DFB-Gegner Gibraltar:Anwalt, Polizist - Tor!

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Trainieren für den Weltmeister: Das Team aus Gibraltar (Foto: REUTERS)
  • Die EM-Qualifikationspartie des DFB gegen Gibraltar bietet einige Merkwürdigkeiten.
  • Gibraltar zählt 29 000 Einwohner, das Stadion in Faro hat mehr Plätze.
  • Und die Kicker im Kader sind Grenzer, Polizisten und Feuerwehrmänner.

Von Oliver Meiler

In Gibraltar ist man schnell mal ein Pionier, sogar ein Held - wenigstens als Fußballer. Da reicht ein Sturmlauf, ein einziger über den rechten Flügel, eine kurze Ballannahme, ein satter, flacher Schuss, ein Tor. Im EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland, Ende März im Hampden Park zu Glasgow, gelang dem Polizisten und Halbprofi Lee Casciaro nach schönem Zuspiel des Anwalts Aaron Payas der erste Treffer in einem Pflichtspiel der gibraltarischen Nationalelf, seit ihr Verband der Uefa angehört. Es war das zwischenzeitliche 1:1.

Wenn man den Herrschaften in Rotweiß beim Torjubel zusah, hatte es den Anschein, als erfüllten sich da gerade alle Sehnsüchte auf einmal. Daheim, unter dem Affenfelsen, lief die Szene wohl in der Endlosschleife. Ein Triumph, eine Heldentat. Das Spiel ging dann noch 1:7 verloren, Casciaros Premiere reduzierte sich zum Trostpflaster.

Doch wer möchte in solchen Momenten schon kleinlich sein? Gegen Deutschland trägt Gibraltar nun schon sein sechstes offizielles Spiel aus, den Kuriositätenstatus konnte man mittlerweile abstreifen. Auch die Empörung der Spanier, die aus alten politischen Ressentiments den Gibraltareños den Weg in die Uefa zu versperren versucht hatten, hat sich gelegt. Und obwohl niemand behaupten wollte, die kleine britische Kronkolonie an der Südwestspitze des Kontinents habe die sportlichen Dimensionen des europäischen Fußballs fühlbar erweitert, ging ihre Etablierung doch erstaunlich schnell vonstatten. Sie gehört dazu, wenn auch als dankbarer Gegner.

Mehr Plätze als Gibraltar Einwohner

Die fünf bisherigen Spiele gingen alle hoch verloren, 1:27 Tore. Vielleicht gelang Gibraltar sein bisher bestes, forschestes Spiel im Herbst 2014 in Nürnberg gegen den Weltmeister. Jedenfalls fand man nach der 0:4-Niederlage gegen die deutsche Elf, ganz so galaktisch groß sei der Unterschied, mit Verlaub, doch nicht.

Dann kam eine lange Spielpause. Und Gibraltar entließ seinen Coach, Allan Bula, dem ein großer Anteil zugeschrieben worden war beim Lobbyieren für die internationale Aufnahme des Verbands. Fünf Jahre war Bula im Amt gewesen. Für ihn kam der Schotte Dave Wilson, der seinen Einstand im heimatlichen Glasgow gab - und darob sehr emotional wurde.

An der Aufstellung änderte er nichts, die Alternativen sind ja auch begrenzt: Gibraltar zählt 29 000 Einwohner. Die meisten Kicker entstammen dem Kader von Rekordmeister Lincoln Red Imps, einem Ensemble aus Grenzern, Polizisten, Feuerwehrmännern. Seit 2003 verlor man keine Meisterschaft mehr. Auch Casciaro spielt für Lincoln. Er ist jetzt 33, für große Zukunftshoffnungen wohl schon etwas zu alt. Auf Twitter folgen dem Helden gerade mal 940 Follower.

Zu den Sonderbarkeiten von Gibraltars Fußball gehört auch die Stadionfrage. Das Territorium ist so klein und wegen des mächtigen Felsens in seiner Mitte topografisch so schwierig gestaltet, dass es nur ein ausgewachsenes Fußballstadion gibt, das Victoria Stadium beim Flugplatz. Dort spielen alle Teams Gibraltars. Da das Stadion aber einen Kunstrasen hat und das neue noch im Bau ist, muss die Nationalmannschaft ihr Heimspiel gegen Deutschland wieder im Ausland austragen - 395 Kilometer weit weg: im portugiesischen Faro, im dortigen Estádio Algarve.

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Das ist zwar schmuck und bietet mehr Plätze, als Gibraltar Einwohner hat. Doch es ist halt schon sehr weit weg. Der Verband gibt den reisewilligen Anhängern ein sechsseitiges Werk mit Reiseratschlägen zur Hand in der Hoffnung, dass es möglichst viele sein werden. Es könnte ja sein, dass sich wider alle Gesetzmäßigkeiten wieder Historisches zuträgt. Vielleicht das erste Tor in einem offiziellen Heimspiel, auch wenn es in der Fremde stattfindet.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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