Hertha BSC:Im Privatjet gegen die Auswärtskrise

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2:4 in Köln verloren: Auswärts hat die Hertha um Vedad Ibisevic erst neun Punkte aus 13 Spielen geholt. (Foto: AFP)
  • Hertha BSC ist besser als Bayern und Dortmund, zumindest in der Heimtabelle.
  • Doch auswärts tut sich die Mannschaft von Pal Dardai umso schwerer, nur der HSV und Darmstadt sind noch schlechter.
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Von Javier Cáceres, Berlin

Die Stimmung könnte schlechter sein in Berlin: Der Frühling lässt sich blicken, die Profis von Hertha BSC trainieren bei Temperaturen nahe der 20-Grad-Marke, und am Himmel über der Hauptstadt sind keine Wolken, sondern Kondensstreifen zu sehen. Auch sportlich könnte die Lage für Hertha kaum besser sein: Hertha steht auf Tabellenplatz fünf; das erklärte Saisonziel - ein Platz in den europäischen Wettbewerben - ist weiterhin greifbar.

Vor allem aber steht am Freitag dieser Woche ein Heimspiel an. Und allein dieser Umstand verheißt - mag der Gegner auch Tabellennachbar TSG 1899 Hoffenheim sein, der fünf Punkte mehr auf dem Konto hat als die Hertha - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: Punkte.

Zumindest ist diese Prognose erlaubt, wenn man Herthas bisherigen Saisonverlauf zum Maßstab nimmt. Kein einziges Team hat daheim mehr Punkte erzielt als Hertha. Von bislang zwölf Heimspielen gewannen die Berliner zehn, das einzige Team, das aus dem Olympiastadion drei Punkte entführte, war Werder Bremen im September 2016 (1:0). Ähnlich starke Heimmächte sind nur der FC Bayern und Borussia Dortmund mit jeweils 30 Punkten. Nur: Die reüssieren auch auswärts.

Im Gegensatz zur Hertha. In der "Auswärtstabelle" steht Hertha mit nur neun von 39 möglichen Punkten (zwei Siege, drei Unentschieden, acht Niederlagen) auf Tabellenplatz 16. Nur der Hamburger SV (ebenfalls neun Punkte, Auswärtstabellenplatz 17) und Darmstadt 98 (null Punkte, Tabellenplatz 18) sind schlechter als die Berliner, sobald sie auf Tournee gehen. Bei keinem Erstligisten aber ist der Kontrast zwischen den Leistungen daheim und auswärts so krass wie bei der Hertha. In den "Mixed Zones" der Bundesligastadien, wo Profis und Journalisten nach den Spielen debattieren, ist die Frage nach den Gründen für die unheimliche Auswärtsschwäche fast schon zum Ritual geworden. Und die Antworten sind von einem Achselzucken geprägt, das immer intensiver wird.

(Foto: N/A)

Denn: Rational ist das Phänomen kaum zu erklären. Zufall sind die vielen Heimpunkte allerdings auch nicht: Hertha hat in dieser Saison im Olympiastadion mit großer Souveränität agiert. "Wenn du in der Bundesliga Siege erzielen willst, musst du als Hertha BSC an hundert Prozent kommen. Wir haben das in dieser Saison sehr oft geschafft, und wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, fast alle Mannschaften zu schlagen", sagt Herthas Manager Michael Preetz. In der Tat: Mit geduldigem Ballbesitzspiel und guter Ordnung hat Hertha nicht nur Teams zur Strecke gebracht, die in der Tabelle hinter den Berlinern stehen.

Gegen die Branchengrößen Bayern (1:1) und Dortmund (2:1) rief die Hertha gar die besten Saisonleistungen ab. Gegen die Münchner hätte es fast zum Sieg gereicht: Hertha kassierte den Ausgleich erst nach sechs Minuten Nachspielzeit. Nach dem Remis gegen die Bayern verlor Hertha in Hamburg (0:1), nach dem Sieg gegen Dortmund verlor Hertha in Köln (2:4). Es ist, als müsse man die Hertha als ein Neugeborenes unter den Spitzenteams deuten: Denn Fremdelei ist evolutionspsychologisch nur bei Säuglingen belegt, sie reagieren ab dem sechsten Lebensmonat auf Fremde mit Scheu, Angst, Verunsicherung.

"Anders als zu Hause gelingt es uns auswärts viel seltener, unsere Angriffe bis zum Ende durchzuspielen, Torchancen zu generieren und in einen Torerfolg umzumünzen", sagt Preetz. Das liegt auch daran, dass sich Hertha schwer damit tut, Kontertore zu erzielen - wobei sich bemerkbar gemacht hat, dass der konterstärkste Spieler im Kader, der schnelle Rechtsaußen Mitchell Weiser, wochenlang verletzungsbedingt fehlte. Nun ist er erneut verletzt, beim Einsatz mit der U21-Nationalelf zog er sich einen Muskelfaserriss zu. Gegen Hoffenheim fehlt zudem der forsche Linksverteidiger Marvin Plattenhardt wegen einer Mittelohrentzündung zu "99 Prozent", wie Trainer Pal Dardai sagt.

Eine positive Lesart der Heimstärke gibt es natürlich längst. Wenn er zwischen Heim- und Auswärtsstärke wählen müsste, würde er die jetzige Lage immer vorziehen, sagt Preetz: "Dies ist unser Zuhause, hier ist unser Stammpublikum, hier sind wir in der Pflicht, etwas anzubieten." Dass ihm das nur ein schwacher Trost ist, belegt der Umstand, dass Hertha die bisherige Routine umstellen wird. Zum nächsten Auswärtsspiel, in Mönchengladbach, wollen die Berliner erst am Spieltag anreisen, im Privatjet. Denn vielleicht liegt die Fremdelei auch bloß an den Hotelbetten.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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