Die Erkenntnisse sind klar und schonungslos formuliert. Der Radsport-Weltverband UCI "verteidigte oder schützte Lance Armstrong und traf Entscheidungen, weil sie für diesen vorteilhaft waren", heißt es im 227-seitigen Abschlussbericht der "Cycling Independent Reform Commission" (CIRC). Der Verband hat sie vor gut einem Jahr eingesetzt, um die Doping-Vergangenheit der Sportart zu untersuchen.
In seinem Abschlussbericht zeigt das Gremium, wie der überführte Dopingsünder Armstrong vom Verband behandelt wurde. "Die UCI befreite Lance Armstrong von Regeln", heißt es an einer Stelle. "Sie verpasste es, ihn trotz Verdächtigungen gezielt zu testen und unterstützte ihn öffentlich gegen Dopinganschuldigungen." Der Bericht bezeichnet das Verhalten der UCI-Führung als "unklug". Es gab drastische Versäumnisse.
Viele andere Fragen werden in dem Report jedoch nicht oder nur unzufriedenstellend beantwortet. Die Vorwürfe, dass die UCI positive Dopingproben aktiv vertuschte und dafür Geld von Armstrong erhalten haben könnte, kann die Untersuchungskommission nicht bestätigen. Sie findet allerdings auch keine schlüssigen Gegenbeweise. "CIRC hat keine Belege für Korruption gefunden", heißt es auf Seite 166. Dazu schickt sie giftige Grüße an die Radrennfahrer Tyler Hamilton und Floyd Landis, die diese Vorwürfe vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur geäußert hatten: Es sei unglücklich, derart ernste Anschuldigungen in der Öffentlichkeit zu tätigen.
Nach der Lektüre stellt sich die Frage: Wie tief bohrte die Kommission wirklich? Der CIRC gehören neben Dick Marty, einem ehemaligen Schweizer Staatsanwalt, der deutsche Jurist Ulrich Haas und Peter Nicholson an. Letzterer war Militärangestellter und hat Erfahrung mit Kriminalfällen. In den vergangenen 14 Monaten befragten sie 174 Zeugen: Radprofis, Mediziner, Journalisten, Mitarbeiter von Anti-Doping-Organisationen, Veranstalter. Manche Anhörungen zogen sich über mehrere Tage hin.
Das Ziel lautete: die Doping-Vergangenheit im Radsport zwischen 1998 und 2013 aufzuklären. Der Weltverband rühmte sich - anders als Organisationen wie die Fifa - auf größtmögliche Transparenz zu setzen. Deswegen ist der Abschlussbericht nun im Internet einsehbar. Doch um einen Enthüllungsbericht handelt es sich nicht.