Bundesliga:Hamburg sendet "ein krasses Zeichen"

Lesezeit: 2 min

In den letzten Jahren eher selten: Freudentänze Hamburger Fußballer (Foto: Stuart Franklin/Getty)
  • Sollte der HSV dem Abstiegskampf in dieser Saison tatsächlich entkommen? In der Rückrunde ist der Verein bisher sehr erfolgreich.
  • Sorgen macht ein medizinischer Ausfall.
  • Tabelle und Ergebnisse der Bundesliga finden Sie hier.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Der Partyminister des Hamburger SV griff sich inmitten der heiß gelaufenen Sympathisanten in der Fankurve das Mikrofon des Vorsängers und gab den Takt an für die Jubelarien. Lewis Holtby heißt dieser Partyminister, der auch in der Mannschaftskabine gern die Musik auflegt und für gute Stimmung zuständig ist. Er hatte zuvor eine wahre Explosion ausgelöst in der mit 57 000 Menschen ausverkauften Arena. "Man hat gedacht, das Stadion fällt auseinander", schwärmte HSV-Trainer Markus Gisdol: "Wunderschön." Als sei er ein Freund des Katastrophentourismus. Und Holtby, der Verursacher dieser exorbitanten Naturgewalt, sagte: "Das werde ich niemals vergessen." Was war passiert?

Ein intensives Spiel gegen den 1. FC Köln steuerte nach Toren von Nicolai Müller (13. Minute) und Milan Jojic (25.) auf ein 1:1 zu. Dann kam die 92. Minute. Dreimal konnte FC-Keeper Timo Horn abwehren gegen einen plötzlich entfesselten HSV - erst mit den Fingern, dann mit dem Kopf, schließlich mit der Faust. Bis Holtby der Ball vor die Füße flog und Horn der Kugel bei ihrem Weg ins Netz nur noch auf dem Rücken liegend hinterher schauen konnte. Das 2:1 war der sechste Sieg in den acht vergangenen HSV-Heimspielen ohne Niederlage. Es war das erste Holtby-Tor nach 2172 Minuten, zudem in seinem 300. Pflichtspiel als Profi.

Doch das Siegtor gegen seinen Lieblingsgegner (der Rheinländer Holtby hat gegen keine Elf häufiger getroffen als gegen den FC, nämlich nun fünfmal) hatte einen Vorlauf. Ab der 85. Minute zeigten die Hamburger, dass sie die "größere Willenskraft" (Vorstandschef Heribert Bruchhagen) hatten. Auch da war Holtby eine Art Einpeitscher. Mit einer Doppelgrätsche an der Außenlinie gegen Nationalspieler Jonas Hector zeigte er, "dass wir alles reingeben wollten", wie er selber sagte. Es war, so Torwart René Adler, "ein krasses Zeichen" - sowohl an die Mitspieler als auch an die Anhänger. Selbst sein Treffer eine Minute später, der aus Abseitsgründen nicht gegeben wurde, ließ Holtby keineswegs aufstecken, sondern spornte ihn noch mehr an.

In der Rückrundentabelle Rang vier

Dass er auch in dieser Partie wieder der Dauerläufer war, der mit 12,63 Kilometern die längste Strecke zurücklegte, war nicht ungewöhnlich. Er zählt in dieser Hinsicht schon lange zur Spitzengruppe der Fußball-Arbeiter, weshalb ihm Gisdol die eine oder andere spielerische Schwäche verzeiht. Aber immer häufiger reißt er seine Kollegen mit. Erstmals wurde das Team, das nach dem zehnten Spieltag nur zwei Zähler hatte, auch "tabellarisch belohnt", wie Abwehrchef Mergim Mavraj feststellte. Zwar wurde die Blitztabelle, die nach der 1:0-Führung eingeblendet wurde und den HSV mit Rang 13 erstmals seit dem ersten Spieltag auf einem Nicht-Abstiegsplatz sah, etwas vorschnell eingeblendet. Doch diese Ungeduld wurde - dank Holtby und des frischen Teamgedankens beim HSV - letztlich nicht bestraft.

In der Rückrundentabelle liegen die Hamburger trotz des 0:8 in München im Februar mit 17 Punkten auf Rang vier - gleichauf mit Borussia Dortmund, dem Gegner am Dienstag. Die neue Ruhe im Verein, die sich Bruchhagen und der neue Sportchef Jens Todt auf die Fahnen geschrieben haben, wurde mit der Vertragsverlängerung des bisher so förderlichen Trainers Markus Gisdol bis 2019 gerade bestätigt.

Sorgen macht eher ein medizinischer Ausfall. In den kommenden sechs Wochen muss Holtby ohne seinen wichtigsten Nebenmann im Mittelfeld auskommen: Nicolai Müller, der mit Marco Höger zusammenstieß und humpelnd das Feld verließ, zog sich einen Innenbandriss im linken Knie zu. Die bevorstehende Genesung von Aaron Hunt (angebrochenes Schienbeinköpfchen) ist da nur ein schwacher Trost, weil Hunt die Torgefahr von Müller fehlt. Gisdol ist es deshalb nach diesem tabellarischen Befreiungsschlag wichtig, dass der extrovertierte Holtby die Feierei mit den Fans nicht übertreibt. "Er soll sich gut ernähren und gut schlafen", wünscht sich der Trainer vor dem Spiel in Dortmund.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Aubameyangs Masken-Jubel
:Nur einer kann die Werbung stoppen

Pierre-Emerick Aubameyang nutzt seinen Torjubel für Sponsoren-Reklame. Der Verein zürnt, wird aber machtlos sein. Einzig die Fans haben ein wirksames Instrument gegen solche Aktionen.

Kommentar von Martin Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: