Bundesliga: Versicherungen für Profis:Schlecht versichert

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Auch verletzt muss sich Cristiano Ronaldo keine Gedanken um sein Jahresgehalt machen. Deutsche Profis hingegen schon - bereits von ihrer siebten Verletzungswoche an.

Carsten Eberts

Neben allem Ärger dürfte Florentino Pérez auch ein wenig froh gewesen sein, als Cristiano Ronaldo an jenem Wochenende Ende September mit einer starken Bänderdehnung von einem WM-Qualifikationsspiel zurückkehrte. Froh zumindest darüber, dass er für den wohl vier Wochen absenten Angreifer diese sündhaft teure Versicherung abgeschlossen hatte: Drei Millionen Euro lässt es sich der Präsident von Real Madrid im Jahr kosten, dass er das Gehalt seines Prunkstücks (13 Millionen netto im Jahr) unter gewissen Umständen an eine Versicherung abtreten kann - nämlich vom 16. Verletzungstag an.

Nun ist Ronaldo seit 13 Tagen rekonvaleszent und fällt wohl weitere zwei Wochen aus. Noch drei Tagelöhne berappt somit Real, dann greift die Versicherung. Hochgerechnet geht es diesmal um mehr als 500.000 Euro. Dem Spieler dürfte es egal sein, woher er sein Geld bekommt.

In der Bundesliga, deren Klubs weit bescheidenere Gehälter zahlen, ist ein Fall dieser Art bislang undenkbar. Denn das deutsche Arbeitsrecht enthält für Fußballprofis eine Tücke: Wie andere Arbeitgeber auch sind die Klubs nur sechs Wochen lang verpflichtet, das Gehalt eines Spielers weiter zu bezahlen. Danach springt die Krankenversicherung ein - und die zahlt einen Maximalbetrag von 6000 Euro.

Ein Spieler wie Stuttgarts Aliaksandr Hleb (Jahresgehalt etwa sechs Millionen, das lässt sich gut rechnen) bekommt im Falle einer schlimmen Verletzung für die ersten sechs Wochen noch etwa 700.000 Euro vom Verein. Danach nur noch 87,75 Euro pro Tag, von seiner Krankenkasse, maximal 78 Wochen lang. Davon muss er noch Sozialabgaben zahlen.

Aktuell trifft es die Stürmer Patrick Helmes und Paolo Guerrero, die wegen Kreuzbandrissen zu sechs Monaten Pause verdammt sind. Es wird nicht offen kommuniziert, welcher Spieler wie versichert ist. Doch waren sie nachlässig, bekommen Helmes und Guerrero statt ihrer Millionengehälter derzeit nur 87,75 Euro pro Tag von ihrer Krankenkasse.

Unter deutschen Gutverdienern ist es üblich, für private Zusatzleistungen Geld auszugeben. Berufsunfähigkeit, Chefarztbehandlung, privates Krankentagegeld. Aber auch unter Fußballprofis? Mitnichten. Der MLP-Finanzberater Alexander Schärling schätzt, dass gerade mal fünf Prozent aller Erst-, Zweit- und Drittligaspieler angemessen versichert sind. "Zeit für die eigene finanzielle Absicherung nimmt sich kaum jemand", sagt er.

Seit Jahren berät Schärling für die Spielergewerkschaft VdV Profis in Versicherungsfragen - und bekommt mit, wer gut vorsorgt ist und wer nicht. Gut betuchte Bundesligaspieler trifft es weniger, sie können auch einige Zeit von ihrem Ersparten leben. Es sind vor allem Zweit- und Drittligaspieler, die ebenfalls vom Fußball leben und ihre Familien ernähren müssen, denen das Tagegeld ihrer Versicherung kaum zum Leben reicht.

Reißt hier einmal das Kreuzband, droht das finanzielle Chaos.

Ähnlich wie ein Privatmann, sagt Finanzberater Schärling, sollte jeder Fußballprofi Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit, Unfall oder Invalidität abschließen sowie sich zusätzlich um eine Altersvorsorge kümmern. Dafür gibt es zwar wenige Anbieter, doch der Sportler kann im Verletzungsfall von privaten Zusatzleistungen leben. "Darum kümmern sich im deutschen Profifußball viel zu wenige", sagt auch der frühere Nationalspieler Carsten Ramelow. Er ist heute Vizepräsident der Spielergewerkschaft. Dort ist er aus Überzeugung eingetreten, weil er jahrelang miterlebt hat, wie es im deutschen Profifußball zugehen kann.

Ramelow hat Mitspieler gesehen, die nach schweren Verletzungen nicht mehr auf die Beine kamen, auch finanziell. "Die meisten Profis haben von Versicherungsfragen wenig bis gar keine Ahnung", sagt er. "Da sind in jungen Jahren Autos oder andere materielle Dinge wichtiger." Heute sind über 1300 Spieler in der VdV organisiert, aber trotzdem lassen sich viele schlecht beraten, schließen unzureichende oder gar keine Versicherungen ab. Es ist verwunderlich, dass Spielerberater ihren Akteuren gute Verträge aushandeln, sich jedoch offenbar kaum um die Versicherung kümmern.

Ramelow und die Gewerkschaft wollen das ändern. Zusammen mit der Finanzberatung MLP prüft die Gewerkschaft die Verträge der Spieler und klärt über Schutzmöglichkeiten auf. Ramelow hat seine Invaliditätsversicherung damals von Jahr zu Jahr erneuert. Sie wird teurer, je älter ein Spieler ist. Carsten Ramelow hat sie nie gebraucht. Er war nie länger als sechs Wochen verletzt.

Die Einstellung vieler Fußballprofis ist anders. Sie denken von Vertrag zu Vertrag, vor allem, wenn sie gesund sind. In Spanien, bei Cristiano Ronaldo, herrschen dagegen nahezu paradiesische Zustände. Hier haben sich die Klubs per Tarifvertrag dazu verpflichtet, die Gehälter ihrer Spieler während der gesamten Verletzungszeit weiter zu zahlen. Viele Vereine versichern deshalb die Gehälter ihrer Topverdiener, so ist es bei Ronaldo, auch bei Messi und Kaka. Real Madrid muss vorsorgen, will es keine Millionengehälter für Profis ausgeben, die monatelang keine Gegenleistung bringen können.

Für die deutsche Spielergewerkschaft ist ein eigener Tarifvertrag nach spanischem Modell das Langzeitziel, sagt VdV-Geschäftsführer Ulf Baranowski. Auf einen Schlag könnte man damit für umfassende Rechtssicherheit sorgen, sogar die soziale Absicherung der Spieler regeln. Ein großer Schritt, sagt er. Doch ein Tarifvertrag zwischen Spielern und Klubs ist derzeit kaum absehbar. "Das ist unser Zukunftsmodell", sagt Baranowski und stellt sich auf einiges an Überzeugungsarbeit ein.

Ein Tarifvertrag setzt schließlich nicht nur die Bereitschaft der Spieler voraus, sondern auch die der deutschen Vereine.

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