DFB-Elf in der Einzelkritik:Stärkung des bayerisch-preußischen Verhältnisses

Philipp Lahm strukturiert das Spiel ohne Spektakel, Mario Götze gibt einen sehr falschen Neuner - und einem Dortmunder glückt aus einer Standardsituation tatsächlich ein Treffer. Die deutsche Nationalmannschaft beim 1:1 gegen Italien in der Einzelkritik.

Von Claudio Catuogno und Christof Kneer, Mailand

DFB-Elf in der Einzelkritik

Manuel Neuer

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(Foto: dpa)

Philipp Lahm strukturiert das Spiel ohne Spektakel, Mario Götze gibt einen sehr falschen Neuner - und einem Dortmunder glückt aus einer Standardsituation tatsächlich ein Treffer. Die deutsche Nationalmannschaft beim 1:1 gegen Italien in der Einzelkritik. Manuel Neuer: Hatte das Glück, als Torhüter aufgestellt zu werden; das brachte ihn nicht in die Verlegenheit, ein optisch vom VfB Stuttgart entliehenes Feldspielertrikot tragen zu müssen. Will in der Nationalelf in jeder Partie spielen (wird sonst wütend) und in keiner Partie ein Gegentor kassieren (wird sonst wütend). Letzteres war ihm erneut nicht vergönnt. Gute Reaktion nach Marchisios Gewaltschuss (47.). Ansonsten wenig zu tun.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Benedikt Höwedes

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(Foto: AFP)

Benedikt Höwedes: Spielte aus einem nachvollziehbaren Grund: Weil Rafinha kein Deutscher ist - und Joachim Löw trotzdem einen Rechtsverteidiger braucht, wenn Philipp Lahm im Mittelfeld spielt. Höwedes' Nominierung dürfte außer Höwedes auch Jérôme Boateng freuen: Er darf jetzt als gesichert annehmen, dass Löw nicht mehr ihn, sondern Höwedes als Rechtsverteidiger zweckentfremdet. In der Defensive solide, aber technisch kaum auf dem Niveau der Mitspieler, fremdelte außerdem beim Zusammenspiel mit Vordermann Thomas Müller bisweilen, als hätten sich die beiden bei der Nationalhymne erst kennengelernt.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Jérôme Boateng

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(Foto: AFP)

Jérôme Boateng: Freute sich über Höwedes' Nominierung als Rechtsverteidiger so sehr, dass er zunächst seine Innenverteidiger-Pflichten etwas lockerer anging: Ließ sich erst von Osvaldo verladen und sprang dann an einem hohen Ball vorbei, der prompt beim echten Neuner der Italiener landete, einem gewissen Balotelli. Später dann wieder unauffällig, was in seinem Fall hieß, dass er Ball und Gegner mit souveräner Gelassenheit im Griff hatte. Gutes Timing im Zweikampf.

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Mats Hummels

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(Foto: AFP)

Mats Hummels: Hatte die zweifelhafte Ehre, einziger Dortmunder in der Startelf zu sein. Was sein Klubchef Watzke wohl sagt, wenn all die anderen Dortmunder vielleicht am Dienstag gegen England in der Startelf stehen - vier Tage vor dem Bundesligaspiel gegen den FC Bayern? Zur Stärkung des bayerisch-preußischen Verhältnisses trug die achte Minute bei: Eine Ecke des Münchners Kroos köpfelte der Dortmunder Hummels ins Tor. Anschließend dann allerdings auffälliger als Boateng, was in seinem Fall hieß, dass sich souveräne Gelassenheit mit riskanten Ungenauigkeiten abwechselte. Sein Risikopass auf Kroos führte zum Gegentor (28.). Wollte danach immer wieder so viel gut machen, dass immer wieder etwas daneben ging.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Marcell Jansen

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Marcell Jansen: Galt bisher als Back-up für den Dortmunder Schmelzer, hat nun aber Chancen, Schmelzer zum Back-up zu degradieren. Beim DFB haben sie seine jüngsten Liga-Leistungen (gut) ebenso registriert wie Schmelzers (nicht so gut). Was noch für ihn spricht: War beim EM-Trauma 2012 nicht dabei, kannte den furchterregenden Balotelli deshalb nur aus dem Fernsehen. Nahm dem Stürmer einmal furchterregend kraftvoll den Ball ab, weshalb Balotelli jetzt auch Marcell Jansen kennt. Spielte das, was er kann: Versuchte, die Offensive anzutreiben (mit Betonung auf: versuchte) und gleichzeitig seine Seite im Griff zu haben. Hatte sie zumindest nicht schlechter im Griff, als sie Schmelzer im Griff gehabt hätte.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Philipp Lahm

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(Foto: Daniel Dal Zennaro/dpa)

Philipp Lahm: Nein, sagte Joachim Löw kürzlich, er sehe Philipp Lahm weiter als Rechtsverteidiger. Ein paar Wochen und eine Schweinsteiger-Verletzung später spielte der Münchner auch bei Löw auf der Sechs - und natürlich wieder so, als hätte er nie woanders gespielt. Wobei: Vielleicht hat man sich seine Zeit als Außenverteidiger ja tatsächlich nur eingebildet. Strukturierte das Spiel ohne Spektakel, aber mit Sinn und Verstand.

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Sami Khedira

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(Foto: dpa)

Sami Khedira: Durfte sich ebenfalls über die Startelf freuen. Nicht, weil er in dieser eine Überraschung wäre. Aber Lahms Versetzung in die Defensivzentrale hat für ihn erfreuliche Nebenwirkungen: Er darf sich selbst ein bisschen Auslauf geben. Konnte es sich mit Lahm im Rücken immer wieder leisten, seine Dynamik nach vorne auszuspielen. Krönte einen seiner Streifzüge mit einem Pfostenschuss. Sieht im VfB-Trikot des DFB außerdem fast so aus wie früher im VfB-Trikot des VfB.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Thomas Müller

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(Foto: dpa)

Thomas Müller: Fremdelte beim Zusammenspiel mit seinem Hintermann Höwedes, als hätten sich die beiden erst beim Beziehen der Startaufstellung kennengelernt. Fand im flexiblen deutschen Spiel seine Laufwege nicht so recht, was auch daran lag, dass das deutsche Spiel manchmal nicht flexibel, sondern verwirrend war.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Toni Kroos

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(Foto: dpa)

Toni Kroos: Wer behauptet denn immer, deutsche Standardsituationen seien ungefährlich, seit Andy Brehme und Thomas Häßler kürzlich ihre Karrieren beendet haben? Kroos schlug jene Ecke, die Hummels ins Tor köpfte. Kam später mit Hummels' Anspiel nicht zurecht - die Ausgangssituation zum Gegentor. Zeigte ein klassisches Toni-Kroos-Spiel: ästhetisch anspruchsvoll, aber athletisch ausbaufähig. Sprints? Tempowechsel? Kommen in seinem Repertoire nicht vor.

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André Schürrle

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(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

André Schürrle: Durfte bestimmt wegen seiner drei Tore gegen Schweden spielen. Zeigte einmal seine gute Schusstechnik: schoss volley an die Latte. Ansonsten fremdelte er mit Hintermann Jansen nicht ganz so wie Müller mit Hintermann Höwedes, aber fest steht: Mit diesen Außenpärchen wird man eher nicht Weltmeister.

DFB-Elf in der Einzelkritik

Mario Götze

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Mario Götze: Bekam es als sogenannter falscher Neuner schon nach 40 Sekunden mit einem echten Vierer zu tun: Innenverteidiger Bonucci rempelte ihn um. Spielte daraufhin eine Weile eine sehr falsche Neun: Trieb sich überall rum, nur nicht im Sturmzentrum. Später dann mal eine unsichtbare Acht, mal eine nur schemenhaft erkennbare Sieben - und wenn es ausnahmsweise mal mit Tempo Richtung Italien-Tor ging, oft eine zu verspielte Zehn. Zweikämpfe? Hat er so viele im Repertoire wie Kroos Sprints und Tempowechsel.

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Einwechselspieler

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(Foto: dpa)

Mesut Özil: Kam für Götze, als falsche, manchmal auch sehr falsche Neun. Geschmeidig und technisch fein, aber das beeindruckt italienische Verteidiger nicht. Marco Reus: Ersetzte Schürrle vollwertig, was an diesem Abend nicht zwingend ein Kompliment war. Sven Bender: Kam für Khedira. Sieht im VfB-Trikot nicht so gut aus wie der ehemalige Stuttgarter. Lars Bender: Kam für Thomas Müller. Sieht im VfB-Trikot aus wie Sven Bender.

© SZ vom 16.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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