DFB-Pokal: Bayern-Gegner:Raute, Dreiecke, schnelle Pässe

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Sechstligist SpVgg Neckarelz gönnt sich vor dem Pokalspiel gegen die Bayern sogar ein Hotel. Das Los hat dem Verein einen Medienhype beschert.

Tobias Schächter

Oh, der Schwechi, hör' auf", wiegelt Peter Hogen lachend ab: "Die jungen Typen kennen solche Pokalhelden nicht mehr. Wenn ich mich vor meine Truppe stelle und erzähle denen vom Schwechi, dann denken die, ich erzähle ihnen von böhmischen Dörfern." Peter Hogen hat mit Thomas Schwechheimer, den alle nur Schwechi nennen, Mitte der neunziger Jahre zusammen beim FV 09 Weinheim gespielt.

Kleiner Verein, großer Tag: Die SpVgg Neckarelz empfängt den FC Bayern. (Foto: Foto: dpa)

Lange ist das her. Der FV 09, der 1990 den FC Bayern München durch ein Tor von Schwechheimer aus dem DFB-Pokal geworfen hat, heißt mittlerweile TSG Weinheim und Peter Hogen, 48, der in seiner aktiven Zeit rund 300 Spiele für den VfR Mannheim bestritten hat, ist seit acht Jahren Trainer der SpVgg Neckarelz.

An diesem Samstag kommen die Bayern wieder zu einem DFB-Pokal-Erstrundenspiel nach Nordbaden, 30.150 Zuschauer werden in der Rhein-Neckar-Arena zu Sinsheim erwartet. Genau so viele übrigens wie eine Woche später, wenn der Rekordmeister zum Bundesligaauftakt bei der TSG 1899 Hoffenheim antritt. Doch an diesem Sonntag heißt der Gegner der Bayern SpVgg Neckarelz, und Peter Hogen sagt: "Ich mache mir keinen Kopf, wenn wir abrasiert werden."

Vergangenen Mittwoch war der Trainer des Herausforderers aus der sechsten Liga in München und kehrte beeindruckt nach dem 4:1 der Bayern im Test gegen den AC Mailand zurück. "Die bauen aus der Raute heraus immer Dreiecke auf und spielen dann mit schnellen Pässen nach vorne. Das müssen wir, so oft es geht, verhindern", sagt Hogen. Doch er weiß: Er kann so viel tüfteln wie er will, die Bayern werden am Ende eine Nummer zu groß sein für den rangtiefsten Pokal-Teilnehmer. Eine Sensation haben sie in Neckarelz ohnehin mit dem Gewinn des badischen Pokals schon geschafft, im Endspiel besiegten sie die Profis vom Drittligisten SV Sandhausen.

Die SpVgg Neckarelz ist nicht der FV 09 Weinheim von 1990 oder der VfB Eppingen, der einst den HSV aus dem Pokal kegelte. Die SpVgg ist ein Verein mit einem Etat von 120.000 Euro und außer Rolf Lang, Marc Ritschel, Alexander Welz, Christian Fickert und Heiko Throm ist kaum einer im jungen Team je über die Verbandsliga hinaus gekommen. Eine dritte Pokalsensation in Baden scheint unwahrscheinlicher zu sein als eine Deutsche Meisterschaft des VfL Bochum. "Ich will nur, dass das Spiel nicht so schnell entschieden ist. Aber wie es kommt, ich werde es ertragen", sagt Peter Hogen, Betriebsleiter einer Diakonie, die sich um psychisch Kranke und Langzeitarbeitslose kümmert.

Ein "Gspusi" in München

Erstmals in der 88-jährigen Vereinsgeschichte wird die Mannschaft der SpVgg vor einem Spiel im Hotel übernachten, und der Trainer hat zuletzt ein wenig mehr Wert auf Schnelligkeitstraining gelegt, als dies in dieser Phase der Vorbereitung eigentlich üblich ist. Ohnehin war in den letzten Wochen "alles anders hier", erzählt Hogen.

Ständig kamen Reporter und Fernsehteams in den Neckar-Odenwald-Kreis, seit das Los den Neckarelzern die großen Bayern bescherte. Wie das halt immer so ist, wenn durch Losglück im Pokal ein kleiner Klub sich für einen Moment größer fühlen darf als er ist. Hogen gibt zu: "Ich bin froh, wenn es vorbei ist." Durch den Medienhype sind die Spieler und der Klub zu lokalen Berühmtheiten aufgestiegen. Etwas unheimlich ist dem Trainer das schon: "Natürlich wollen alle in der Liga jetzt Neckarelz schlagen." Und Neckarelz will in die Oberliga.

Die plötzliche Popularität der SpVgg nutzen auch Lokalpolitiker, schließlich steht endlich einmal der Ortsteil der 25.000 Einwohner großen Kreisstadt Mosbach an der Peripherie der Metropolregion Rhein-Neckar im Mittelpunkt des Interesses. Von den Zentren Heidelberg und Mannheim fühlen sie sich im Neckar-Odenwald-Kreis ja nicht nur geographisch an den Rand gedrängt. Hier bauen sie auf Tourismus und wollen die Bühne, die ihnen die SpVgg bietet, zur Werbung nutzen.

Rund 300.000 Euro wird das Spiel in die Klubkasse spülen. Einen kleinen Betrag davon werden sie 1899 Hoffenheim abgeben, das Organisation und Durchführung in Sinsheim übernommen hat. In Neckarelz konnten sie nicht spielen, und Mannheim lag als Austragungsort zu weit weg von der Heimat. Das Geld werde man aber nicht in Profifußballer investieren, versichert Vereinspräsident Thomas Ulmer.

Mit Profis im Amateurbereich fördere man "nur neue Hartz IV-Empfänger", glaubt der Mediziner, der für die CDU im Europaparlament sitzt. Ohne den "Doc" (Hogen) geht seit 24 Jahren nichts bei der SpVgg. Beachtliche 120 Kilogramm bringt der vollbärtige Funktionär auf die Waage, er sitzt am Sonntag neben Trainer Hogen auf der Bank. Als nach der Auslosung 500 Menschen im Vereinsheim eine riesige Party feierten und der Trainer so hoch "wie nie zuvor" in seinem Leben gesprungen war, da hat der "Doc", 52, einem Reporter gesagt: "München passt schon, da hatte ich ganz früher mal ein Gspusi."

© SZ vom 01.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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