DFB-Elf vor dem Georgien-Spiel:Löw träumt von Robben und Costa

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Vermisst die Tödlichkeit vor dem Tor: Bundestrainer Joachim Löw. (Foto: REUTERS)
  • Der DFB-Elf gelang gegen Irland kein Tor, oft spielte die Mannschaft ohne Durchschlagskraft.
  • Bundestrainer Joachim Löw hätte gerne Spieler wie Arjen Robben oder Douglas Costa, die mehr Gefahr bringen.
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Von Christof Kneer

Jetzt aber, jetzt würde es klappen. Jonas Hector kam auf der linken Seite endlich einmal durch, und sein Pass in die Mitte landete weder bei Marco Reus noch bei Mesut Özil, auch nicht bei André Schürrle. Jeder dieser drei Empfänger wäre an diesem Abend die Garantie dafür gewesen, dass das wieder nichts wird mit einem deutschen Torerfolg, aber der Ball kam ja zu Thomas Müller. Thomas Müller ist der Spieler, der seit Wochen selbst aus hundert Metern Entfernung eine Ameise trifft. Müller holte also aus in dieser 78. Spielminute, er zielte - und schoss weit vorbei.

Die deutsche Nationalmannschaft hat auch danach kein Tor mehr geschossen in jenem vorletzten EM-Qualifikationsspiel in Dublin, in dem sich der Weltmeister schon endgültig qualifizieren wollte für die EM im kommenden Sommer in Frankreich. Durch die 0:1-Niederlage gegen die Iren haben die Deutschen ein Endspiel erreicht, aber es ist ein Endspiel, das eigentlich unter der Würde eines Weltmeisters ist. Einen Punkt braucht Joachim Löws Mannschaft im Heimspiel gegen Georgien noch, um ganz sicher zu gehen; niemand zweifelt daran, dass das gelingen wird, wobei auch niemand daran gezweifelt hat, dass die Deutschen mindestens diesen einen Punkt schon aus Irland mitbringen würden.

Jede Chance kann die letzte sein

Einstweilen gehen alle im deutschen Lager davon aus, dass das Spiel in Irland nur ein kleiner Betriebsunfall war, an den sich auf den Fanmeilen kein schwarz-rot-gold angemalter Mensch mehr erinnern wird, wenn die Mannschaft im Juli im EM-Halbfinale steht. Der zuständige Bundestrainer allerdings wird dafür bezahlt, dass er dieses Irland-Spiel nicht aus seinem Gedächtnis streicht. Es ist ein Spiel, mit dem er arbeiten kann, weil es ihm wieder einmal deutlich die Risiken und Nebenwirkungen gezeigt hat, die er bei seiner Mannschaft immer wieder mal einkalkulieren muss.

Die Effizienz und die Schlaghärte, der sogenannte Punch, sind und bleiben das große Thema dieser Elf. Fast immer zeigt sie ein sehr hübsches, technisch bewundernswertes Gefäustel, aber manchmal braucht sie (zu) lange, um den Gegner umzuhauen. Und ein Sieg durch technischen K.o. ist im Fußball noch nicht erfunden. "Wir sind im Moment nicht so tödlich für den Gegner, wie wir das schon waren", sagte Joachim Löw vor dem abschließenden EM-Qualifikationsspiel am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) gegen Georgien: "Die Spieler müssen begreifen, dass eine Chance vielleicht die allerletzte im Spiel ist."

Löw vor Georgien-Spiel
:"Wir sind nicht mehr so tödlich"

Vor dem entscheidenden Spiel in der EM-Qualifikation beklagt der Bundestrainer die mangelnde Effizienz im Torabschluss. Kann Bastian Schweinsteiger gegen Georgien spielen?

"Dass wir hier ohne Tor wegfahren, ist eigentlich eine Frechheit", hat Jérôme Boateng nach dem Spiel in Dublin gesagt. Es war die drastische Variante dessen, was Joachim Löw in der Pressekonferenz etwas umständlicher formuliert hatte. "Obwohl wir in der Regel ja schon viele Tore erzielen", hatte Löw gesagt, "müssen wir lernen, dass wir nicht mehr so viele Chancen liegen lassen." Löw kennt seine Elf. Er weiß, dass sie mit gründlicher Vorbereitung und vollständig ausgeprägter Körperspannung keinen Gegner fürchten muss; er weiß aber auch, dass es manchmal Tage gibt, an denen sich diese Elf vor allem selbst zum Gegner wird.

Es sind Tage wie in Dublin: Wenn die zartfüßigen Mesut Özil, Marco Reus, Toni Kroos oder manchmal auch Mario Götze statt des Gegners lieber die Eckfahne schwindlig spielen. Wenn sie hin und her und her und hin kombinieren und dabei den Sinn des Spiels (= Torschuss) vergessen. "Zu langsam" habe man gespielt, tadelte Boateng, "wir haben uns nicht so viele Chancen wie sonst herausgearbeitet und waren auch nicht effektiv genug." Es habe mitunter "die Kaltschnäuzigkeit gefehlt", ergänzte der Bundestrainer, der sich aber weiterhin die Freiheit nimmt, aus dieser Erkenntnis andere Schlüsse zu ziehen als die Öffentlichkeit.

Nein, das glaube er nicht, sagte Löw, als jemand wissen wollte, ob in der Schlussphase dieses Spiels vielleicht ein sogenannter Stoßstürmer gefehlt hätte. "Mit hohen Flanken ist gegen die Iren doch erst recht kein Staat zu machen", meinte Löw. Er kann sich diese Absage an einen Mittelstürmer klassisch teutonischen Zuschnitts ja schon deshalb locker leisten, weil er ohnehin keinen hat.

Mario Gomez muss in der Türkei erst wieder in die Karriere zurückfinden, die er vor Jahren verlassen hat; der von den DFB-Scouts als interessant eingestufte Stuttgarter Daniel Ginczek fällt wegen einer Halswirbelverletzung auf unbestimmte Zeit aus; der von den DFB-Scouts als nicht interessant eingestufte Frankfurter Alex Meier ist ein Sonderphänomen, bei dem niemand weiß, wie er das alles eigentlich macht; Miroslav Klose weigert sich weiterhin beharrlich, jünger zu werden, er ist inzwischen 37 und aus der Nationalmannschaft zurückgetreten; und Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Horst Hrubesch und Klaus Fischer werden nicht Löw zuliebe ihre Karrieren wieder aufnehmen. Immerhin sagt der Bundestrainer: "Für Mario Gomez ist die Tür nicht zu." Aber die Gelegenheit, sie zu durchschreiten, hat er auch noch nicht nutzen können.

Niederlage gegen Irland
:Die wollen nur spielen

Beim 0:1 in Irland zeigt die DFB-Elf zu viel pausenhofartiges Gedaddel. Im Endspiel gegen Georgien muss die Mannschaft von Joachim Löw zielstrebiger agieren - sonst droht das Aus.

Von Christof Kneer

Löw weiß, dass seine Hochbegabten-Auswahl trotz eines nachweislich errungenen Weltmeistertitels manchmal immer noch in der Gefahr ist, zu gut für diese Welt zu sein. Manchmal wendet sich die Spiellaune gegen sich selbst, und der Bundestrainer kann darauf nicht so reagieren, wie es der Kollege Guardiola in München getan hat. Beim FC Bayern haben sie den Technischen Direktor Michael Reschke in die Welt hinausgeschickt, um irgendwo da draußen Spieler zu finden, die dem bayerisch-katalanischen Kombinationsfußball die nötige Schärfe und Effizienz verleihen.

Von seinen Reisen hat Reschke unter anderem den rasenden Flügelartisten Douglas Costa mitgebracht, der mit seinen Dribblings wahrscheinlich auch den irischen Abwehrblock auseinander gesägt hätte. Man darf die Prognose wagen, dass die Bayern in Darmstadt nicht so 0:1 verlieren würden, wie die Deutschen 0:1 in Irland verloren haben. Die Bayern haben alles, was man heute braucht: Sie haben Costas und Robbens, sie haben einen unwiderstehlichen Stürmer namens Robert Lewandowski, und sie haben auch Spieler wie David Alaba, die Dynamik aus den hinteren Reihen garantieren.

Löw bräuchte Spielertypen wie Costa oder Robben

Joachim Löw sieht das offenbar ähnlich: "Wenn der Gegner mit neun oder zehn Leuten verteidigt, ist es von riesigem Vorteil, wenn du Eins-gegen-Eins-Spieler hast, wenn du Costa hast oder Robben, die wirklich geschult im Eins-gegen-Eins sind, dann ist das natürlich ein Vorteil, dann kannst du den Gegner aufbrechen und irgendwelche andere Lücken reißen. Aber unsere Außenverteidiger haben andere Qualitäten. Ich kann nicht erwarten, dass Ginter und Hector im Dribbling überzeugen, die sind anders geschult. Diese Art von Spielertyp haben wir gerade nicht auf dem ganz hohen Niveau."

Der Bundestrainer hat eben keinen Lewandowski und keine Costas und Robbens auf dem Flügel, und es gibt für Nationalteams auch keinen Transfermarkt, auf dem man mal eben zwei solche Spieler bestellen könnte. Löw muss den Strafraum mit anderen Mitteln heiß bekommen, er muss seine Künstler unter ständiger Spannung halten, und nicht zufällig hat er vor der WM in Brasilien ganz gegen seine sonstige Gewohnheit massiv Standardsituationen trainieren lassen. Es war eine Art Hilfe zur Selbsthilfe, die sich durchschlagend ausgewirkt hat: Über die Standardtore hat sich die Elf die Selbstsicherheit für ihr Spiel geholt.

An diesem Sonntag, gegen Georgien, werden es die Hochbegabten auch so richten müssen, und tatsächlich spricht ja ein Aspekt sehr dafür, dass der DFB-Elf diesmal mehr als null Tore gelingen. Noch einmal lässt sich Thomas Müller so eine Chance nicht entgehen.

© SZ vom 11.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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