Bundesliga: FC Bayern:War da was?

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Hat der FC Bayern tatsächlich gerade seinen Trainer entlassen? Warum sind einige Fans sauer auf den Vorstand? Wer das 6:0 gegen den Hamburger SV aufmerksam verfolgt hat, der merkt, dass es innenpolitisch brodelt in diesem Verein.

Jürgen Schmieder

Früher, als der FC Bayern seine Heimspiele noch im Olympiastadion ausgetragen hat, da wurde die Vereinspolitik von der Haupttribüne aus gemacht. Von dort aus ließ sich prima schimpfen auf die Trainer, ob sie nun Lattek, Cramer, Lorant, Csernai, Heynckes, Lerby, Ribbeck, Trapattoni oder Rehhagel hießen.

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Mario Gomez agiert wie Kalle Riedle, Jay-Jay Okocha und Frank Mill, Franck Ribéry gibt den Roadrunner auf Speed - und Arjen Robben schafft eine Aktion, die einmal nach ihm benannt werden wird. Die Bayern beim 6:0 gegen den HSV in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Einmal, so erzählt man sich heute noch, da habe der Bäckermeister Bodo eine Torte abgestellt, innen Butterkeks, außen schwarze Schokolade. Wie ein Sarg habe sie ausgesehen, diese Torte - und sie sollte wohl ausdrücken: Du, Trainer Csernai, hast hier in München nichts mehr verloren.

Eine eigene Meinung? Nein, danke.

Die Jungs in der Südkurve, dort, wo sich jene versammeln, die sich als die wahren, die letzten Fans des stolzen Vereins darstellen, die ihre Mannschaft auch in der zweiten Bundesliga unterstützen würden, die dienen seit jeher nur als Brüllvolk für jene, die auf der Haupttribüne des Vereins steuern wollen. Wenn die Menschen dort den Trainer entlassen wollten, dann sorgten sie dafür, dass die Freunde südlich von ihnen lautstark ihre Forderung unterstützten. Eine eigene Meinung? Nein, danke.

So gesehen ist irgendetwas gewaltig schief gelaufen bei diesem 6:0 des FC Bayern über den Hamburger SV.

Es war die erste Partie, nachdem sich die Verantwortlichen des Vereins entschlossen hatten, den Trainer Louis van Gaal zur lame duck zu ernennen, zur lahmen Ente. Bis zum Saisonende wollten sie ihn noch dulden, er solle gefälligst die Qualifikation zur Champions League schaffen und in der Königsklasse in dieser Spielzeit so weit wie möglich kommen. Dann solle sich der stolze Trainer bitteschön verabschieden. "Natürlich waren wir neugierig, was passieren würde", sagte Karl-Heinz Rummenigge nach dem Spiel.

Es passierte ein 6:0 gegen den Hamburger SV, der seinerseits auch eine lahme Trainerente (Armin Veh) vorzuweisen hat und auch noch um die Teilnahme am internationalen Wettbewerb spielt - und was sich in der Fröttmaninger Arena so abspielte, das konnte den Verantwortlichen dieses Vereins nicht gefallen haben. Arjen Robben schoss drei Tore, Franck Ribéry wirbelte auf der linken Seite, als wäre er der Roadrunner auf Speed, und selbst der formschwache Thomas Müller durfte mal wieder einen Treffer erzielen.

Es war ein offensives Feuerwerk, das die Münchner Akteure da veranstalteten - und freilich deutete es der zum Interimstrainer degradierte van Gaal als Leistung seiner Spieler für den Übungsleiter. "Ich telefoniere vor jedem Spiel mit meiner Frau Truus", sagte van Gaal nach dem Spiel. Noch am Mittwoch habe er ihr von einer desolaten Elf berichtet, die er höchstselbst "Schritt für Schritt" aufgepäppelt habe für das Spiel am Samstag. "Deshalb hatte ich vor dem Spiel ein gutes Gefühl", sagte van Gaal - und fügte hinzu, dass er durchaus das Gefühl habe, dass die Akteure auch für ihn gespielt hätten.

Die Münchner Verantwortlichen Karl Hopfner, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge goutierten diese Leistung der Akteure auf der Haupttribüne im mittleren Ring der Arena durchaus wohlwollend, sie klatschten sich bei jedem Treffer strahlend ab. Von den Vorgängen auf den anderen Tribünen des Stadions indes bekamen sie während des Spiels nur wenig mit.

Die Südkurven-Fans hatten nämlich realisiert, dass die Verantwortlichen des FC Bayern auf ihre Meinung herzlich wenig geben. Zuletzt mussten sie das feststellen, als sie ihre Sympathie für den Torwart Thomas Kraft und ihre Abneigung gegenüber dem Schalker Torhüter Manuel Neuer, derzeit in Diensten von Schalke 04, ausdrücken wollten. Der Verein schäme sich für diese Fans und entschuldige sich bei Manuel Neuer, so die Erklärung nach dem Pokalspiel gegen Schalke.

Also wanderten während der Partie gegen Hamburg etwa 500 Fans von der Südkurve in Richtung Haupttribüne im unteren Stockwerk - und zu der Zeit, als Mario Gomez gerade die vierte Chance vergab, da sangen diese Zuschauer: "Wir sind die Fans, die Ihr nicht wollt!" Als Arjen Robben das 1:0 erzielte, da skandierten die Haupttribünen-Sänger: "Wir wollen den Vorstand sehen!" Und als Robben das 3:0 erzielt hatte, da gipfelten die die Rufe in: "Vorstand raus!"

Dieser Vorstand, der muss nun erklären, warum der FC Bayern genau zu jener Zeit die spektakulärste Leistung dieser Spielzeit präsentiert, als dem Trainer eine Frist seiner Amtszeit präsentiert worden war. Als Louis van Gaal sagen dufte: Ich gehe ohnehin, also mache ich nun wirklich, was ich schon immer machen wollte mit dieser Mannschaft. Als die Freigeister Arjen Robben und Franck Ribéry herumwirbeln durften, als wären sie von einer schweren Last befreit worden.

Vereinspolitik von der Haupttribüne aus hat beim FC Bayern Tradition: Vereinsvorstand Karl-Heinz Rummenigge, Finanzvorstand Karl Hopfner und Präsident Uli Hoeneß (von links) bejubeln den Treffer zum 1:0 gegen den Hambruger SV. (Foto: dapd)

Auf die Frage, ob der Trainer denn bei weiteren erfreulichen Leistungen nicht doch bleiben könne, sagte Kapitän Philipp Lahm: "Das muss der Vorstand entscheiden." Eine klare Aussage war ihm ebenso wenig zu entlocken wie einem anderen Spieler oder Louis van Gaal. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer wirkte zumindest an diesem Tag äußerst intakt.

Reden wollte nach dem Spiel keiner

Die Verantwortlichen des FC Bayern können sich freilich darauf berufen, dass da nur wenige Fans Schmähgesänge riefen, während der Rest den Protagonisten wie Robben oder Ribéry huldigte. Hätte der Hamburger Paolo Guerrero - übrigens lange in Diensten des FC Bayern - eine seiner zahlreichen Gelegenheiten in der ersten Halbzeit genutzt, wer weiß: Vielleicht hätten sich die Rufe der 500 Fans, die eine Ablösung des Vorstands forderten, zu einem Lauffeuer in der Arena ausgeweitet. So nickten nur einige auf der Haupttribüne.

So gesehen wissen Karl Hopfner, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wohl selbst nicht so recht, was sie anfangen sollen mit diesem arg deutlichen Erfolg gegen den alten Rivalen aus dem Norden Deutschlands. Er stärkt die Position des Trainers, gewiss. Er sorgt auch für Selbstvertrauen bei jenen Akteuren, denen der Louis van Gaal bei dieser Partie das Vertrauen schenkte.

Wirklich reden wollte keiner von ihnen nach dem Spiel, selbst Rummenigge, gemeinhin ein Freund klarer Worte, sprach nur über die Partie und das bevorstehende Spiel gegen Inter Mailand.

Das Vertrauen jener treuen Fans, die den Verantwortlichen dieses Vereins seit Jahren vertrauen, scheint erschüttert zu sein. Es brodelt innenpolitisch beim FC Bayern. Darüber täuscht kein 6:0 gegen den Hamburger SV hinweg - und auch nicht die Tatsache, dass gemeinhin nur von der Haupttribüne aus Politik gemacht wird in diesem Verein.

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