Doping-Urteil gegen Armstrong-Helfer:Mit besten Grüßen aus Übersee

Zwei Ärzte und ein Radtrainer werden in der Affäre um Lance Armstrong lebenslang für eine Tätigkeit im Sport gesperrt, wegen "einer der schlimmsten Doping-Verschwörungen". Die Verstrickungen der Verurteilten reichen bis ins aktuelle Tour-Geschehen. Und nicht nur das: Auch andere Sportarten dürften von dem Richterspruch betroffen sein.

Andreas Burkert

Das sei "so ziemlich das Letzte", was er lesen wolle, sagte David Brailsford, auf diese betrübliche Episode eines verhafteten Radprofis unter Dopingverdacht könne er verzichten. Der kahl geschorene Waliser ist Manager des Sky-Rennstalls, der sich anschickt, Bradley Wiggins zum ersten Toursieg eines Engländers zu chauffieren.

Tour de France  20. Etappe - Lance Armstrong

Rad-Legende Lance Armstrong: Rückschlag durch Urteil gegen seine Mitstreiter.

(Foto: dpa/dpaweb)

Die Affäre um den festgesetzten Franzosen Rémy Di Gregorio betrübt das Feld, doch das Grundsatzthema dahinter bleibt der Tour de France erhalten. Denn was da täglich zum früheren Tour-Regenten Lance Armstrong, 40, aus Übersee nach Europa dringt, tangiert auch das Peloton.

In den USA hat die Anti-Doping-Agentur (USADA) im Zusammenhang mit der Dopingklage gegen Armstrong erstmals drei seiner langjährigen Vertrauten mit einer lebenslangen, im Grunde weltweit gültigen Sperre für eine Tätigkeit im Sport belegt. Das Trio unterhielt bisher zahlreiche Kontakte ins Feld. Aber nicht nur dort.

Der als Dottore Epo längst gebrandmarkte italienische Sportarzt Michele Ferrari, der spanische Trainer Pepe Marti sowie dessen Landsmann Luis Garcia del Moral, ein Sportmediziner, waren Beschuldigte in der Sammelklage der USADA gegen Armstrong als mutmaßliche Mitglieder einer Dopingverschwörung in den Teams des siebenmaligen Toursiegers (1999 - 2005).

Im Gegensatz zu Armstrong - der die Vorwürfe zurückweist und nun seine zunächst abgewiesene Beschwerde gegen die USADA-Klage überarbeitet eingereicht hat - ließen die alten Gefährten die Erklärungsfrist verstreichen. Die USADA verurteilte Armstrongs Teammitglieder wegen des Besitzes und Handels von Dopingmitteln wie Epo, Testosteron und Wachstumshormonen sowie wegen Blutdopings und anderen Verfehlungen.

Das Trio habe "eine der schlimmsten Doping-Verschwörungen des Sports aufrecht erhalten", äußerte USADA-Chef Travis Tygard. Niemand habe zwar etwas zugegeben, "aber sie kennen die Beweise, die wir ihnen unter Eid präsentiert hätten, und haben deshalb eine Alternative gewählt: Sie werden nicht daran teilnehmen". Tygard meinte das wahrscheinliche Verfahren gegen Armstrong vor einem Schiedsgericht. Es soll im Herbst stattfinden, sofern die US-Justiz, wie erwartet, erneut Armstrongs Beschwerde gegen das seiner Meinung nach unzulässige USADA-Verfahren ablehnt. Der USADA gegenüber kann er sich nun binnen 30 Tagen erklären.

Für Armstrong ist der Verlust der drei Mitstreiter ein weiterer Rückschlag; zumal die USADA nun erstmals schwarz auf weiß in einer Urteilserklärung von einem Dopingsystem in seinen Teams US Postal und später Discovery schreibt. Die Zusammenarbeit mit Ferrari, der bereits in Italien mit lebenslanger Sperre für eine Tätigkeit im Sport belegt war, lief laut USADA von 1999 bis 2006. Pepe Marti (Valencia) firmierte bei den Teams sogar bis 2007 als Trainer (später Team Astana). Und del Moral war von 1999 bis 2003 offiziell Teamarzt, danach betreute er als Teilhaber eines Sportinstituts individuell Fahrer, darunter mehrere US-Postal-Klienten.

Verurteilter Arzt betreute zahlreiche Sportler

Für den Radsport wird mit dem ersten Urteilsspruch der USADA nicht nur der systematische Betrug in den Sportgruppen des einstigen Idols konstatiert. So ist nun beispielsweise auch jemand wie Marti als Doper zu bezeichnen, der noch immer Zugriff ins Peloton besitzt: Er gilt seit 2006 als persönlicher "Coach" des spanischen Toursiegers Alberto Contador, der bis zum 5. August wegen Clenbuterol-Dopings gesperrt ist. Dann gibt er im Team der aktuellen Tour-Mannschaft Saxo sein Comeback.

Auch Ferrari soll laut italienischen Ermittlern bis zuletzt viele Dutzend Profis betreut haben, vornehmlich Landsleute. Wie Giro-Gewinner 2011 Michele Scarponi. Er fährt momentan, trotz einer drohenden Sperre, wegen des Ferrari-Kontakts - durch Frankreich. Mittwoch wurde er Tageszweiter.

Aber nicht nur der Radsport steht wegen der Sperre von Armstrongs einstiger Entourage am Pranger. Denn die Personalie Del Moral reicht weit über die Nische Radsport hinaus.

Bis Mittwochmorgen konnte man auf der Homepage der Performa SportConsulting in Valencia unter seinem Namen als Referenzen neben Armstrong auch dies lesen: Direktor des städtischen Instituto de Medicina del Deporte, Betreuung des spanischen Radnationalteams (1993 - 1998 und Olympia 2000) - sowie der Fußballer des FC Valencia und des FC Barcelona; wobei die Weltmarke Barça nach bisherigen Erkenntnissen nur in der Saison 2003/04 zu seinen Klienten zählte.

Auch betreute Del Moral an der Tennis-Akademie Valencia seit 2006 Topspieler wie Sara Errani, Dinara Safina, David Ferrer oder Marat Safin. Der Geher Francisco Fernández, Medaillengewinner bei Olympia 2004 und später wegen Dopingmittel-Besitzes gesperrt, nannte Del Moral als seinen Sportarzt.

2006 erschütterte den Radsport der Dopingskandal um den spanischen Blutmischer Eufemiano Fuentes. Le Monde berichtete damals von Verbindungen des Arztes zu den Fußballteams von Real Madrid und Barça. Die Zeitung musste die Darstellung zurücknehmen. Pat McQuaid, Chef des Radsport-Weltverbands UCI, äußerte damals Zweifel am sauberen spanischen Zauberfußball: Unter den rund 200 Fuentes-Kunden seien nur rund 60 Radprofis gewesen, der Rest verteile sich auf Fußball, Leichtathletik, Schwimmen und Tennis.

Der Ire McQuaid ist am Mittwoch vor der zehnten Touretappe gefragt worden, was er von den Entwicklungen in der Dopingklage Armstrong und dem für den Fall einer Verurteilung wahrscheinlichen Verlust der sieben Toursiege des Texaners halte. "Das wäre kein Desaster für den Sport", sagte der Chef der umstrittenen UCI, die Armstrong stets protegierte. "Denn der Beginn der Affäre liegt 15 Jahre zurück, und die Leute schauen nur nach vorne und wissen, dass sich der Radsport verändert hat."

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