Comeback von Susanne Riesch:Ruhiges Knie dank Fitness-Guru

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Vor mehr als zwei Jahren verletzte sich Susanne Riesch so schwer am Knie, dass sie ans Aufhören dachte. Ein Physio machte sie mit zusammengebastelten Geräten wieder fit. Beim Slalom im finnischen Levi kehrt sie am Samstag in den Weltcup zurück - und spricht schon von Olympia.

Von Michael Neudecker

Die Geschichte in Whistler ist jetzt schon wieder dreieinhalb Jahre her, aber es gibt Geschichten, die bleiben an einem hängen. Susanne Riesch war verdammt schnell unterwegs in Whistler vor dreieinhalb Jahren, es war der Slalom der olympischen Alpinbewerbe, sie war unterwegs zu einer Medaille, aber zwölf Tore vor dem Ziel: fädelte sie ein. Schied aus, und dann saß sie weinend in einem Zelt neben dem Zielraum, während Maria, ihre große Schwester, Olympiasiegerin wurde. Das ist nun die Geschichte von Susanne Riesch: Sie ist eine sehr talentierte Skirennfahrerin, aber das Glück war oft mit anderen beschäftigt, wenn sie es gebraucht hätte.

Jetzt wäre es mal wieder so weit, es wäre mal wieder so ein Moment, in dem das Glück ihr helfen könnte. Es ist kein besonderes Rennen diesmal, nur ein alltägliches Weltcuprennen, der Saisonauftakt für die Slalomfahrer an diesem Wochenende in Levi, Finnland, aber es ist ja der Alltag, der Susanne Riesch so gefehlt hat. Wenn sie sich an diesem Samstag aus dem Starthaus schiebt, bestreitet sie ihr erstes Weltcuprennen seit 18. März 2011. Ihr erstes seit jenem Trainingsunfall in Chile im September 2011, eineinhalb Jahre nach dem Olympiaslalom von Kanada, noch so ein Tag ohne Glück.

Ein Comeback, 974 Tage nach dem letzten Weltcup-Rennen. 974 Tage, mehr als zweieinhalb Jahre.

Susanne Riesch ist damals beim Trainingslager in Chile gestürzt, sie hat sich dabei schwer verletzt, Kreuzbandriss, Bruch des Schienbeinkopfes, Meniskusriss, alles im selben Knie, dem linken. Sportler sind Verletzungen gewöhnt, Skirennfahrer zumal, aber es gibt Verletzungen, die können sogar diesen bei Leistungssportlern so starken Ich-schau-nur-nach-vorn-Optimismus bremsen. Das linke Knie von Susanne Riesch war so kaputt, dass nicht klar war, ob sie überhaupt weitermachen würde. Oder aufhören, mit 23. "Alles stand auf der Kippe", sagt Susanne Riesch.

Anfang dieses Jahres, eineinhalb Jahre nach dem Sturz, hatte sie es wieder probiert, hatte trainiert auf Skiern, in Haus im Ennstal, als ein paar Kilometer entfernt in Schladming die WM stattfand. Maria, die Schwester, wurde Weltmeisterin in Schladming, bei Susanne in Haus wurden die Schmerzen wieder stärker. "Da war ich am Boden", sagt Susanne Riesch. Sie kann das heute so erzählen, ohne großes Pathos in der Stimme, ganz nüchtern. Sie hat es ja hinter sich, da ist sie sich sicher. Und zwar wegen Gernot Schweizer.

Gernot Schweizer aus Stuttgart ist Physiotherapeut und Fitnesstrainer, er hat eine Art Fitnessstudio in Abtenau, einer kleinen Gemeinde im österreichischen Lammertal, rund 50 Kilometer von Salzburg entfernt. Gernot Schweizer ist auch der Fitnesstrainer des österreichischen Skihelden Marcel Hirscher, er hat einen gewissen Guru-Ruf in der Szene: Er hat manche seiner Fitnessgeräte selber zusammengebastelt, aus einer alten Motocross-Maschine zum Beispiel hat er ein Gerät zur Stärkung der Rumpfmuskulatur entwickelt, das Gerät hängt an der Decke. Es gibt ein Foto, wie Susanne Riesch auf dem Motocross-Gerät sitzt, sie schaut sehr angestrengt. "Es war hart", sagt sie, "ich bin mir sicher, dass viele aufgegeben hätten, aber ich", sie lächelt ein bisschen, "ich hab' mich durchgebissen".

Sie hat Schweizer im April im Urlaub auf Zypern kennengelernt, zufällig, er war im gleichen Hotel, er kannte sie, man kam ins Gespräch. Nach dem Urlaub nahm sich Susanne Riesch eine Ferienwohnung in Abtenau.

Sie habe genau so einen gesucht, sagt sie, "einen, der mich individuell betreuen kann"; einen, der gut ist. Sie habe gleich gemerkt, sagt Susanne Riesch, "wie der mein Knie das erste Mal angelangt hat, dass der was drauf hat". Vier Monate lang trainierte sie täglich sechs Stunden in Abtenau, "trainieren, essen, schlafen, mehr war nicht". Gernot Schweizer hat sie getrieben, "das war wichtig", findet sie, "früher, wenn ich alleine trainiert hab', dann hab' ich öfter mal einfach aufgehört". Im Sommer ist sie dann mit vier jungen Mädchen aus dem Europacup-Team nach Neuseeland geflogen, ist wieder Ski gefahren. "Das war richtig gut", sagt Susanne Riesch.

Und jetzt? "Ich bin froh, dass ich wieder meinen Sport ausüben kann, ohne mein Knie zu zerstören", sagt sie. Die Schmerzen sind weg, und wenn sie Schmerzen habe, dann liege das noch an der Muskulatur, die sich noch an die spezifische Belastung gewöhnen muss. "Das Knie selber reagiert nicht", sagt sie. Das ist Sportmediziner-Deutsch und bedeutet: Alles gut.

Ob das so bleibt, weiß Susanne Riesch natürlich nicht, Levi ist ja ihr erster Versuch unter echten Wettkampfbedingungen. Aber sie wäre keine Leistungssportlerin, wenn sie nicht schon wieder von neuen Zielen sprechen würde, von Olympia in Sotschi, klar, "und wenn ich dann wirklich da wäre, dann wäre logischerweise immer eine Medaille das Ziel". Aber sie ist nicht vermessen, sie sagt das mit der gleichen Nüchternheit, mit der sie auch von ihrer Vergangenheit erzählt. "Sotschi ist im Februar", sagt Susanne Riesch, "jetzt haben wir erst mal Levi."

In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat sie ihren Sport nur im Fernsehen gesehen, sie hat gesehen, wie sich die Konkurrenz weiterentwickelt hat. Sie hat gesehen, wie die Slowenin Tina Maze die Szene beherrschte. Und sie hat gesehen, wie die junge Amerikanerin Mikaela Shiffrin auftauchte und zur besten Slalomfahrerin der Welt wurde.

Susanne Riesch ist keine Träumerin. "Es wäre schön, wenn ich mich in Levi für den zweiten Durchgang qualifizieren würde", sagt sie.

© SZ vom 16.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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