Doping im Tennis:Es müssen Mamas Tortellini gewesen sein

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Dopingfall mit ungewöhnlichen Vorzeichen: Die Italienerin Sara Errani – French-Open-Finalistin des Jahres 2012 – ist für zwei Monate gesperrt worden. (Foto: imago)
  • Die Tennisspielerin Sara Errani erklärt ihren positiven Dopingtest mit kontaminierter Tortellinibrühe.
  • Der Weltverband glaubt ihr, die Strafe fällt gering aus. Doch der Fall wirft Fragen auf.

Von Johannes Knuth, München

Die Italiener verzeihen einiges, aber kein schlechtes Essen. Schon gar keine schlechte Pasta. Der Trainer Carlo Ancelotti berichtete unlängst, dass er nicht nur Fußballmannschaften befehlige, sondern auch das familiäre Weihnachtsdinner komponiere. Zum Hauptgang gebe es gekochtes Fleisch, zum Dessert italienischen Weihnachtskuchen, und davor, klar: Tortellini in Fleischbrühe, die Ancelotti selbst zubereite. "Diese Tradition wird hochgehalten!", sagte er. Noch keine Tradition ist es, dass Tortellini in Fleischbrühe auch positive Dopingtests verursachen. Darauf beruft sich nun aber die Tennisspielerin Sara Errani aus Bologna, am Montag wurde sie für zwei Monate gesperrt.

Positiv durch Pasta?

Der Tennis-Weltverband (ITF) teilt mit, man habe in Erranis Urin im vergangenen Februar Letrozol aufgespürt, einen Stoff, der gegen Brustkrebs eingesetzt wird. Ein Tribunal der ITF lud die Spielerin im Juli zur Anhörung. Die 30-Jährige kam mit Mama Fulvia, Papa Giorgio, Bruder Davide, dazu einer Ärztin, Dottoressa Favretto. Die Geschichte, die die Erranis der Jury, Pardon: auftischten, war ein kleines Familiendrama. Errani habe im Februar ihre Eltern in Italien besucht. Die Mutter, eine Apothekerin, habe zwei Krebsoperationen hinter sich und nehme seit fünf Jahren Medikamente, gegen Rückfälle. Darunter auch Letrozol.

Tennisspielerin Sara Errani
:Doping beim Tortellini-Kochen?

Die Tennisspielerin Sara Errani wird wegen einer positiven Dopingprobe für zwei Monate gesperrt - die Erklärung der Italienerin klingt reichlich kurios.

Das habe sie aber der Tochter nicht erzählt, aus Scham. Sie bewahre die Medizin in der Küche auf, die tägliche Essenszubereitung erinnere sie daran, das Mittel regelmäßig zu nehmen. Dabei sei es ihr schon öfters passiert, dass sie zu viele Pillen aus der Packung drückte - eine davon müsse wohl in die Brühe mit den Tortellini gelangt sein. Und später in Erranis Körper.

Errani ließ, nachdem sie die Kunde vom Positivtest erreichte, alle Mittel testen, die sie damals einnahm. Keines enthielt Letrozol. Die Familie stellte sogar den Tortellini-Unfall nach, die Pille habe sich tatsächlich in der Brühe aufgelöst. Dottore Favretto erklärte, dass das Letrozol in Erranis Urin nicht darauf hindeute, dass sie das Mittel regelmäßig nahm. Es müssen also Mamas Tortellini gewesen sein, ganz klar.

Das klingt fast zu absurd, als dass Errani die Geschichte erfunden haben könnte. Allerdings waren Sportler schon immer kreativ, wenn es darum ging, positive Dopingtests zu (v)erklären: Appetitzügler der schwangeren Frau. Verunreinigtes Fleisch. Zahnpasta. Zu viel Whiskey. Zu viel Bier. Potenzsteigernder Tee. Zu viel Sex. Vieles erwies sich als faule Ausrede, mit manchem kamen Athleten durch. Nun also das Brustkrebsmittel in der Tortellinibrühe?

Das Panel der ITF folgte Errani nicht in allen Punkten. Das Tortellini-Experiment erkenne man nicht an. Eine Ärztin des Verbandes erklärte, die Menge in Erranis Urin könne auch von jemandem stammen, der das Mittel gerade absetzte; Errani hätte zudem wachsamer sein müssen. Aber ansonsten fand die ITF die Geschichte ganz glaubwürdig. Es gebe auch "keinen Beweis, dass Letrozol die Leistung eines Tennisprofis steigere". Errani habe zudem eine "unbefleckte" Historie. Die ITF sperrte sie für zwei Monate, bis Anfang Oktober.

Eine erstaunliche Entwicklung, findet Fritz Sörgel. Letrozol ist ja eine Szene-Substanz der Bodybuilder, sagt der Anti-Doping-Experte. Es sei beliebt, weil es leistungsfördernde Effekte von Steroiden verstärke und Nebenwirkungen verhülle, wie Akne. Viele Einsatzfelder also für den Sportbetrug. "Selbst wenn es Hinweise gibt, dass Letrozol erst in der Menopause wirkt - eine junge Sportlerin braucht so ein Medikament nicht, außer zum Verschleiern", sagt Sörgel. Es sei denn, sie nahm es unabsichtlich. Aber in Erranis Erklärungen seien derart viele Zufälle verkettet, dass die Geschichte unglaubwürdig wirke, findet Sörgel. Das Urteil lese sich auch so, als sei die ITF der Sportlerin entgegengekommen, trotz Zweifeln. Anders als früher, als Athleten strenger sanktioniert wurden, wenn sie nicht eindeutig bewiesen, wie eine Substanz in ihren Körper gelangt war. Diese Beweislastumkehr ist "deutlich aufgeweicht worden", so Sörgel.

Auch in Erranis angeblich blütenreiner Vita finden sich manche Flecken. Die Italienerin hob sich vor fünf Jahren überraschend aus dem Mittelmaß, verlor erst im Finale der French Open gegen Maria Scharapowa (die zuletzt mit ihrer Sperre wegen Meldoniums für Wirbel sorgte). Später wurde bekannt, dass Errani mit Luis Garcia del Moral Kontakt hatte. Der war von 1999 bis 2003 Arzt im Rad-Team des Dopingsünders Lance Armstrong, er soll viele Fahrer beim Doping angeleitet haben. Der Radprofi Jesús Manzano behauptete 2007, Garcia del Moral sei einst vor Kontrollen gewarnt worden - von Walter Virú, der wiederum mit dem Dopingdruiden Eufemiano Fuentes arbeitete.

Alles unwahr, wehrte sich Garcia del Moral. Erranis Camp versicherte, der Arzt habe sie nur einmal am Herzen untersucht. Und jetzt? "Ich habe noch nie verbotene Substanzen genommen", teilte Errani mit. Sie sei "extrem enttäuscht", weil sie nun die US Open verpasse. "Aber gleichzeitig bin ich mit meinem Gewissen im Reinen."

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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