Bundesliga nach der Sommerpause:Fußballer-Bäuche sind vergänglich

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Es wird wieder trainiert: die Spieler von Eintracht Braunschweig (Foto: dpa)

Wer hätte gewagt, Uwe Seeler mit der Laktatwert-Tabelle zu kommen? Früher gaben sich alle damit zufrieden, wenn einer Tore schoss. Mittlerweile ist es für einen Fußballer schlimmer, mit einem Bäuchlein aus dem Sommerurlaub zurückzukehren als den entscheidenden Elfer zu verschießen.

Eine Glosse von Boris Herrmann

Rafael van der Vaart mag ein Holländer sein. Das ist aber auch schon fast alles, was ihn von einem klassischen Brasilianer unterscheidet. Brasilianische Fußballer zeichnen sich, grob verallgemeinert, durch zwei Wesensmerkmale aus: Sie lieben das Spiel; und sie lieben die Zeit, in der das Spiel ruht. Diese Zeit nennt man Sommerpause. Van der Vaart, der Gesinnungsbrasilianer, hat gerade vier, fünf Wochen Pause hinter sich. Und da ist es auch mal gut zu genießen, findet er. Finden wir auch.

Neben zahlreichen Vorzügen hat der ausschweifende Genuss einen kleinen Haken. Er ist länger messbar, als die meisten Sommerpausen dauern. Van der Vaart musste zum Dienstantritt beim Hamburger SV jedenfalls einräumen: "Ich habe mich kurz auf die Waage gestellt, bin aber schnell wieder runter." Augenzeugen zufolge wäre sein Urlaubsbäuchlein indes auch ohne technische Hilfsmittel zu erkennen gewesen. HSV-Trainer Fink urteilte: "Es ist klar, dass man in den Ferien etwas zunimmt." Ein weiser Satz. Die meisten Bäuche sind nämlich Momentaufnahmen. Das wird in Zeiten der allumfassenden Leistungsdiagnostik häufig vergessen.

Der waschechte Brasilianer Ronny von Hertha BSC kann davon ein langes Klagelied singen. Als er vor zwei Jahren aus dem Heimaturlaub zurückkehrte, haben sie ihm beim Sprinten einen Bremsfallschirm umgeschnallt, um den Sommerspeck zu bekämpfen. Diesmal musste der Mann, der die Hertha gerade zurück in die erste Liga schoss, öffentlichen Spott ertragen, weil er mit den angeblich schlechtesten Laktatwerten des Teams beim Lauftrainingslager der Berliner eingetroffen war. Ja und? Wofür gibt es eigentlich Trainingslager, wenn man dort nichts abtrainieren darf?

Früher, als Fußball noch ein einfaches Spiel war, haben sich die Leute damit zufrieden gegeben, wenn einer Tore schoss. Egal, wie es um die Wohlstandswampe vielleicht bestellt sein mochte. Wer hätte es gewagt, Uwe Seeler nach getaner Arbeit mit der Laktatwert-Tabelle zu kommen? Wer hätte jenen Mann, den sie kleines dickes Müller nannten, ins Ohr gepiekst, um seinen Torriecher zu messen? Auch in den Achtziger- und Neunzigerjahren durften Männer wie Wolfram Wuttke oder Michael Harforth noch wie Genussmenschen aussehen und trotzdem unbehelligt in der Bundesliga zaubern.

Die bauchpolitische Zeitenwende hat wohl mit Ailton begonnen, der 2004 Torschützenkönig wurde und sich dennoch für seinen Body-Mass-Index rechtfertigen musste. Seitdem stehen Brasilianer unter besonderer Beobachtung, wenn sie aus dem Heimaturlaub zurückkehren. Das mag auch daran liegen, dass es sich in Brasilien prima urlauben lässt.

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Aus dem Land, wo vor der WM 2014 so manches falsch läuft, kam neulich die schöne Nachricht, dass es im kommenden Jahr ein gesondertes Ticketkontingent für Übergewichtige geben soll. Wenn das stimmt, wäre es an der Zeit, auch über eine Genuss-Quote auf dem Rasen nachzudenken. Ein, zwei Spieler pro Team, die aussehen, als hätten sie in ihrem Leben schon mal vier Wochen Urlaub am Stück gemacht, täten dem Spektakel gewiss keinen Abbruch.

© SZ vom 03.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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