescherten damit nicht nur sich selbst ein großes Fest, sondern gleich der ganzen Nation: So sehnlich hatte Deutschland ja auf die erste Medaille bei diesen Olympischen Spielen gewartet, dass Michael Vesper, der Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), rausgefahren war nach Greenwich, in der Hoffnung, dabei sein zu können, wenn Deutschland die erste Goldmedaille gewinnt. Die Fahrt in Londons Südosten hatte sich gelohnt. Die Reiter jubelten und fielen sich in die Arme, und die Funktionäre atmeten erleichtert auf.

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Vesper versprach sich natürlich vom Erfolg der Buschreiter gleich eine "Initialzündung". Wenn man so will, hatten bereits die Mannschaftsreiter eine solche hingelegt: Ihr Gold war die erste Medaille des Tages, eine überaus souverän gewonnene dazu. Ingrid Klimke auf Butts Abraxxas, die letzte Starterin, ritt bereits als Olympiasiegerin ein, dank der Nullrunden von Jung, Auffahrth und auch Dirk Schrade auf King Artus war der Sieg bereits sicher. Klimkes Pferd Butts Abraxxas ist ein unzuverlässiges Springpferd und hat seiner Reiterin schon mehrere Championatsmedaillen durch Abwürfe vermasselt - diesmal ließ das Tier es bei zwei Fehlern bewenden.

Als es dann geschafft war, als Jung mit seiner Nullrunde seine Medaille schon sicherte, lief Trainer Chris Bartle an die Absperrung und umarmte Jungs Mutter Brigitte. Bei den Reportern stand Reit-Bundestrainer Hans Melzer, er blickte stolz auf Kameras, Mikrofone und Notizblöcke. Als jemand fragte, wie man sich fühlt, das heiß ersehnte erste deutsche Gold gewonnen zu haben, da nahm er geradezu Haltung an. "Wir werden heute Abend ganz stolz durchs Olympische Dorf marschieren", sagte er: "Falls wir da noch hinkommen. Feiern werden wir woanders, im Dorf gibt es nämlich nur Wasser und Limonade." An diesem Mittwoch muss Melzer dann seine Akkreditierung an Springreiter-Bundestrainer Otto Becker abgeben.

Und die Briten? Sie gaben sich Mühe, sich über das Mannschaftssilber zu freuen. Sie haben viel investiert in diesen Sport und es als nationale Aufgabe angesehen, endlich die Goldmedaille zu holen, die sie zuletzt 1972 in München gewannen. Wie die deutschen Reiter meisterten alle fünf Briten den Geländekurs mit Bravour, unter ihnen Zara Phillips, die Enkelin der Queen. Ausgerechnet Zara Phillips aber vergeigte mit sieben Strafpunkten im Parcours - einem Abwurf plus drei Zeitfehlern - das Gold für die Briten. Entsprechend enttäuscht war Phillips, ihr Lächeln fand sie erst nach ihrer Nullrunde in der Einzelwertung wieder; ein Jubeln aber wurde es nicht mehr. Das Teamgold war da schon zu Silber geworden.

Später, nachdem Michael Jung mit seinen zwei Goldmedaillen zum Held des Tages geworden war, stand er am Zaun und schrieb Autogramme, er sah selig aus. Jung ist ein eher zurückhaltender Typ, irgendwann wurde er auf seine historische Leistung angesprochen, alle drei großen internationalen Titel nacheinander gewonnen zu haben. Jung sagte: "Das ist ein unbeschreibliches Gefühl."

© SZ vom 01.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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