Deutsche Slalom-Fahrer:"Beiß die Arschbacken zusammen"

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Der nächste deutsche Siegläufer im Slalom? Linus Strasser (Foto: REUTERS)

Drei Deutsche unter den besten Fünf: Beim Nachtslalom von Schladming wecken Felix Neureuther und Fritz Dopfer vor der WM Begehrlichkeiten. Die größte Konkurrenz kommt aber womöglich aus dem eigenen Land.

Von Matthias Schmid

Es sagt viel aus über den Wettkämpfer Felix Neureuther und noch mehr über den Menschen, wenn er nach dem Rennen dem überlegenen Sieger des Schladminger Nachtslaloms mit warmen Worten huldigt. "Es taugt mir, dass er heute gewonnen hat", sagte der deutsche Rennläufer über den Russen Alexander Choroschilow. "Das hat Eindruck hinterlassen. Wenn ich da mein erstes Weltcuprennen mit so einem Vorsprung in Schladming gewonnen hätte, wäre ich nackt durch den Zielraum gelaufen."

Um seine Begeisterung verstehen zu können, muss man wissen, dass das Nachtrennen auf der Planai unter Slalomfahrern den Stellenwert von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften erreicht. Es ist der Höhepunkt der Saison. Nirgendwo sonst kommen im alpinen Weltcup 42 500 Zuschauer zu einem Slalom. Gleichzeitig war es die Generalprobe vor der in der nächsten Woche beginnenden WM in den USA. "Da kann ich schon mit breiter Brust hinfahren", sagt Neureuther, der mit seinem dritten Platz hinter Stefano Gross seine Führung im Slalom-Weltcup verteidigt hat.

Nacht-Slalom in Schladming
:Choroschilow holt den ersten russischen Sieg seit 34 Jahren

Der Nacht-Slalom von Schladming endet mit einer Überraschung: Der Russe Alexander Chroroschilow gewinnt mit großem Vorsprung vor Stefano Gross und Felix Neureuther. Auch seine deutschen Teamkollegen fahren stark.

An diesem Abend in Steiermark stand ein anderer Deutscher aber noch mehr im Blickpunkt als Vorzeigefahrer Neureuther. Bei ihm und Fritz Dopfer, der das Rennen als Vierter beendete, sind Plätze unter den besten Fünf fast schon zur Regel geworden in dieser Saison, fast als würde das im Reglement des Ski-Weltverbandes Fis verankert sein.

Linus Strasser ist nun der nächste deutsche Rennläufer, der sich anschickt, in der Weltspitze zu verbleiben. In Kitzbühel am vergangenen Sonntag erreichte er mit Rang 14 sein bisher bestes Resultat im Weltcup. Zwei Tage später raste der 22-Jährige vom TSV 1860 München in Schladming nun auf den fünften Platz. "Dass er sich in den schwierigen Rennen so gut präsentiert, kommt auch für uns alle überraschend", sagt der Alpindirektor des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), Wolfgang Maier.

In Kitzbühel das Skifahren gelernt

Strasser stand erst zum zwölften Mal im Starthaus einer Weltcup-Veranstaltung. Nach Verletzungen und Krankheiten in den vergangenen Jahren hatte er sich in Zagreb am Dreikönigstag das erste Mal für den zweiten Lauf qualifizieren können und das Rennen als 20. beendet, "da hat es geruckelt bei ihm", beschreibt Maier dessen Wandlung vom Mit- zum Weltklasseläufer.

Der gebürtige Münchner, der beim Kitzbühler SC seine ersten Schwünge machte, ist ein Profiteur des gut funktionierenden deutschen Nationalteams. "Ich kann mir im Training sehr viel von Felix und Fritz abschauen", erzählt Strasser, "wenn ich da mithalten kann, dann weiß ich, dass ich auch im Weltcup vorne dabei bin." Hinzu kommt das Knowhow des deutschen Techniktrainers Albert Doppelhofer, der seinen Fahrern die nötige Freiräume lässt.

"Wir sind auf Trainerseite sehr gut aufgestellt", sagt Maier. Vor dieser Saison hat Mathias Berthold als Cheftrainer die Gesamtorganisation genommen. "Er weiß, wie man Skifahrer zu Siegern ausbildet", lobt Maier. Berthold selbst war ganz angetan von Strassers Auftritt in Schladming. "Dass er stark ist, wussten wir. Aber dass er so stark wird, ist Wahnsinn", bekannte der Österreicher.

Strasser hatte eine einfache Erklärung für seine beherzte Fahrt im zweiten Durchgang parat, die ihn noch von Rang neun auf fünf katapultierte. "Ich hab vom Stadionsprecher, bildete ich mir ein, gehört, dass ich zu langsam bin, da hab ich mir gedacht: beiß die Arschbacken zusammen", erzählte er hinterher mit einem Lächeln aufgeregt und brachte dabei sogar die Redewendung etwas durcheinander.

Der DSV hat lange auf drei deutsche Slalom-Männer in den Top Ten warten müssen. Das hatte es vor mehr als 40 Jahren in Madonna di Campiglio zuletzt gegeben. Dominik Stehle komplettierte das erfreuliche Ergebnis noch als 22.

Wolfgang Maier kennt die Reflexe im schnelllebigen Profigeschäft. Bei der WM würde jetzt jeder eine Medaille von den Männern erwarten, sagt der Alpindirektor. Er fliegt am Donnerstag aber ganz entspannt in die USA. "Wir wollen eine Medaille gewinnen, aber wir sind kein zwingender Medaillenkandidat", fügt er hinzu.

"Außergewöhnlich gut", lobt der Alpindirektor

In der Tat hat es allein im Slalom in dieser Saison in acht Rennen sechs unterschiedliche Gewinner gegeben. Lediglich Felix Neureuther und der österreichische Ausnahmeläufer Marcel Hirscher schafften zwei Siege. Wie umkämpft die vorderen Plätze sind, zeigt auch der Umstand, dass der Gesamtweltcupführende Hirscher in Schladming, leicht erkältet, auf Rang 14 landete. Der Kreis der Medaillenkandidaten wächst von Rennen zu Rennen. Deshalb will Maier seine Sportler auch nicht allein am Auftritt bei der WM messen. Vielmehr hebt er die Begeisterung, die Freude von ihnen hervor, die sie in Deutschland entfacht hätten. "Was sie in dieser Saison geleistet haben, ist außergewöhnlich gut und wird durch nichts mehr geschmälert."

Neureuther und Dopfer wollen aber mit Medaillen heimkehren, sagen sie unisono. Angst, dass sie die gestiegene Erwartungshaltung erdrücken könnte, haben sie nicht. "Wir sind gut drauf", sagt Dopfer, "und fahren mit viel Selbstvertrauen zur WM." Vielleicht müssen die zwei Großen danach sogar Linus Strasser gratulieren.

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