BVB gewinnt Derby gegen Schalke:Dortmund macht Königsblau unsichtbar

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Selten verlief ein Revierderby so einseitig. Dortmund dominiert beim 2:0 den Rivalen Schalke, übernimmt die Tabellenführung und schickt einen deutlichen Gruß nach München. Die Schalker ergeben sich schon nach wenigen Minuten in ihr Schicksal, Trainer Huub Stevens verspottet sein Team und auch die Fans wollen die Niederlage nicht einfach so hinnehmen.

Sebastian Gierke

Es waren erst drei Minuten gespielt im Revierderby zwischen Dortmund und Schalke, da hatte Lars Unnerstall schon das dringende Bedürfnis, Zeit zu schinden. Seine Mannschaft war bereits nach wenigen Sekunden unter Druck geraten und der Schalker Torhüter wollte beruhigen, indem er den Ball einfach nicht mehr ins Spiel brachte. Das erschien ihm wohl am sichersten. Er guckte, verzögerte, guckte, verzögerte. Die Dortmunder Zuschauer pfiffen. Unnerstall guckte. Unnerstall verzögerte. Ein paar mehr Dortmunder Zuschauer pfiffen, der Schiedsrichter ermahnte, Unnerstall guckte, er suchte noch immer einen freien Mitspieler, dann spielte er endlich ab. Es nützte nichts. Unnerstall fand keinen freien Mann, der Ball ging verloren. Sofort.

Mats Hummels und Felipe Santana (recht) feiern den Führungstreffer gegen Schalke. (Foto: AFP)

Diese Szene vom Beginn des brisantesten Derbys, das der deutsche Fußball zu bieten hat, beschreibt ziemlich umfassend das 79. Bundesliga-Spiel zwischen Dortmund und Schalke, das der BVB völlig verdient mit 2:0 gewann. Dabei hatten viele vorher ein Spiel auf Augenhöhe erwartet. Dortmund hatte unter der Woche bei Arsenal in der Champions League viel Kraft gelassen, Sven Bender konnte nach seinem doppelten Kieferbruch nicht spielen, Mario Götze war angeschlagen.

Dazu hatten die Knappen unlängst meist überzeugt: Die beiden besten Bundesliga-Teams der vergangenen Wochen standen sich gegenüber. Und die Statistik sprach auch für Schalke: Von den letzten zwölf Duellen in Dortmund hatten sie lediglich eines verloren. Und dann noch die persönliche Bilanz von Trainer Huub Stevens: Vereinsübergreifend war der Niederländer seit zwölf Bundesliga-Spielen gegen den BVB ungeschlagen. Gute Voraussetzungen also für Schalke. Sie haben nichts daraus gemacht, gar nichts.

Von der ersten Spielminute an suchten die Gäste freie Mitspieler und fanden: keinen. Sie fanden dagegen ständig ihren Meister im Meister. "Wir haben den Gegner nicht hinten rausspielen lassen", konstatierte Jürgen Klopp anschließend nüchtern. "Es war einfach ein gutes Fußballspiel von der ersten bis zur letzten Minute - wir haben hochverdient gewonnen." Wie Recht er hatte.

Die Dortmunder deckten alles Königsblaue zu, ließen es quasi verschwinden, machten geschickt die Passwege zu. Immer war ein Dortmunder schneller am Ball. "Es waren viel zu viele Spieler nicht auf dem Niveau, das sie normalerweise bringen", sagte Stevens und spottete: "Das hat natürlich mit einem guten Gegner zu tun. In der ersten Halbzeit war es aber phasenweise so, dass ich eine Erwachsenenmannschaft wie eine Schülermannschaft gesehen habe. Das war eine große Enttäuschung." Tatsächlich wirkte es während der ersten 45 Minuten, als spielten die Schalker absichtlich den Ball einem Gegner in den Fuß.

Der Dortmunder Torhüter Roman Weidenfeller jedenfalls hatte noch keinen Ball berührt, da war Unnerstall nicht nur durch Spielverzögerung, sondern auch einige Paraden bereits hinreichend aufgefallen. In der 15. Minute reagierte er aber selbst verzögert: Nach einem Freistoß aus dem Halbfeld war der Ball lange in der Luft. Vom starken Wind, der durch das Dortmunder Stadion fegte, getragen, segelte er in den Strafraum. Und segelte. Und segelte. Segelte ihm entgegen, Unnerstall vergaß jedoch selbst das Segeln und Robert Lewandowski konnte unbedrängt einköpfen. Doch nicht nur Unnerstall hatte geschlafen, sondern die gesamte Schalker Defensive. Und Dortmund hätte in der ersten Hälfte noch mindestens ein weiteres Tor erzielen müssen. Doch gegen den durchgebrochenen Mario Götze, dem sein Pferdekuss aus dem Arsenal-Spiel kaum anzumerken war, rettete der Schalker Torhüter aus kürzester Distanz glänzend.

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Dortmund spielte ähnlich wie beim Sieg vor einer Woche in München. Wie ein Organismus bewegte sich die Mannschaft über den Platz und verschluckte dabei alles, was sich ihr in den Weg stellte, die Dortmunder absorbierten einfach jede Gegenwehr, wandelten sie in Energie für ihr Angriffsspiel um. Dabei hatte Trainer Jürgen Klopp mit großen Änderungen in der Startelf überrascht. Erstmals in dieser Saison kam der Argentinier Lucas Barrios von Beginn an zum Einsatz. Außerdem erhielt der Pole Jakub Blaszczykowski den Vorzug vor Kevin Großkreutz. Im Vergleich zu den Begegnungen in München und London saß auch Shinji Kagawa zunächst nur auf der Bank.

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Doch die Dortmunder hatten keinerlei Abstimmungsprobleme. Nicht einmal das Fehlen von Sven Bender, so etwas wie das Herz des Organismus in den vergangenen Wochen, bereitete der Mannschaft Probleme, der junge Moritz Leitner fügte sich ohne Anpassungsschwierigkeiten ein.

So eklatant war die Überlegenheit des BVB , dass selbst die Derby-Stimmung in Dortmund darunter litt. Die Schalker Fans wollten die Niederlage allerdings nicht einfach so hinnehmen und zündelten ein wenig im Fanblock, wohl auch um sich abzulenken. Die Aufregung in dem bristanten Spiel hielt sich jedoch tatsächlich in Grenzen, weil Schalke zu keiner Minute Gefahr ausstrahlte. Und so fragten sich nicht nur die Spieler: Warum Leidenschaft in ein besseres Trainingsspiel investieren? Schon vor dem Revierderby hatten sich die Sticheleien in Grenzen gehalten. So viel Harmonie war selten im Pott. "Natürlich besteht da eine Rivalität, aber auch Respekt voreinander", hatte Huub Stevens gesagt. Und Jürgen Klopp bescheinigt dem Gegner: "Schalke hat wirklich eine gute Entwicklung genommen."

Davon war an diesem Nachmittag allerdings nichts zu sehen. Nur kurz versuchten sich die Schalker zu Beginn der zweiten Hälfte aufzubäumen, doch die Dortmunder ließen den Gegner ganz locker abprallen Und in der 60. Minute war das Spiel dann auch entschieden. Nach einer Ecke konnte Schalke zunächst klären, aber Kehl köpfte den Ball zurück in den Strafraum, fand dort Hummels, der quer auf Barrios legte. Der Rückkehrer scheiterte zwar im ersten Versuch an Unnerstall, doch Felipe Santana hat im Nachschuss keine Mühe, das 2:0 zu erzielen.

Bis morgen, wenn Bayern München bei Mainz 05 antritt, ist Dortmund jetzt Tabellenführer. Das Spiel war ein deutlicher Gruß Richtung München. Das wird die Dortmunder aber nicht sonderlich interessieren. Viel wichtiger im Pott: Der BVB hat jetzt 28 Mal in der Bundesliga gegen Schalke gewonnen - und damit genau einmal mehr, als sie gegen den Erzfeind verloren haben. Als Kevin Großkreutz, Dortmunder Edelfan und nebenbei ein guter Bundesligaspieler, kurz vor Schluss eingewechselt wurde, animierte er die Fans noch einmal. Ein bisschen Derbystimmung! Bitte! Er konnte die Dortmunder nur kurz aus ihrer Genussstarre reißen.

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