Fifa:Infantinos erste Amtshandlung: Feiern und Fußball spielen

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Präsident, und nun? Gianni Infantino will die Fifa verändern. Doch seine Ideen erinnern an die seines Vorgängers Sepp Blatter. (Foto: Ennio Leanza/AP)

Gianni Infantino verspricht als Nachfolger von Sepp Blatter an der Fifa-Spitze "eine neue Ära". Aber er vermittelt kaum, wie diese aussehen soll.

Von Johannes Aumüller, Zürich

Die erste Frage ist auf Italienisch, die Antwort auch. Danach eine Runde Deutsch, Journalist Nummer drei fragt auf Spanisch, hätte die Replik aber gerne auf Englisch. Ein Dialog auf Französisch darf nicht fehlen, und bei der Abschlusspassage erreicht die Koketterie des gutgelaunten Glatzkopfes auf dem Podium im Züricher Hallenstadion ihren Höhepunkt: "In welcher Sprache hätten Sie gerne die Antwort?" Wahrscheinlich wären auch noch Ausflüge ins Altgälische, Obersorbische oder Tschuwachische drin gewesen, falls die Pressekonferenz länger als fünf Fragen gedauert hätte.

Gianni Infantino, 45, ist seit Freitagabend das neue Gesicht an der Spitze des krisengeplagten Fußball-Weltverbandes. Fürs Erste bleibt festzuhalten, dass er mehr Sprachen spricht als er programmatische Ideen hat. Am Wochenende feiert er, am Montag will er mit einem Fußballspiel am Fifa-Stammsitz sein Werk beginnen. Aber die große Frage ist: Was kommt danach?

Die Ermittlungen und Skandale enden nicht mit einem Lächeln

Infantino möchte eine neue Ära begründen, teilt er mit. Er will den Schmutz abschütteln und erreichen, dass sich die Fifa "wieder auf den Fußball konzentrieren kann". Viele im Tross des Weltverbandes sind erleichtert, die globale Unruhe rund um die Fifa wäre wohl noch einmal gewachsen, falls tatsächlich Infantinos bahrainischer Gegenspieler Scheich Salman mitsamt einer großen Debatte über Menschenrechtsfragen gewählt worden wäre.

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Gianni Infantino verspricht einen Neuanfang, aber er hat viel gemeinsames Wurzelwerk mit seinem Vorgänger Sepp Blatter.

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Andererseits enden die Ermittlungen und Skandale nicht, nur weil nun ein lächelnder, eloquenter und sprachbegabter Schweizer Jurist an der Spitze des Weltverbandes steht. Die Mahnungen von Sponsoren sowie westlichen Politikern sind deutlich. Die US-Ermittler machen weiter Druck, assistiert von der Schweizer Bundesanwaltschaft - und in der Fifa selbst werden auch künftig die Anwälte von Quinn Emmanuel tätig sein, die den Kontakt zur US-Justiz halten und die Aufarbeitung der vielen Affären intern vorantreiben.

Und es dürfte noch einiges zu tun geben: In der Exekutive, die nach einem vielgepriesenen Reformpaket künftig nicht mehr Exekutive heißt, sondern um zwölf Mann ergänzt wird und sich Council nennt, sitzen noch diverse Personen, die im Kontext von Affären genannt worden sind. Der Ägypter Hany Abo Rida stand 2011 im Rahmen des Fifa-Präsidentenwahlkampfes unter Korruptionsverdacht. Der Name des Tunesiers Tarek Bouchamaoui ist im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Swiss-Leaks-Affäre aufgetaucht.

Der Deutsche Wolfgang Niersbach muss seine Rolle in der Sommermärchen-Affäre erklären. Witalij Mutko ist auch noch da, der Herrscher über Russlands Sportpolitik mit besten Drähten in den Kreml. Und allen voran der kuwaitische Scheich Al-Sabah, der große Stimmendealer des Weltsports, der nun erst einmal verdauen muss, dass er beim Züricher Kongress mit seinem Kandidaten Salman eine große Niederlage erlitten hat. Es ginge immer noch schneller, die Fifa-Vorstände mit tadellosem Verhalten aufzuzählen, als anders herum.

Zudem tut auch Infantino selbst viel dafür, dass bei vielen Beobachtern eher Skepsis vorherrscht und Vergleiche mit der Vergangenheit gezogen werden. Gleich zwei merkwürdige Versprechen machte er im Wahlkampf. Das eine betraf eine geplante Erhöhung des WM-Teilnehmerfeldes von 32 auf 40 Mannschaften. Solche Aufstockungen sind ein alter sportpolitischer Trick, den auch schon frühere Präsidenten nutzten, um das Wahlvolk an sich zu binden. Aber diesmal sieht er besonders merkwürdig aus. Soll es dann acht Fünfergruppen geben? Zehn Vierergruppen? Eine zeitliche Ausdehnung des ohnehin schon mehr als vierwöchigen Turnieres wäre unausweichlich.

DFB-Interimspräsident Koch fordert Kontrollen

Zwar kann Infantino darauf verweisen, dass sogar die Reformgruppe ursprünglich eine Erhöhung vorschlug. Aber die Ablehnung der etablierten europäischen Nationen, von denen viele pro Infantino votierten, ist groß. Allerdings sind diese in der Minderheit, die außereuropäischen Nationen erwarten sich nach Infantinos Wahlversprechen erhöhte Qualifikationschancen. Eine mögliche und intern bereits diskutierte Zwischenlösung wäre es, die Zahl der europäischen Fix-Starter zu reduzieren - und dafür die Zahl der Play-off-Spiele zu erhöhen. Aber dagegen wiederum sperren sich die mittelstarken europäischen Nationen.

Auch Infantinos zweites Versprechen stand in bester Tradition seines suspendierten Vorgängers Sepp Blatter. Er bot den Verbänden mehr Geld. 1,2 Milliarden Dollar will er, "nicht ausschütten", wie er sagt, sondern "in den Fußball investieren". Das macht pro Nationalverband im Schnitt fünf Millionen Dollar, was aus mehreren Gründen bemerkenswert ist: Zum einen tat Generalsekretär Markus Kattner auf dem Kongress kund, wie schwierig die ökonomische Lage für den Verband geworden sei. Zum anderen waren es schon in der Vergangenheit gerade solche Ausschüttungen (oder Investitionen in den Fußball), bei denen das Geld eher nicht wie vorgesehen etwa in den Bau eines Kunstrasenplatzes floss.

Er begrüße Infantinos Ansatz grundsätzlich, sagte Rainer Koch, der Interimschef des Deutschen Fußball-Bundes, aber es müsse nun auch gewährleistet werden, dass es eine Kontrolle gebe. Der australische Fifa-Kritiker Jamie Fuller sagte im ZDF: "Infantino nennt sich selbst einen Reformer, aber ich glaube, er weiß nicht einmal, wie man Reform buchstabiert."

© SZ vom 28.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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