Doping im Baseball:Posterboy als Dopingmonster

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Alex Rodriguez: offenbar Kunde bei Anthony Bosch. (Foto: REUTERS)

275 Millionen Dollar für zehn Jahre Baseball: Alex Rodriguez ist einer der bestbezahlten Sportler der Geschichte. In einer Klinik in Florida soll er mit Testosteron und Wachstumshormonen versorgt worden sein.

Von Jürgen Schmieder

Wer auf eine Zeichnung blickt und Mühe hat, bei all den Strichen, Klecksen und Punkten eine klare Struktur zu identifizieren, der kann sich zunächst auf jene Dinge konzentrieren, die nicht zu sehen sind. Das hilft auch beim neuesten Dopingskandal, der derzeit den amerikanischen Sport erschüttert. Auf dem Bild zu erkennen sind: prominente Baseballspieler wie Alex Rodriguez, Melky Cabrara und Nelson Cruz. Der Arzt Anthony Bosch, der sie mit verbotenen Mitteln versorgt haben soll. Dokumente, welche die Verbindung zwischen Arzt und Athleten belegen. Dazu Stellungnahmen von Anwälten, die diese Verbindungen leugnen.

Was bisher fehlt: Ein Statement der Arbeitgeber - also der Klubs-, dass sie ihren Athleten glauben. Dass sie diese beim Kampf gegen die Anschuldigungen unterstützen werden. Radsportteams, Footballvereine, ganze Sportverbände erliegen ja oft erstmal dem Reflex, sich hinter ihre Angestellten zu stellen, wenn diese sich mit Vorwürfen konfrontiert sehen. In diesem Fall indes haben die New York Yankees eine Erklärung abgegeben, ohne ihren Spieler Alex Rodriguez überhaupt zu erwähnen: "Wir unterstützen das gemeinsame Programm (. . .) zur Prävention und Behandlung von Drogen. Von unserer Seite gibt es keinen Kommentar, bis die Untersuchung abgeschlossen ist."

Aus dieser Erklärung kann man wohl schon herauslesen, dass die Yankees Rodriguez nicht mehr glauben - jenem Ausnahme-Baseballer also, dem sie 2007 noch den bestdotierten Vertrag in der Geschichte der Major League Baseball (MLB) aufdrängten: ein Gehalt von 275 Millionen US-Dollar für zehn Spielzeiten. Die MLB präsentierte am Dienstag ebenfalls keine Unterstützung: "Wir sind immer sehr enttäuscht, wenn wir von potenziellen Verbindungen von Sportlern und dem Gebrauch leistungsfördernder Mittel erfahren."

Der 37 Jahre alte Alex Rodriguez ist einer der bekanntesten und profiliertesten Sportler der USA: drei Mal wertvollster Spieler der Saison, 14 Mal im All-Star-Team, 2009 gewann er mit den Yankees den Meistertitel. Dazu: Affären mit Madonna, Kate Hudson und Cameron Diaz. Einer, dessen Foto sich Kinder als Poster ins Zimmer hängen. Aber nun bröckelt die glamouröse Fassade. Die Zeitung Miami New Times hat am Dienstag Dokumente veröffentlicht und auch auf ihre Internetseite gestellt, die eine Verbindung zwischen sechs prominenten Baseballprofis, unter ihnen Rodriguez, und dem mutmaßlichen Dopingarzt Anthony Bosch belegen sollen. Es ist gewissermaßen die Ostküstenversion des Balco-Skandals von 2003: Damals wurden Sportler wie Barry Bonds, Marion Jones und Dwain Chambers als Kunden eines kalifornischen Labors identifiziert.

Anthony Bosch betrieb in Florida eine (inzwischen geschlossene) Klinik, die er zuerst Biokem und dann Biogenesis nannte, und die sich darauf spezialisierte, Menschen zu helfen, die Probleme mit dem Älterwerden und der Leistung im Schlafzimmer hatten. In diesem Anti-Aging-Institut half Bosch offensichtlich auch Sportlern, die Probleme mit dem Muskelwachstum und der Leistung auf dem Spielfeld hatten. Auf handschriftlichen Notizen, die ihm zugeordnet werden, sind die Namen vermerkt: Melky Cabrera (Toronto), Bartolo Colon (Oakland) und Yasmani Grandal (San Diego) waren bereits vorher als Doper überführt. Bei Rodriguez, Gio Gonzales (Washington) und Nelson Cruz (Texas) waren die Tests bislang negativ.

Rodriguez wird auf den Zetteln bisweilen Cacique genannt, ein Hinweis auf seine kolumbianische Abstammung. Auf anderen steht sein Spitzname A-Rod, manchmal auch einfach nur: Alex Rodriguez. Es ist detailliert vermerkt, dass Rodriguez wiederholt einen Cocktail an verbotenen Substanzen bekommen haben soll ().

Der Medikationsplan des Arztes Anthony Bosch für "Alex R.": Der Patient sollte demnach das Mittel IGF-1 (Zeile zwei) erhalten, das Insulinproduktion und Muskelwachstum fördert. Dazu "creams" (Zeile vier) und "troches" (Zeile sechs), die Testosteron enthalten. Außerdem GHRP (Zeile acht), ein Mittel, das Wachstumshormone freisetzt. Und schließlich HGH (Zeile zehn): Das Wachstumshormon erhöht die fettfreie Körpermasse und verlangsamt den Abbau von Proteinen und Aminosäuren in der Muskulatur. Alex R. soll der Baseball-Star Alex Rodriguez sein. Screenshot: Miami New Times (Foto: N/A)

Anthony Bosch ist in der Szene wohlbekannt: Er und sein Vater, der auf Kuba geborene Arzt Pedro Publio Bosch, sollen bereits den überführten Doper Manny Ramirez versorgt haben, ihnen werden auch Kontakte nicht nur zu Baseballspielern mit karibischen Wurzeln nachgesagt, sondern zum karibischen Sport allgemein, der ja auch ganz erstaunliche Sprint-Asse hervorbringt. Beweise dafür gibt es indes nicht.

Und zur neuesten Affäre schreibt Boschs Anwalt: "Mister Bosch widerspricht den Behauptungen vehement, dass MLB-Spieler wie Alex Rodriguez oder Gio Gonzalez von ihm behandelt wurden oder mit ihm in Verbindung standen." Das Statement von Rodriguez' PR-Firma, einem auf Krisenmanagement spezialisierten Unternehmen: "Alex Rodriguez war nicht Patient von Mister Bosch, er wurde niemals von ihm behandelt und wurde nie von ihm beraten."

Nur: Schon im Jahr 2002 hatte Rodriguez in einem Interview versichert, niemals gedopt zu haben. Das bekräftigte er drei Jahre später. Als die Beweise im Jahr 2009 erdrückend wurden, setzte er sich - wie kürzlich Lance Armstrong - in ein Fernsehstudio und gab zu, mit Steroiden gedopt zu haben. Aber nur in der Zeit von 2001 bis 2003, als er bei den Texas Rangers gespielt hatte. "All meine Jahre bei den Yankees bin ich clean", sagte Rodriguez. Zeitgleich behauptete er, niemals Kontakt zum kanadischen Dopingarzt Anthony Galea gehabt zu haben. Kurze Zeit später gab Galea selbst die Kontakte zu.

Es wäre untertrieben, diesen Alex Rodriguez als muskulös zu bezeichnen, der ganze Kerl ist ein einziger Muskel. Und nicht wenige glauben, dass seine nun älter werdenden Knochen diese Muskelmasse nicht mehr tragen können. Erst im Januar musste er erneut an der Hüfte operiert werden. Sollte Rodriguez tatsächlich des Dopings überführt werden, droht ihm laut der Regularien der MLB als Ersttäter - er wurde ja noch nie erwischt - eine Strafe von 50 Spielen. Die würde er aufgrund seiner Verletzung jedoch ohnehin verpassen.

© SZ vom 31.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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