Doping-Bericht im Radsport:Mehr als nur zwei Fieslinge

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Hein Verbruggen (links) im Gespräch mit Lance Armstrong (Foto: AFP)

Wie absurd der Filz um Lance Armstrong war, legt der Doping-Report einer Kommission offen. Die Enthüllungen zielen eher auf Personen ab als auf ein komplettes System. Der Weltverband darf schließlich nicht beschädigt werden.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Was ist zu erwarten, wenn der Sport sich selbst untersucht? Der Fußballweltverband Fifa hat mit seinem Bericht zur WM-Vergabe 2018/22 an Russland und Katar ein schönes Beispiel gesetzt. Wäre dieses Papier über gelöschte Festplatten auf russischen Mietcomputern und Geldflüsse aus Katar, die keinen Bezug zur WM-Vergabe haben, ein bisschen amüsanter getextet: Was für ein Schenkelklopfer!

Nun also die Circ, die sich der Vergangenheit des Radsports gewidmet hat. Ihr Bericht folgt der Schnittlinie, die der Weltverband UCI unter dem Briten Brian Cookson zur Ära von dessen affärenumwitterten Vorgängern zieht, zum Niederländer Hein Verbruggen und zum Iren Pat McQuaid. Das führt dazu, dass die beiden - wohlverdient - jede Menge Keile abkriegen und ihr absurder Filz mit Lance Armstrong zutage tritt: Verbruggen, der dem Texaner ständig Sonderrechte gewährte; McQuaid, der offenbar sogar einen Deal für Armstrongs Comeback einfädelte - und profitierte, indem er den Star für die Irland-Tour verpflichtete, die sein Bruder betreute. Das offenzulegen, ist ein Verdienst der Circ.

Nie konsequent zu Ende geführt

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Andererseits misslingt ihr Versuch, Verbruggen und McQuaid als Fieslinge vorzuführen - ohne dass dabei auch die UCI beschädigt wird. Dieser Versuch wirft das fromme Werk in die Grundstellung allen Funktionärstums zurück: Läuft was aus dem Ruder, sind stets verpeilte Individuen schuld, die Institution selbst aber und ihre Mitläufer sind Opfer. Insofern führt der Circ-Report bei einzelnen Beispielen nie konsequent zu Ende, dass korrupte Vorgänge vorliegen. Oder wie heißt das sonst, wenn Armstrong von McQuaid ein Sonderstartrecht für die Tour Down Under erhält und im Gegenzug beim Irland-Kreisel von dessen Bruder mitradelt? Und wenn Verbruggen der Welt einen unabhängigen Report zu Armstrongs frühen Epo-Fällen verkündigt - der aus der Feder der Armstrong-Anwälte stammt?

Da wundert nicht, dass die Circ wenig Probleme mit der Frage hat, was genau aus Armstrongs satten Geldspenden an die UCI wurde. Hauptsache, es lassen sich Posten in den Büchern zuordnen. Was aber dahintersteckt, wenn ein massiv verdächtiger Topathlet derart irrwitzige Spendensummen ausreicht: Nein, das mag sich die Circ nicht ausmalen. Es kann sich aber jeder denken.

Die Ciric entlarvt, dass auch sie nur ein Kind des herrschenden Sportsgeists ist. Journalistische Recherchen, die erste Risse am texanischen Denkmal bewirkten, belegt sie mit ethischen Fragezeichen. Und sie tadelt "Indiskretionen", die aus der UCI an die Presse gelangten und die Aufklärung behindert hätten - statt eine "effektivere Überwachung Armstrongs" zu ermöglichen.

An solchen Sätzen erstaunt, dass die Circ nicht selbst darüber lacht: Die Überwachung Armstrongs zu jener Zeit lag ja bei dessen Freund Verbruggen. Zu dumm also, dass in der Sache später durch unabhängige US-Instanzen auch noch richtig ermittelt wurde. Sonst wäre der Texaner heute auch nach Circ-Maßstäben nur einer, der ein paar Fehler gemacht und dafür eine gewisse Auszeit verdient hat.

© SZ vom 10.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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