Eishockey-WM:Auch der Retter kann nicht mehr retten

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Held am Freitag, ausgewechselt am Samstag: Deutschlands Torhüter Thomas Greiss. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)
  • Nach dem überraschenden Auftaktsieg gegen die USA geht Deutschland gegen Schweden 2:7 unter.
  • Auch NHL-Torhüter Thomas Greiss kann die Klatsche nicht verhindern.

Von Johannes Schnitzler, Köln

Am Tag danach strahlte sogar die Sonne über Köln. "Traumstart", sagte Franz Reindl. In diesem einen Wort fand der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) und Chef-Organisator dieser 81. Weltmeisterschaft in Köln und Paris genügend Platz für den überraschenden 2:1-Erfolg der deutschen Auswahl gegen die USA und für die Atmosphäre in der mit 18 688 Zuschauern ausverkauften Kölner Arena. Verteidiger Moritz Müller, Kapitän der Kölner Haie, sagte: "Was in den letzten fünf Minuten hier los war, war Wahnsinn."

Am Samstag gegen Schweden, das sein Auftaktspiel gegen Rekordweltmeister Russland 1:2 nach Penaltyschießen verloren hatte, wollten die Deutschen das Publikum noch ein bisschen tiefer in den Wahnsinn treiben. Das Publikum war bereit: Die Stimmung vor dem Spiel pendelte irgendwo zwischen Wiesn-Zelt und Schlager-Festival. Und sie taten, was sie konnten für den 13. Sieg im 111. Duell mit den Tre Kronor. Doch nach 60 Minuten und einer leidenschaftlichen Leistung des DEB-Teams stand ein überdeutliches 2:7 (1:1, 1:3, 0:3) auf dem Spielberichtsbogen.

Bundestrainer Marco Sturm musste gegen den neunmaligen Weltmeister abermals auf seinen Kapitän Christian Ehrhoff verzichten, dessen Verletzung offenbar gravierender ist, als Sturm zuerst angenommen hatte. Wieder im Tor stand dafür Thomas Greiss, der gegen die mit 19 NHL-Profis angetretenen USA 42 von 43 Schüssen der Amerikaner pariert hatte und zum "Man of the Match" gekürt worden war. Greiss sollte gegen die Schweden im Rhythmus bleiben, wie Bundestrainer Marco Sturm erklärte. "Am Sonntag haben wir frei, da kann er sich erholen." Er wird die Erholung brauchen.

Der Wahnsinn war bald sehr laut hörbar

Sturm hatte gehofft, dass Greiss noch einmal so eine Leistung würde abrufen können wie am Freitag. Gegen Schweden, so viel war klar, würde allein das Vertrauen in neue Wundertaten des Schlussmanns aber nicht reichen. "Die Schweden sind taktisch, technisch und läuferisch unglaublich stark", sagte Sturm. Umso dringender empfahl Yannic Seidenberg die Flucht nach vorn. "Wir müssen mutiger werden, die Scheibe mehr in der gegnerischen Zone halten, damit wir hinten nicht so unter Druck geraten", sagte der Stürmer.

Sechs Minuten lang ging der Versuch gut. In der siebten schlenzte Oliver Ekman-Larsson, Teamkollege von Tobias Rieder bei den Arizona Coyotes, die Scheibe aufs Tor, Greiss war die Sicht versperrt, außerdem fälschte Ersatz-Kapitän Dennis Seidenberg sie wohl noch ab, 0:1. Doch der Mut der Deutschen wurde belohnt. Patrick Reimer verfehlte das Tor von Viktor Fasth noch um Zentimeter, auch Frederik Tiffels und Yasin Ehliz versuchten es. Dann setzte Patrick Hager, Siegtorschütze gegen die USA, einen verdeckten Schuss ab, der an Fasth und Freund vorbei zum 1:1 ins Netzt zischte - Ausgleich (17.). Der Wahnsinn war nun sehr laut hörbar.

Nur einer verrichtete unbeeindruckt sein Handwerk: Thomas Greiss. Kurz vor Drittelende rettete der 31-Jährige mit zwei weiteren Großtaten das Unentschieden. Wie viel Sicherheit der Schlussmann seinen Vorderleuten gibt, drückte Verteidiger Dennis Seidenberg, Klubkollege von Greiss in der NHL bei den New York Islanders, so aus: "Thomas hat uns gegen die USA ein paar Mal das Leben gerettet." Dafür unterstützte Verteidiger Seidenberg seinen Goalie, indem er jeden Schweden, der sich dem Tor näherte, mit angemessener Grobheit beiseite fegte.

Ein bisschen Glück gehöre auch dazu, hatte Marco Sturm gesagt. "Aber wenn du gegen eine der großen Nationen gewinnen willst, brauchst du einen starken Torhüter. Und den brauchen wir auch weiterhin, denn es wird nicht einfacher."

Aus dem anfänglichen Mut wurde Verzweiflung

Es wurde sogar sehr schnell sehr viel schwieriger: Nach 23 Sekunden im zweiten Drittel führten die Schweden wieder durch einen Powerplaytreffer von Victor Rask. Doch wieder schlugen die Deutschen ebenfalls im Powerplay zurück: Philip Gogulla traf zum 2:2 (26.). Die eigentlich sehr solide gebauten Schweden wackelten nun wie ein Pressspanregal vom skandinavischen Möbel-Discounter, nur Tiffels' Schlittschuh stand einem Treffer von Reimer im Weg. Das Spiel wogte hin und her, die Welle umrundete die Eisfläche, der Wahnsinn nahm die nächste Umdrehung.

Dann schoss Linus Omark das 3:2 für Schweden (36.). Und bevor die Deutschen sich noch einmal in der Drittelpause hätten sammeln können, legte Jonas Brodin das 4:2 nach, 2,5 Sekunden vor der Sirene.

Aus dem anfänglichen Mut wurde schließlich Verzweiflung. Die Schweden nutzten im letzten Drittel jede Chance. Nach dem 2:7 (52.) durfte Greiss gehen, Danny aus den Birken kam zu seinem ersten WM-Einsatz. Auch der Retter konnte nun nichts mehr retten.

© SZ vom 07.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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