Champions League:Bayern siegt mit gütiger Hilfe

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Abgefälscht: Bayerns Thiago (m.) köpft glücklich an Sevillas Torwart David Soria vorbei das 1:2 (Foto: dpa)
  • Im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League liegt der FC Bayern zunächst mit 0:1 zurück, am Ende steht es 2:1.
  • Die Münchner demonstrieren erst nach der Pause, dass sie auch fein spielen können.
  • Dabei helfen auch zwei abgefälschte Bälle.
  • Juan Bernat zieht sich laut Trainer Jupp Heynckes eine Fleischwunde am Knöchel zu, Arturo Vidal muss mit Knieproblemen ausgewechselt werden.
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Von Benedikt Warmbrunn, Sevilla

Sven Ulreich flog durch die Nacht von Sevilla, er reckte beide Arme, er wusste schon, dass er gleich genießen durfte. Wie schwerelos lag er in der Luft, dann kam der Ball, und Ulreich faustete ihn weg. Der Torwart des FC Bayern ballte kurz die Fäuste. So viel Freude durfte schon sein, wenige Minuten vor dem Abpfiff.

Es war eine der letzten Aktionen in einem intensiven, emotionalen Spiel mit zwei unterschiedlichen Halbzeiten. Der FC Sevilla spielte zunächst leidenschaftlich, taktisch und technisch fein. Erst nach der Pause demonstrierte der FC Bayern, dass er auch fein spielen kann. Durch das 2:1 (1:1) am Dienstag im Hinspiel im Viertelfinale der Champions League geht der Klub mit einer exzellenten Ausgangssituation in das Rückspiel in einer Woche in München. Und er könnte eine lästige Bilanz loswerden.

Vier Mal ist der FC Bayern in den vergangenen vier Spielzeiten in der Champions League vorzeitig ausgeschieden, jedes Mal gegen ein spanisches Team. Real Madrid, FC Barcelona, Atlético Madrid, wieder Real. Vor der Partie ging es daher auch um den sog. Spanien-Fluch, den sie im Verein lässig wegreden wollten. Das sei damals eine andere Mannschaft gewesen, sagte Jupp Heynckes - um dann eine Elf aufzustellen, in der kein Spieler stand, der nicht schon vergangene Saison frühzeitig ausgeschieden ist.

Was Heynckes eigentlich gemeint hatte, war ja aber auch etwas Anderes: Es war jeweils ein anderer Trainer gewesen (dreimal Guardiola, einmal Ancelotti). Zuletzt hatte sich der FC Bayern unter ihm, Heynckes, gegen eine spanische Mannschaft durchgesetzt, 2013 im Halbfinale gegen Barcelona. Ein paar Wochen später gewann der Klub den Wettbewerb. "Jupp kennt die Spanier aus dem Effeff", sagte auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge über seinen Trainer, der einst sieben Jahre lang in Spanien gearbeitet hatte. Es sollte zuversichtlich klingen.

"Sevilla hat in der ersten Halbzeit gezeigt, dass sie nicht umsonst im Viertelfinale der Champions League stehen", sagte der Trainer nach der Partie im ZDF. "In der zweiten Halbzeit haben wir dann aber das Spiel klar bestimmt und verdient gewonnen." Heynckes konnte das ruhig sagen, denn er hatte ja auch recht gehabt. Mit seinen beruhigenden Worten.

Und mit seinen Warnungen. Denn Sevilla war in der ersten Halbzeit von der ersten Minute an die bessere Mannschaft. Die Gastgeber attackierten früh und aggressiv; nach dem Anpfiff brauchte der FC Bayern 60 Sekunden, um den Ball überhaupt aus der eigenen Spielfeldhälfte hinauszuspielen. Der Angriff endete mit einem Eckball, der zu einer guten Kopfballchance für Mats Hummels führte. Der Innenverteidiger verfehlte das Tor (2.). Es sollte für lange Zeit die letzte gefährliche Aktion der Münchner bleiben.

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Die Gäste hatten zwar mehr Ballbesitz, allerdings hauptsächlich in Regionen, in denen dieser wertlos war. Sevilla verschob geschickt und geschlossen, weswegen der FC Bayern im Spielaufbau oft ins Risiko gehen musste. Meistens hatte wenige Sekunden später Sevilla den Ball. Und hatte der Gastgeber den Ball, dann ging es stets schnell. Ein, zwei Stationen, schon hatten sie sich dem Münchner Strafraum angenähert. Und mit ihrem Druck machten sie die Gäste nervös. Zwischendurch versuchte es der FC Bayern auch mit einer gewissen Körperlichkeit. So schubste Franck Ribéry nach einer Rangelei Wissam Ben Yedder, er sah dafür die gelbe Karte (13.) und konnte froh sein, dass es nicht die rote war.

Je länger die Partie dauerte, desto sicherer wurde Sevilla. Ihre Angriffe führten die Spanier bevorzugt über die rechte Bayern-Seite aus (auf der übrigens zunächst nicht Arjen Robben spielte; der Niederländer saß auf der Bank). Nach einem Angriff über links stand Pablo Sarabia frei im Strafraum - er schoss vorbei (20.). Elf Minuten später schloss Sarabia einen Konter mit einem Distanzschuss ab, Ulreich klärte mit beiden Fäusten. Erst im dritten Versuch traf Sarabia. Es lief die 32. Minute, Sergio Escudero hatte auf der linken Seite viel Platz, er flankte in den Strafraum hinein. Dort setzte sich Sarabia mit einer gewissen Körperlichkeit gegen Juan Bernat durch, dann ließ er Ulreich keine Chance.

Auch danach hatte der FC Bayern eigentlich keine gefährliche Aktionen. Dennoch stand es plötzlich 1:1. James Rodríguez, der für den angeschlagenen Vidal gekommen war, passte mit seinen ersten Ballkontakten zu Ribéry, der spielte flach in die Mitte hinein. Und dort fälschte Jesús Navas den Ball so ab, dass Torwart David Soria nicht abwehren konnte (37.). Es war zu diesem Zeitpunkt ein glücklicher Zwischenstand.

Dass der FC Bayern den sog. Spanien-Fluch nun bannen könnte, verdankt die Mannschaft vor allem ihrem Auftritt in der zweiten Halbzeit. Die Gäste strukturierten ihre Angriffe gelassener, und der FC Sevilla konnte den Druck nicht mehr aufrecht halten. In der 49. Minute musste Javier Martínez mit einer gewagten Grätsche gegen Franco Vázquez klären, danach dominierte der FC Bayern.

In der 66. Minute konnte Soria noch einen Schuss von Martínez mit einem starken Reflex abwehren, zwei Minuten später war er chancenlos. Nach einer Flanke von Ribéry probierte es Thiago mit einem Kopfball - die Führung. Allerdings war der Ball erneut abgefälscht worden, Escudero hatte ihn mit den Fußspitzen so gelenkt, dass Soria nicht mehr herankam.

"Es war viel Gutes dabei, aber auch Dinge, die wir nicht so gerne sehen", sagte Thomas Müller später. "Irgendwann haben wir zwei, drei Fehler zuviel gemacht. Danach haben wir gut reagiert, sind gut aus der Halbzeitpause gekommen." Franck Ribéry pflichtete bei: "Wir haben gut angefangen, danach waren wir schlecht organisiert und haben nicht gut nach vorne gespielt. Die zweite Halbzeit war viel besser, aber wir dürfen nicht denken, dass wir schon im Halbfinale sind." Da müsste sein Klub aber schon nachhelfen.

Nach der Führung spielte der FC Bayern die Partie routiniert zu Ende, und als Sevilla noch einmal gefährlich wurde, flog Ulreich schwerelos durch die Nacht.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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