Bundesliga:Das "Talentle" Timo Werner wird erwachsen

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Timo Werner ist erst 20 - aber schon eine Weile dabei in der Liga. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Bei Bayern-Rivale Leipzig nimmt Timo Werner jene Entwicklung, die sie in Stuttgart von ihm erwartet haben - gegen Schalke will er sich auch für den DFB empfehlen.

Von Christof Kneer

Vor vier Jahren war Miroslav Klose schon sagenhafte 34 und damit in einem Alter, in dem Fußballer früher vielleicht noch ein bisschen Libero gespielt haben, bevor sie ihren Toto-Lotto-Laden eröffneten. Nachdem es aber keine Liberos und kaum mehr Toto-Lotto-Läden gibt, hat Klose vor vier Jahren beschlossen, noch ein wenig weiter zu stürmen. Klar, es war ein harter Job, alleine den deutschen Angriff retten zu müssen, aber einer musste den Job ja machen, und wenn er, Klose, doch noch fit und wenn doch sonst keiner in Sicht war - warum dann also nicht?

Ein wenig müsse Klose noch weitermachen, hieß es damals, aber seine Ablösung sei endlich in Sicht: In Stuttgart, so raunte es beim DFB und überhaupt überall, gebe es einen 16-Jährigen, der werde so gut wie Klose oder, ach was, vielleicht werde der sogar noch besser. Werner heiße der, Werner mit Nachnamen, sittenwidrig schnell sei der, einen verboten scharfen Schuss habe er, und er führe einen kompakten Körper mit sich, dessen Robustheit seine 16-jährigen Gegenspieler überfordere.

In der Jugend sei er "in den Torjägerlisten eigentlich immer vorne mit dabei gewesen", sagt Timo Werner heute, er sei es "gewohnt gewesen, viele Tore zu schießen". Der Sagenumwobene hat dann aber vier Jahre warten müssen, bis er auch in den Ranglisten der Erwachsenen aufgetaucht ist: Aktuell findet man Werner, Stürmer bei RB Leipzig, im Verzeichnis der Ligatorjäger auf Platz vier, torgleich mit Robert Lewandowski (beide 7), der sich für den besten Stürmer der Welt hält.

Okay. Aber was ist dann Timo Werner?

Timo Werner, das ist die erste Erkenntnis, ist immer noch erst 20 Jahre alt, das vergisst man gern bei einem Profi, der schon 107 Bundesligaspiele bestritten hat. Zweite Erkenntnis: Timo Werner ist nicht der beste Stürmer der Welt, auch nicht in Europa oder Deutschland. Aber: Er ist der beste Timo Werner, der er bisher war. Und das ist schon eine ganze Menge.

Ja, so könne man das schon sagen, antwortet Werner, wenn man ihn fragt, ob er im Moment vielleicht erstmals in seiner Profikarriere zur rechten Zeit am rechten Ort sei. Werners Geschichte steht stellvertretend für die Risiken und Nebenwirkungen, der Karrieren heute ausgesetzt sind. Es hat Werner nicht gut getan, dass er nicht als unbekanntes Talentle sein erstes Profispiel beim VfB Stuttgart bestreiten durfte; in diesem Fall hätten die Leute auf der Haupttribüne vielleicht mal kurz anerkennend hoch geschaut und sich dann wieder ihrem Schwaben-Biathlon (brummeln & bruddeln) gewidmet.

Aber als Timo Werner mit 17 Jahren erstmals bei den Profis auf Feld lief, war er: das Monschder-Talent, der näggschde junge Wilde. Diese fatale Sehnsucht hat eine Weile jedes Talent beim VfB bedienen müssen, und diese Sehnsucht konnte leider keine Rücksicht darauf nehmen, dass Talente Schwankungen unterliegen, dass sie ihre Körper erst mit dem Profiniveau bekannt machen müssen und überhaupt: dass es sowieso ein rechtes Hexenwerk ist, bei einem Klub gut zu spielen, der in dieser Zeit auch abgebrühtere Spieler in die Verzweiflung getrieben hat.

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Der Bayern-Trainer rechnet bis zum Saisonende mit dem Überraschungsteam aus Leipzig. Leverkusens Volland fällt den Rest des Jahres aus. Zinedine Zidanes Sohn trifft für Real Madrid.

"Beim VfB hatte ich acht Trainer mit acht Spielsystemen", sagt Timo Werner, "gerade für junge Spieler, die noch mit Nervosität zu kämpfen haben, ist es nicht einfach, wenn du dich immer wieder auf eine neue Idee einstellen musst." Und im Training haben ihm die etablierten Sturm-Rivalen schon auch gezeigt, was sie von gehypten Toptalenten halten; sie sind beim Torschuss-Training gern mal ein paar spöttische Kommentare los geworden, und am Ende fühlte der Sagenumwobene nicht nur den Druck von oben (Tribüne), sondern auch von unten (eigenes Team).

Ein ehemaliger Trainer sagt, für Werners aktuellen Lauf sei entscheidend, dass er nun unter seinesgleichen spiele. Werner ist jetzt endlich ein junger Wilder, nur halt in Leipzig, wo er mit vielen Altersgenossen in jugendlichem Enthusiasmus den Ball jagt. "Das System in Leipzig liegt mir extrem", sagt er, "das schnelle Umschalten kommt mir entgegen, weil ich meine Geschwindigkeit ausspielen kann. Und die Position als zweite Spitze hinter einem großen Stürmer ist für mich ideal."

Im nächsten Sommer wird Timo Werner ein Turnier für Deutschland spielen, er weiß nur nicht, welches. Aktuell zählt er zu den Stammkräften der U21, die in Polen ihre EM spielt; im Frühjahr wollen sie beim DFB aber erst entscheiden, welche der U21-Talente sie lieber mit der A-Elf zum Confed Cup nach Russland reisen lassen. Es wäre eine erste Pointe in Timo Werners junger Karriere: Die A-Elf wird neuerdings von einem eigenen Sturm-Trainer begleitet, er ist 38 Jahre alt und heißt Miroslav Klose.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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