Coco Vandeweghe in Wimbledon:Centre Court statt Ringermatte

Wimbledon Tennis Coco Vandeweghe

Überrascht in Wimbledon: Coco Vandeweghe.

(Foto: Getty Images)
  • Die Amerikanerin Coco Vandeweghe erlebt in Wimbledon ihren Durchbruch. Sie steht im Viertelfinale und spielt gegen Maria Scharapowa.
  • Dabei war sie einst die beste Ringerin von Long Island.
  • Jetzt sagt sie: "Ich möchte die Nummer eins der Welt werden, warum nicht?"
  • Hier geht's zu den Ergebnissen in Wimbledon

Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

Coco Vandeweghe hatte alle verblüfft. Während auf dem Centre Court gerade Serena Williams ihre Schwester Venus aus dem Wimbledon-Turnier bugsierte, saß die 23-jährige Amerikanerin in einem Kellerraum vor Reportern aus aller Welt. Vandeweghe steht erstmals im Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers und nun wollte jeder wissen, wer sie ist.

Die Journalisten schrieben eifrig mit. Denn die Geschichte der Familie Vandeweghe ist ähnlich außergewöhnlich wie die der Williams-Schwestern.

Dass aus Vandeweghe eine Tennisspielerin werden würde, war nicht abzusehen. Dass aus ihr mal eine Profisportlerin wird, dagegen schon. Ihre Mutter Tauna nahm 1976 bei den Olympischen Spielen in Montréal als Schwimmerin teil. Ihr Großvater Ernie spielte in den fünfziger Jahren für die New York Knicks, auch Onkel Kiki war ein NBA-Profi. Ihr Bruder Beau spielt professionell Volleyball.

Coco, die eigentlich Colleen heißt, begann erst spät, sich für Tennis zu interessieren, denn viel lieber kämpfte sie. Mit neun Jahren galt sie als die beste Ringerin von Long Island. Sogar ihren älteren Bruder hätte sie wohl besiegt, doch die Mutter erlaubte nicht, dass die beiden gegeneinander antraten. Sie hatte Angst, Coco könnte Beau zu Grunde richten.

Irgendwann entschied sie sich für eine Tenniskarriere - in diesen Tagen sieht es so aus, als war es die richtige Entscheidung. Als einzige ungesetzte Spielerin erreichte sie nun das Wimbledon-Viertelfinale. Die Nummer 47 der Weltrangliste besiegte auf diesem Wege zahlreiche bekannte Profis: Karolína Plíšková, Sam Stosur und am Montag überraschend die an Position sechs notierte Lucie Šafářová. Nun wartet eine noch kniffligere Aufgabe: Vandeweghe tritt am Dienstagnachmittag gegen Maria Scharapowa an. "Ich freue mich auf das Spiel", sagte Vandeweghe und grinste frech. Statt auf der Ringermatte kämpft sie nun auf dem Centre Court.

Als Vandeweghe 2008 den Junioren-Titel bei den US Open gewonnen hatte, hatte sie als eines der großen Versprechen im US-Tennis gegolten. Doch der Durchbruch wollte nie gelingen, auch wenn sie 2011 in die Top 100 der Weltrangliste vorstieß. Ihre Entwicklung stagnierte. Als Vandeweghe im Februar 2014 beim Turnier in Acapulco bereits in der Qualifikation scheiterte, erkannte sie: Es musste sich etwas ändern.

334 Asse in einer Saison

"Das war der Tiefpunkt in meiner Karriere", berichtete sie in Wimbledon. Vandeweghe stellte ihre Ernährung um, Burger waren nun tabu, dafür trainierte sie härter. Wenige Wochen später gewann sie in 's-Hertogenbosch/Rosmalen ihren ersten WTA-Titel. Sie trainiert nun mit Craig Cardon, der schon Martina Navratilova, Jennifer Capriati oder Ana Ivanović betreute. "Ich glaube, ich habe meine Spielweise gefunden", meinte sie nach dem Sieg gegen Šafářová.

Dabei profitiert sie stark von ihrem Service. Die 1,85 Meter große Amerikanerin hat einen der besten Aufschläge auf der Tour. 334 Asse schlug sie in der vergangenen Saison, nur Serena Williams und Karolína Plíšková gelangen mehr. Ihr liegt das Spiel auf Rasen, sie attackierte in ihren Matches mutig, verfügt über harte Grundlinienschläge. Beim Return beugt sie sich tief nach unten und breitet ihre langen Beine aus wie eine Spinne, die im Netz auf Beute lauert.

Nachdem sie gegen Šafářová den Matchball verwandelt hatte, ließ sie den Kopf in den Nacken fallen, sie ballte die Fäuste. Andere Viertelfinalistinnen jubelten da euphorischer. Wenn es nach Vandeweghe geht, ist ihr Weg noch nicht zu Ende - auch wenn die nächste Gegnerin Scharapowa heißt. Die 23-Jährige ist so selbstbewusst wie damals, als sie als neunjähriges Mädchen einen Jungen nach dem anderen niederrang. "Ich möchte in diesem Jahr unter die Top Ten der Weltrangliste", kündigte sie in Wimbledon an und fügte hinzu: "Ich möchte die Nummer eins der Welt werden, warum nicht?"

Dass sie die große Tennisbühne nicht scheut, hat auch mit ihrer Großmutter zu tun. Die war zwar keine Profisportlerin, aber ein bekanntes Model, wurde 1952 zur Miss America gewählt. Sie ließ ihre Enkelin in High Heels auf- und abspazieren, überredete sie, in der Kirche vor der Gemeinde Texte zu lesen. "Das hat mich geprägt", sagte Vandeweghe. Deshalb falle es ihr leicht, vor vielen Zuschauern aufzutreten.

Für ihren Twitter-Account hat Vandeweghe indes ein Bild von sich ausgewählt, das ihrer Großmutter sicherlich nicht gefallen hätte: Vandeweghe streckt auf dem Foto die Zunge raus. Es soll wohl ausdrücken: Ihr werdet schon sehen - ich zeig's euch!

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: